Vor dem Attentat war das Thronfolger-Paar in Reichenau

Das Gasthaus Horner in Reichenau ist heute an den Betreiber einer Pizzeria verpachtet. | Foto: Mayrhofer/Archiv
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  • Das Gasthaus Horner in Reichenau ist heute an den Betreiber einer Pizzeria verpachtet.
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REICHENAU/HELLMONSÖDT (mawi). Am Samstag, 28.Juni, jährte sich zum 100. Mal die Tragödie von Sarajewo, als Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin von Gavrilo Princip erschossen wurden.
Franz Ferdinand kam 12 Jahre lang, von 1902 bis zu seinem Tod 1914, im Frühsommer zu der alljährlichen Auerhahnjagd im Jagdrevier in Hellmonsödt-Reichenau, das er von Starhemberg gepachtet hatte. Auch zu den Herbstjagden war der Thronfolger stets in Reichenau. Als Franz Ferdinand und seine Gattin am 12 . Mai1914 von Reichenau wieder abreisten, konnte niemand ahnen, dass dies der letzte Besuch des Fürstenpaares in Reichenau gewesen war. Wenig später fielen Franz Ferdinand und Sophie dem Attentat zum Opfer.

Das Gasthaus „Zum Erzherzog Franz Ferdinand“
Der Thronfolger wurde meistens von seiner Gattin begleitet, zu deren Aufheiterung der alte Ederbauer abkommandiert wurde. Er unterhielt sich mit der Herzogin über die gesamte Landwirtschaft und über die Kinder. Das hohe Paar wohnte in Starhembergs Forsthaus Hahnenhort bei Hellmonsödt, nahm aber auch oft im Gasthof Horner in Reichenau Quartier. Die Urkunde, mit der Erzherzog dem Gastwirt die Bewilligung erteilte, sein Haus „Zum Erzherzog Franz Ferdinand“ nennen zu dürfen, ging 1945 durch Ein- quartierung amerikanischer Soldaten verloren. Das „Erzher- zog-Zimmer“ fiel einem Hausumbau zum Opfer. An der westlichen Hausfront prangt aber noch der Gasthaus-Beiname. und im Gastraum gibt es eine Erinnerungstafel.
Der ständige Ärger, den das Thronfolgerpaar wegen der Demütigungen wegen der „nicht standesgemäßen“ Herkunft der Fürstengattin, Gräfin Sophie Chotek von Chotkowa und Wogin, Hofdame einer Erzherzogin, durch den Hochadel hatte, mag ein Grund dafür gewesen sein, dass sich Franz Ferdinand (wohl nicht nur in Reichenau) oft leutselig mit dem „gewöhnlichen Volk“ unterhielt. In Reichenau gibt es noch viele mündliche Überlieferungen an heitere Begebenheiten mit dem Fürsten, die Hubert Bognermayr, ein gebürtiger Reichenauer und ehemaliger Direktor der Jahnschule in Urfahr, in seinem Buch „Reichenau und Umgebung. Geschichte und Geschichten“ (erschienen 1982 ) überliefert hat.

„Ruck umi, du Leahl!“
Ein Beispiel: Der tiefkatholische Thronfolger pflegte nach der Morgenpirsch die Frühmesse in der Reichenauer Pfarr- kirche zu besuchen. Dabei musste ihn immer Gastwirt Horner begleiten. Die Pfarrbewohner hatten damals ihren bestimmten Sitz mit Namenstaferl und mussten dafür zahlen. Einmal setzte sich der Erzherzog auf einen Platz mit dem Namen Dirnber- ger. Da kam auch schon der alte Dirnberger, der den Erzherzog noch nie gesehen hatte und daher nicht kannte, und brummte unwillig: “Ruck umi, du Leahl!" Der Erzherzog rückte weiter und fragte Horner, was denn das sei, ein „Leahl“. Der Wirt meinte geistesgegen wärtig: „Das ist ein Herr aus der Stadt!“ Was hätte Franz Ferdinand wohl gesagte, wenn er gewußt hätte, dass „Leahl“ ein bodenständiger Ausdruck für Tölpel oder Dummkopf war?
Vor dem ErstenWeltkrieg muß es in den Wäldern um Reichenau und Hellmonsödt noch viele Auerhähne gegeben haben, denn Franz Ferdinand konnte an einem Morgen mehrere davon erlegen. Dal legte der Leibjäger einen Auerhahn am Waldrand neben einer Straße ab, um die anderen Hähne zu holen. Der Schneiderhans von Ottenschlag kam mit seinem Botenfuhrwerk daher und rupfte dem Hahn, von dem er annahm, er sei eines natürlichen Todes gestorben, die Stoßfedern aus, wurde aber dabei ertappt und zum Erzherzog gebracht. Nach tiefem Kniefall und Entschuldigungsgestam -mel wurde der Schneiderhans vom hohen Gast huldvoll entlassen. Die Hänseleien in den Wirtshäusern waren ihm Strafe genug.

An einem Tag sechs Rehböcke geschossen
In Reichenau, wo der Thronfolger die Straßen nach Ottenschlag und Hellmonsödt ausbauen ließ, war auch manchmal Erzherzog Karl, Franz Ferdinands Neffe und späterer Kaiser, bei Jagden zu Gast. Der alte Hornerwirt erzählte stolz, wie er Karl zur Morgenpirsch begleitete und der Erzherzog an einem Morgen sechs Rehböcke erlegte. Als der junge Kaiser 1917 die Dolomitenfront inspizierte, erkannte er unter den Soldaten den Hornerwirt aus Reichenau und erinnerte sich in einem freundschaftlichen Gespräch mit ihm an den damaligen Jagderfolg.
Die Jagd war ja eine Passion der Habsburger, von denen Franz Ferdinand, einer der besten Schützen der Monarchie, einer der schießwütigsten war. In Franz Ferdinands Schloss Konopischt bei Prag befinden sich etliche zehntausend Jagdtrophäen (Geweihe, ausgestopfte Tiere usw.) des Thronfolgers. Unter ihnen befinden sich – mit Beschriftung und Jahreszahlen versehen – auch viele aus den Revieren um Reichenau .In Konopischt trink t man heute noch das Wasser aus jenen Quellen, die einst der weitum bekannte Rutengänger „Simmerl in Gänsbach“ entdeckt hatte.
Auch den Söhnen des Thronfolgerpaares, Max und Ernst, war keine gute Zukunft bestimmt. 1938 wurden sie von den Nazis ins KZ Dachau eingeliefert und schwer muißhandelt Max starb mit 60,. Ernst mit 50 Jahren. Ihre Schwester Sophie wurde 89 Jahre alt und starb 1990.

Das Gasthaus Horner in Reichenau ist heute an den Betreiber einer Pizzeria verpachtet. | Foto: Mayrhofer/Archiv
Franz Ferdinand  mit seiner Familie  um 1908 | Foto: Mayrhofer/Archiv
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