Mit dem Revolver auf Verteidiger gezielt

¶BEZIRK TULLN. Trotz aller Vorschriften bezüglich der Handhabung von Schusswaffen hielt eine 50-jährige Landwirtin aus dem Bezirk Tulln einen Revolver mit der Mündung gegen ihren Verteidiger, als sie am Landesgericht St. Pölten auf Aufforderung des Sachverständigen Armin Zotter demonstrierte, wie man den Ladezustand der Waffe kontrolliert.

Legitimer Waffenbesitz
Seit rund zwanzig Jahren darf die Frau von Rechts wegen Waffen besitzen. Als sie im Jänner 2011 eine neue Waffe bekam, wollte sie diese einem Bekannten zeigen. Sie öffnete den Waffenschrank im Keller und holte unter anderem auch jenen Revolver heraus, den ihr Mann zur Marderjagd geladen dort aufbewahrt hatte – die Bezirksblätter haben berichtet. Wegen schlechter Lichtverhältnisse ging sie in den Nebenraum, in dem sie ihrer Nachbarin die Haare eingedreht hatte. Die 77-jährige Anna St. saß Zeitung lesend unter der Trockenhaube und soll laut Zeugen gesagt haben, dass die Hobbyfriseurin die Waffe weggeben solle. Beim Hantieren löste sich aber plötzlich ein Schuss, der die betagte Nachbarin traf und schwer verletzte. Da diese gebeugt saß, traf sie der Schuss rechts am Hals und trat links an den Rippen wieder aus. Anna St. erlitt dabei eine Verletzung der Schilddrüse, eine Lungenverletzung sowie einen Rippenbruch mit Lungenkollaps und Bluterguss im Rippenfellraum.
„I könnt am Friedhof sein“, erklärte das Opfer im Zeugenstand, aber „hab“ sei sie auf die Schützin nicht mehr. „Gott sei Dank ist nichts Schlimmeres passiert“, ergänzte der Verteidiger die Aussage des Opfers, dem Richterin Doris Wais-Pfeffer 4.500 Euro Schmerzensgeld zusprach.

Unachtsames Verhalten
Als „unachtsam“ bezeichnete die Angeklagte ihr Verhalten, sie habe jedoch nicht gewusst, dass die Waffe geladen war. Ein viermaliges Klicken, als sie völlig unnötig den Hahn spannte, habe sie nicht vernommen. „I bin auf an Ohr derrisch“, war ihre Erklärung und: „Leider hab i den Finger am Abzug g’habt!“, bedauerte die Beschuldigte, der der Gutachter auch mangelnde Sensibilität vorwarf, da für die Schussabgabe doch einiges an Kraft aufzubringen ist, wenn man den Abzug drückt. Laut Sachverständigem konnte sich der Schuss nur durch äußerst unsachgemäßes Hantieren mit der Waffe gelöst haben. Dass die Beschuldigte den Revolver dabei noch gegen einen Menschen gerichtet habe, sei für jemanden, der einen Waffenführerschein besitzt, mehr als leichtfertig.
„Ich habe Sie beobachtet“, meinte Wais-Pfeffer, „und ich weiß nicht, ob Sie den Ernst der Lage wirklich erkannt haben.“ Die Angeklagte habe eine sehr hohe Gefahrenlage geschaffen und es sei nur Glück gewesen, dass dieser Leichtsinn kein Todesopfer gefordert habe, ergänzte die Richterin nach dem Urteilsspruch, bei dem sie die Frau zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten und einer Geldstrafe in Höhe von 720 Euro verurteilte (nicht rechtskräftig).