Öffnungszeit – Gefängnis wird Kulturraum

Die ehemalige Erziehungsanstalt Kirchberg hinter dem alten Gerichtsgebäude (Marktplatz 27)
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  • Die ehemalige Erziehungsanstalt Kirchberg hinter dem alten Gerichtsgebäude (Marktplatz 27)
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Das Gebäude steht mitten im Ort und dennoch hüllt sich eine Wolke des Schweigens um das Haus hinter dem ehemaligen Gerichtsgebäude (Marktplatz 27). Zwischen 1912 und 1974 war hier eine Außenstelle der ehemaligen Erziehungsanstalt Kaiserebersdorf, bei den ehemaligen jugendlichen Zöglingen als „Strafkolonie“ bekannt. Seit 1974 war das Gebäude verschlossen und der Öffentlichkeit nicht zugänglich, es wurde nach der Schließung ausgeräumt und diente als Aktenlager. Die Aufarbeitung der grausamen Geschichte des Hauses war in den letzten Jahren entweder zu überfordernd oder man wollte die Gräueltaten einfach vergessen, solange die Verantwortlichen und Mittäter noch lebten.

Es ist auch heute noch emotional schwierig, sich in das Thema und die Details zu vertiefen und auf den bedrohlichen Alltag der Zöglinge einzulassen. Eine ehrenamtlich arbeitende 31 Künstler umfassende Gruppe rund um den Verein „Kunst Kultur Kirchberg“ stellt sich nun der schwierigen Aufgabe und versucht, das Leid der Jugendlichen in verschiedenen Installationen in den Räumlichkeiten des Hauses sichtbar zu machen und aufzuarbeiten. Inspiriert durch die Geschichten der ehemaligen Insassen versuchen sie das Unfassbare durch Kunst begreifbar zu machen. Das Projekt „Öffnungszeit“ findet im Rahmen des Viertelfestivals NÖ statt und wurde am 6. Mai 2017 mit einem Festakt und großer Besucheranzahl eröffnet. Die Eröffnung fand mit vielen Festgästen, den Künstlern, dem Kirchberger Bürgermeister, dem Vizebürgermeister und Nationalratsabgeordneten Johann Höfinger statt.

Norbert Höfinger ist betroffen über die Hintergründe: „Ich habe schon viele Ausstellungen eröffnet, aber keine ist so tiefgründig wie diese hier.“ Mit der Eröffnung soll nun auch ein Zugang eröffnet werden, mit allem wie sich die Geschichte des Hauses darstellt – mit allem Recht und Unrecht. Nationalratsabgeordneter Höfinger weiter: „Hier wurden jungen Menschen Perspektiven genommen und Qualen verursacht.“

Die Aufarbeitung einer dunklen Zeit

Der Alltag der männlichen Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren, die hier einsitzen mussten, war die reinste Hölle. Folter war der Alltag, die Jugendlichen wurden in Einzelhaft gehalten und mussten bei Strafarbeiten ein tägliches Arbeitspensum schaffen, das einfach nicht zu bewältigen war – und bekamen von den sadistischen Wärtern dafür wieder Schläge. Neuankömmlinge mussten im Auftrag der Wärter verprügelt werden, wer dabei nicht mitmachte, bekam ebenfalls Schläge. Ein perfides System der Gewalt herrschte hier bis zur Schließung im Jahr 1974.

Im Internet finden sich mittlerweile viele gleichlautende Berichte von ehemaligen Insassen, die bis heute unter dieser Traumatisierung leiden. Ein ehemaliger Insasse, Karl Martinek, ist mit Gleichgesinnten aus dem Verein “Ehemaliger Heim- und Pflegekinder“ anwesend, um zu erzählen wie es damals wirklich war, welche Leiden die betroffenen jungen Menschen durchleben mussten. Für Karl ist die Eröffnung der Ausstellung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: „Die Gründung der Kulturwerkstatt ist wichtig, dort wo Schweiß, Blut und Müdigkeit war, da sind jetzt Kunst, Fotografie und Lesungen – damit kann ich heute eine dunkle Zeit meines Lebens abschließen.“Karl Martinek hat die Ausstellung aktiv begleitet, ein Raum der Ausstellung (seine ehemalige Zelle) zeigt Bilder von ihm.

Auch die Kinder-und Jugendanwältin des Landes NÖ, Mag. Gabriela Peterschofsky-Orange war in der Erarbeitung der Ausstellung eingebunden: „Kunst übernimmt die Verantwortung der Aufarbeitung. Die Künstler sorgen dafür, dass die Transformation dieses Hauses beginnt.“ Im Zuge ihrer Rede werden den beiden Hauptverantwortlichen des Projektes, Wolfgang Giegler und Hanna Scheibenpflug (Verein Kunst Kultur Kirchberg) Urkunden überreicht und die beiden Projektleiter werden im Namen der Landeshauptfrau zu Botschaftern der Kinderrechte ernannt.

Nur im Mai 2017 hat man an einigen Tagen (Termine siehe unten) die Gelegenheit, das Jugendgefängnis zu betreten und sich mit den Werken der Kunstschaffenden und der Geschichte des Hauses aktiv auseinander zu setzen. Welcher Verwendung das Gebäude (steht unter der Verwaltung des Bundes/BIG) nach dem Projekt „Öffnungszeit“ zugeführt werden soll, ist noch ungeklärt. Ein wunderschöner Garten im Herzen von Kirchberg gehört auch zu dem Anwesen und liegt seit Jahren brach. Ginge es nach dem Wunsch der Künstler, sollte das Haus eine Verwendung finden und der Garten auch weiterhin für die Kirchberger geöffnet bleiben.

Die Öffnungszeiten im Mai 2017:
3470 Kirchberg am Wagram, Marktplatz 27 (hinter dem ehemaligen Gerichtsgebäude)

Sonntag, 14.5.2017 10.00 – 18.00 Uhr
Sonntag, 21.5.2017 10.00 – 18.00 Uhr
Donnerstag, 25.5.2017 10.00 – 20.00 Uhr
Sonntag, 28.5.2017 10.00 – 18.00 Uhr

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