Psychische Langzeitfolgen
Auswirkungen der Krise bei Kindern und Jugendlichen
Das Department für Psychosomatik für Kinder und Jugendliche am Klinikum Wels‐Grieskirchen bemerkt eine klare Entwicklung: Junge Patienten haben oftmals starke Schwierigkeiten, Emotionen zu regulieren und versuchen, ihre innere Spannungsgefühle unter anderem über selbstverletzendes Verhalten abzuleiten.
WELS. „Wir erleben Jugendliche, die unter der Lockdown‐Situation massiv leiden – eine Vielzahl an Ängsten hat sie wortwörtlich im Griff“, so der Department‐ Leiter Adrian Kamper. Drei große Gruppen kristallisieren sich heraus. „Jene, denen die Tag‐Nacht‐Strukturierung abhandenkommt – im Versuch, über Social Media Halt zu finden, gleiten sie in eine Always‐on‐Welt ab. Wir vermerken Perspektivenverlust, Erschöpfungsgefühle, depressive Symptome, Lebensüberdruss sowie verstärkt wahrgenommene körperliche Schmerzen.“
Lockdown drückt auf die Psyche
Bei jungen adipösen Menschen werden die Folgen emotionaler Regulierungsversuche mittels verstärkter Nahrungszufuhr inklusive Kontrollverlust (Binge Eating) beobachtet. Rasche Gewichtszunahmen von zehn und sogar zwanzig Kilogramm sind möglich. „Es mehren sich aber auch die Kontaktaufnahmen durch Eltern von Kindern mit vorbestehenden psychischen Grunderkrankungen, wie Störungen aus dem Autismus‐Spektrum, sowie mit mentalen Handicaps in Verbindung mit Problemen der emotionalen Regulation und des Sozialverhaltens. Konkret geht es dabei zumeist um steigende Aggression und ihre Folgen, kombiniert mit Überlastung betreuender Familienmitglieder", erklärt Kamper.
Bei allen Gruppen wirkt sich aber die starke Reduktion der außerhäuslichen Versorgungsangebote – welche Struktur geben, unterstützen, entlasten und Sozialkontakte ermöglichen – stark aus.
Darauf sollten Eltern achten
Der Kinder‐ und Jugendexperte rät: „Lassen Sie sich beraten und nehmen Sie professionelle Unterstützungsangebote an, wenn Ihr Kind bisher so nicht gewohnte Verhaltensweisen und Emotionen zeigt oder auch dementsprechende Äußerungen erfolgen – sei dies nun lautstarker Protest oder ein Verstummen!“ Auch empfiehlt er, achtsam zu sein, ob sich das Kind zurückzieht, sich am Morgen nicht mehr ankleiden oder lieber überhaupt im Bett bleiben will. „Ebenso müssen wir das Aufgeben von Alltagsritualen, Interessens‐ sowie Appetitverlust hinterfragen! Und es ist wichtig, dass sich Kinder ernst genommen fühlen, wenn sie körperliche Beschwerden schildern!“ Deutliche Warnsignale von Seiten der Kinder sind das Ablehnen von Kommunikation, ein ungewohnt gereiztes, aggressives Verhalten ebenso wie zunehmende Ängste und zwanghaftes Verhalten, Zeichen von Verzweiflung sowie der Griff zum Alkohol bei Jugendlichen. Äußerungen bezüglich Lebensüberdruss sind immer ernst zu nehmen.
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