So vergingen in alljährlicher Wiederkehr die Jahreszeiten ...
Wenn das Bankerl
unter der alten weitverzweigten Linde erzählen könnte:
... von all den Menschenkindern,
die in den vergangenen Jahrzehnten auf ihm pausierten;
im lauen Frühlingswind,
an brennend, heißen Sommermonaten und stürmischen Herbsttagen.
... von all den Liebenden,
die dicht gedrängt beieinander saßen;
sie klammerten und ruckten immer dichter zusammen.
... von heißen Liebesschwüren.
von flüsternden Lauten und leidenschaftlichen Begierden.
... von ewiger Treue schwörend und schmeichelnden Worten.
Die den Weg zum Herzen teils auch fanden,
weil sie gar so glaubhaft klangen;
aber bald schon an Bedeutung verloren.
... von Glücksmomenten und Resignationen;
manch einer dann seine Initialen,
in seine heute teils verwitterten Brettern einritzten.
Die Wunden bis heute sichtbar sind;
fraglich, ob das Liebespaar noch zusammen ist.
... von müden Wanderern,
die hier verweilten und eine Rast einlegten;
und grübelnd den Gedanken nachhängen.
... von alten, gebrechlichen Leuten, die hier verschnauften,
um wieder zu Kräften zu kommen.
Manch einer in trüben Gedanken versunken,
sein Umfeld nicht mehr wahrnahm,
wobei ein zaghaftes, verlorenes Lächeln die Mundwinkeln umspielten.
So lang ist's her - das Damals,
aber immer noch lebendig in ihnen schlummert
und ein tiefer, unterdrückter Seufzer sich mancher gequälter Brust entrang.
Auch Tränen langsam ihren Weg sich suchten,
wenn der Schmerz wieder alte Wunden aufriss,
als harte Worte fielen:
wir können, wir dürfen uns nicht wiedersehen,
leb wohl mein Herz!
Verschwiegen ist die alte Linde, aber manches Mal wippt
und rauscht sie mit ihren Zweigen,
denn alles kann auch sie nicht gut heißen.
So vergingen in alljährlicher Wiederkehr die Jahreszeiten!
Die Zeit vergeht - verstreicht - verrinnt;
sie lässt sich nicht halten, nicht vernageln:
unablässig im natürlichem Kreislauf des Lebens.
Alles an Lebendigkeit und Regsamkeit - vergänglich ist;
kein Leben wird die Zeit anhalten können.
Tagein, Tagaus vollendet die Sonne ihren Lauf,
bevor der Tag sich wieder zu Ende neigt.
Hildegard Stauder
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