Leserbriefe zum Thema Bettler

Was stört wirklich?

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Mensch, der am Boden kniet und bettelt, so stören kann. Was ist daran bedrohlich oder gar geschäftsschädigend? Ist es das Hinschauen auf die Armut, die uns Angst macht? Es bleibt mir überlassen, wie ich solchen Menschen begegne: ob ich grüße, freundlich lächle, Geld gebe, vorbeigehe oder wegschaue. Ich möchte es nicht ausprobieren, einen ganzen Tag in der Kälte stehen oder knien zu müssen, um zu betteln. Man kann nur dort betteln, wo Menschen sind, und dazu gehört nun mal auch der Vöcklabrucker Stadtplatz.
Dorli Breitwieser, Ungenach

Zweierlei Maß

Seit ungefähr 15 Jahren bin ich regelmäßig in Vöcklabruck am Stadtplatz. Noch nie wurde ich durch einen Bettler gestört. Mit Erstaunen lese ich Meinungen über die bettelnden Menschen. Sie werden zum "Problem" gemacht und man kann interpretieren, dass sie als geschäftsschädigend hingestellt werden. In der Vergangenheit wurden gewisse Regeln mit den Betroffenen vereinbart und das ist auch gut so. Vielmehr kümmern mich aber von mancher Seite eingebrachte Ideen, nachdem der Stadtplatz wie eine Hochglanzseite einer Werbebroschüre auszusehen hat. Alles, was das Auge stört, muss noch "wegretouschiert" werden. Woher kommt die Angst vor friedlich bettelnden Menschen? Sie werden als Projektionsfläche gebraucht und dies bringt manche in Gefahr, sie als "Feindbilder" zu betrachten. In unserem Kulturkreis ist es auch Tradition, dass Vereine von Haus zu Haus gehen um eine "Spende" zu erbitten. Es wird hier mit zweierlei Maß gemessen und gedacht. Das Leid anderer zu betrachten und auszuhalten, ohne selbst aggressiv zu werden – das wär’ ein schönes Ziel.
Mario Karall, Aurach/Hongar

Schicksal berührt

"Die" Bettler, namenlose Männer, die offensichtlich manche Vöcklabrucker alleine durch ihre Anwesenheit so stören, dass man sie vom Stadtplatz verbannen will. "Die" Bettler, slowakische Väter, Großväter, Söhne, Enkel – mit ihren Familien in reparaturbedürftigen kleinen Häusern, jeder von ihnen mit seiner eigenen berührenden Geschichte. Sie gehören keiner kriminellen Organisation an, klopfen nicht an Haustüren, sind nicht aggressiv und halten sich mit wenigen Ausnahmen an alle vorgegebenen Regeln beim Betteln. Sie erzählen vom kranken Kind, von der Freude über eine Geburt, von der zu hohen Stromrechnung, vom Frieren bei eisigen Temperaturen, vom Tod des alten Papas (57 Jahre jung), der alten Mama (64 Jahre jung), vom Exekutor, von Zahnweh und fehlenden Schuhen, ... Aus namenlosen fremden "Bettlern" werden Freunde, deren Schicksal den berührt, der sich für sie interessiert, der sein Herz – und wohl auch ein stückweit seine Geldbörse – für sie öffnet. "Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, ...."
Veronika Jungwirth, Vöcklabruck

Kurzsichtigkeit

Mit großer Besorgnis verfolge ich in letzter Zeit die Diskussionen über ein sektorales Bettelverbot in Vöcklabruck. Betteln am Stadtplatz zu verbieten zeigt von Kurzsichtigkeit und ist eine rein populistische Maßnahme, welche das Problem der Armut nicht löst, sondern einfach aussperrt. Unser Stadtplatz ist keine künstliche Welt wie ein Einkaufszentrum, sondern man begegnet hier dem realen Leben. Auch ist es bei weitem nicht so, dass, wie immer kommuniziert wird, alle Gewerbetreibenden in Vöcklabruck für ein Bettelverbot sind. Wenn die Frau Stadtmanagerin meint, sie kennt keine Kaufleute, die nicht gegen das Betteln sind, geht ganz klar daraus hervor, dass sie die Kaufleute nicht kennt. Bettler für die Probleme in der Innenstadt (mit)verantwortlich zu machen, ist eine zu einfache Lösung und zeigt von der Ideen- und Perspektivenlosigkeit, mit welcher die Vöcklabrucker Wirtschaftspolitik agiert.
Gerald Streicher, Gewerbetreibender in Vöcklabruck

Ja zu Kompromiss

Geht es um „eine nicht tragbare Belastung“ in Zusammenhang mit Bettlern, kommt mir vorrangig die Belastung jener Menschen in den Sinn, die sich Tag für Tag, bei jeder Witterung, der Erniedrigung aussetzen, um Geld zu betteln. Ja, das ist die traurige Realität, … Armut existiert vor unseren Haustüren. Da in den Herkunftsregionen der Bettler eine Arbeitslosenrate von beinahe 100 % vorherrschend ist und die Sozialleistungen nicht ausreichen, sind die Bettler gezwungen, anderweitig Geld zu beschaffen. Wie sollten sonst lebensnotwendige Dinge, Medikamente, Bildung etc. bezahlt werden?
Jeder hat das Recht, selbst darüber zu entscheiden, eine Spende abzugeben oder eben nicht. Es erscheint mir eine sehr bequeme Problemverlagerung zu sein, ein sektorales Bettelverbot einzuführen. Tatsache ist, dass es diese „untragbare Belastung“ = die Armut unserer Nachbarn nicht mindern wird. Kein vernünftiger Mensch würde Wasserschäden verbieten lassen, nur weil das Dach ein Loch hat, sondern würde zuallererst das Dach reparieren. Für das Betteln gibt es einen triftigen Grund, der mit Hilfe von Menschlichkeit nachvollzogen und verstanden werden kann. Sollte diese wertvolle Eigenschaft zu spärlich ausgeprägt sein, könnte man überlegen, bettelnde Menschen und deren Umstände besser kennen zu lernen. Die Nebenwirkungen sind horizonterweiternd und führen zu einem solidarischen Miteinander.
Ich begrüße den Kompromiss, der Regelungen für Bettler vorgibt (5 m Abstand zu Bankomaten, freiwillige Begrenzung auf 5 Bettler, Regelungen für Musiker …) und welcher dem Grundsatz „leben und leben lassen“ gerecht wird.
Manuela Rauchenbichler, Desselbrunn

Nicht vermischen

Die Aussage von Frau Sturm, sie kenne keinen, der nicht gegen das Betteln ist, stimmt so sicher nicht. Nach Informationen von Kaufleuten am Stadtplatz haben zwei Drittel keine Probleme damit. Stille Bettler sind etwas völlig anderes als aufdringliche Zeitungsverkäufer oder durchziehende Banden. Hier wird etwas vermischt. Am Stadtplatz gibt es sicherlich andere Probleme. Herr Habenschuß macht es sich zu einfach, ein sektorales Bettelverbot auszusprechen. Das kann nicht die Lösung sein und führt nur zur Verlagerung auf andere Straßen. Ich appelliere an mehr Menschlichkeit und soziale Wärme. Wir können froh sein, dass es uns in unserem Heimatland so gut geht.
Cornelia Horvath, Vöcklabruck

Menschenrecht

Ich finde es schön, dass es so viele Menschen gibt, die nicht wegschauen, wenn irgendwo Not herrscht. Insgesamt 625 Millionen Euro wurden 2016 von den Österreichern gespendet. Umso mehr verwundert es mich, dass man die Not direkt vor der Tür nicht aushält und weghaben möchte. Motto: Was ich nicht sehe, gibt es nicht. Stilles Betteln gehört zu den Menschenrechten, dieses Recht wird aber von manchen Politikern mit Füßen getreten!
Christine Schilcher, Vöcklabruck

Akzeptieren

Die jetzige Regelung mit fünf Bettlern am Stadtplatz sollte jeder akzeptieren! Denken die Verantwortlichen wirklich, wenn keine Bettler da wären, kämen mehr Kunden? Da gäbe es mehr Belebung in der Innenstadt? Die Gründe dafür liegen mit Sicherheit woanders. Es ist traurig genug, wenn die einzige Möglichkeit eines Menschen ist, sich sieben oder acht Stunden täglich bei jeder Witterung hinzuknien, um die Familie versorgen zu können.
Pauline Steizinger, Vöcklabruck

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