20 Jahre
Lebenswelt Schenkenfelden feiert großes Jubiläum
SCHENKENFELDEN. Am 12. September 1999 feierten der Orden der Barmherzigen Brüder und die Marktgemeinde Schenkenfelden mit rund 1.500 Gästen die offizielle Eröffnung der Lebenswelt Schenkenfelden. Was mit einer Vision begann, wurde in den vergangenen 20 Jahren zu einer europaweit einzigartigen Einrichtung, die basierend auf dem „Gemeinschaftskonzept“ als internationales Vorzeigeprojekt gilt. Am Donnerstag, 11. Juli, erinnert ab 18.45 Uhr eine große Jubiläumsfeier an den Beginn von gelebter Inklusion. Treffpunkt für den Festzug ist die Lebenswelt.
„Lebensfreude durch Gemeinschaft. Gemeinschaft durch gemeinsame Sprache.“ Nach diesem ebenso einfachen wie erfolgreichen Prinzip gründete Primar Johannes Fellinger vor 20 Jahren die erste Wohn- und Arbeitsgemeinschaft als „Lebenswelt“ für gehörlose Menschen mit zusätzlichen Bedürfnissen.
Kommunikation – ein Grundrecht des Menschen
Das Besondere an der „Lebenswelt“ ist, dass Menschen mit Gehörlosigkeit und zusätzlicher Beeinträchtigung nicht nur betreut werden, sondern auch als gleichwertige Mitglieder in einer therapeutischen Gemeinschaft leben und arbeiten. Gesicherte Kommunikation, insbesondere durch Gebärdensprache und bedingungslose Wertschätzung jeder Person, ermöglichen persönliche Beziehungen und individuelle Entfaltung.
Gemeinschaft ist therapeutisch und damit heilsam
An dieser Gemeinschaft nehmen alle teil, unabhängig von Beeinträchtigung, Profession oder Funktion. Die Bereitschaft, voneinander lernen zu wollen und sich gemeinsam weiterzuentwickeln, ist essentiell. Die Mitarbeiter stehen ebenso wie die Teilnehmer in einem Entwicklungsprozess, auch wenn ihnen vielfach die Rolle als „Entwicklungshelfer“ zukommt, um angelegte Ressourcen der Teilnehmer zur Entfaltung zu bringen.
Isolation durch Hörbeeinträchtigung
Dass das Bedürfnis nach Gemeinschaft und sinnstiftender Tätigkeit bei Gehörlosen mit Beeinträchtigung gegeben ist, erkannte Fellinger bereits vor vielen Jahren als Leiter der Gehörlosenambulanz im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Linz. Das Nicht-Hören-Können sowie Einschränkungen der intellektuellen Leistungsfähigkeit und Verhaltensprobleme führten häufig zu Isolation in der Familie und im sozialen Leben. „Betroffene waren aufgrund der mangelnden Kommunikation nie wirklich teil des Familienlebens, viele wussten nicht einmal wie ihre Eltern heißen oder kannten die Lebensgeschichte ihrer Familie nicht“, erinnert sich Fellinger heute.
Sein Kind in guten Händen wissen
Auch die Sorge von Eltern, nicht ausreichend ein beeinträchtigtes Kind betreuen und fördern zu können, war für Fellinger mit ein Grund, einen Lebensraum zu schaffen, der Entfaltung, Weiterentwicklung und Lebensfreude ermöglicht. „Mein Sohn hat in Schenkenfelden wieder den Sinn des Lebens zurückbekommen. Und auch wir fühlen uns wohl, weil wir wissen, er ist hier gut aufgehoben und in sicheren Händen“, so eine betroffene Mutter.
Inklusion entsteht durch Integration
Um das Konzept einer therapeutischen Gemeinschaft leben zu können, war nicht nur das Konzept, sondern auch die Wahl des Standortes ausschlaggebend. Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen werden oft am Ortsrand angesiedelt – nicht so die Lebenswelt. Das Gerstl-Haus, das von Familie Fellinger unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, liegt mitten im Ortszentrum und ermöglicht dadurch eine völlige Einbindung in das Gemeindeleben. „Die Lebenswelt-Teilnehmer gehen selbständig einkaufen oder auf die Bank“, beschreibt Bürgermeister Karl Winkler das Zusammenleben.
Rückblick auf bewegte Jahre
Gäste der Feierlichkeiten sind langjährige Wegbegleiter, politische Vertreter sowie Eltern, Familienmitglieder, Mitarbeiter und natürlich Bewohner von Schenkenfelden. Die Chronik von „20-Jahre Lebenswelt Schenkenfelden“ wird nicht nur in einer Gesprächsrunde vorgestellt, sondern auch in einem exklusiven Bildband präsentiert. Im Rahmen der Feierlichkeiten wird auch das Internationale Gehörlosentreffen von 10. bis 12. Juli in Schenkenfelden stattfinden.
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