Ich ließ meinen Engel lange nicht los...
Ich ließ meinen Engel lange nicht los
und er verarmte mir in den Armen -
und wurde klein, und ich wurde groß...
und auf einmal war ich das Erbarmen
und er eine zitternde Bitte bloß.
Da hab ich ihm seine Himmel gegeben
und er ließ mir das Nahe -
daraus er entschwand...
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben...
und wir haben langsam einander erkannt.
Seid mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten -
denn er muss meine einsame Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten...
Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
hat mein Engel keine Pflicht mehr.
Oft senkt er sehnend sein Gesicht her ...
er möchte wieder aus armen Tagen
über der Wälder rauschendem Regen
meine blassen Gebete tragen -
in die Heimat der Cherubim....
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
nicht vollständiger Text
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