Freiheitsrechte
Streit um Rechtmäßigkeit der Corona-Maßnahmen hält an
Bei einem Streitgespräch zwischen den Juristen und Ex-Parlamentariern Andreas Khol und Alfred Noll ging es am Freitagabend um die Verfassungsmäßigkeit der Corona-Maßnahmen der Regierung.
ÖSTERREICH. Die Diskussion um die Rechtssicherheit rund um die Regierungsmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus war am Freitag weiter Thema in der ZiB-2: Auf die Frage, ob das Prozedere beim Verfassungsgerichtshof zu lang sei, meinte Ex-ÖVP Clubobmann Kohl, er halte es mit Ex-Justizminister Clemens Jabloner, der die Forderung zurückgewiesen hatte, dass es beim Gerichtshof Eilverfahren geben müsse: "Unser Rechtsschutzsystem hat allemal ausgereicht. Wir können in diesem Land weder von Willkür, noch von Polizeistaat noch von Grundrechtseinschränkungen, die politischen Zwecken dienen, reden. Es geht um die Gesundheit der Bevölkerung." Diese befolge die Maßnahmen. Der Erfolg gebe der Regierung Recht. Wenn es Zweifel gebe, solle Gesundheitsminister Anschober, der die 60 Anordnungen unterschrieben hat, vor der eigenen Türe kehren, so Kohl. Die Gesetze seien alle im Parlament beschlossen worden, entgegnete ihm ZiB 2-Moderator Tobias Pötzelsberger.
Noll: "Phantasielose Ebbe"
Ex-Liste Pilz (später Liste Jetzt)-Parlamentarier Noll sieht die Lage völlig anders: Der Umstand, dass über etwas einstimmig abgestimmt worden sei, hieße nicht, dass es auch verfassungsmäßig korrekt sei. "Österreich hat anders als andere Länder ein Bundesverfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, das in fast allen Belangen sehr viel schärfer ist als die Menschnrechtskonvention. Und an diese muss sich der österreichische Gesetzgeber halten. Wir haben traditionell ein ganz schwaches Parlament und ein geringes Freiheitsverständnis." Und Noll weiter: "Die Krise zeigt uns das, was in der Latenz schon da war. Und Österreich neigt in der Krise zu einer übertriebenen 'Verordnetheit' von Politik, also Politik durch Dekret." Österreich müsse weg von dieser bloßen "Verordnetheit" hin zu einer Diskussion über die Grundrechte. Was ihn ärgere, sei die "Müßigkeit, Uninteressiertheit des österreichischen Nationalrats". Man könnte, wie in anderen Ländern auch, den Grundrechtsdiskurs vorantreiben. "Hier ist phantasielose Ebbe. Der Nationalrat hätte einen Krisenausschuss einsetzen müssen, der genau unter die Lupe nimmt, was der Nationalrat täglich macht. Er bezeichnete die Abgeordneten im Nationalrat als eine "verlängerte Werkbank der Regierung". Das sei insbesondere für die Grünen mehr als "blamabel".
Kohl: "Es hat gebrannt in Österreich"
Kohl wies die Anschuldigungen Nolls gegen den Nationalrat zurück. Er sprach von einer "Verächtlichmachung der Tätigkeit des Nationalrats". Dieser hätte seine Aufgaben "ausgezeichnet erfüllt, pausenlos beraten", man habe das Einvernehmen gesucht, es hätten sich "alle Parteien gemeinsam an die Werkbank" gesetzt. "Es hat gebrannt in Österreich und die Gesundheit des Landes war in Gefahr. Es ist auf jede Stunde angekommen. Die Regierung musste entscheiden, das Parlament hat mitgewirkt, der Bundespräsident hat mitgewirkt und es ist alles unter phantasievoller Einbindung des Nationalrats geschehen". Kohl bedanke sich als Staatsbürger, dass die Regierung in diesen drei Tagen "das Steuer in die Hand genommen" und Österreich in einen "sicheren Hafen geführt" habe.
Sollen Polizisten bei der Suche nach Infizierten helfen?
Auf die Frage, ob Polizisten bei der Suche nach Infizierten helfen sollen, wie der Innenminister es am Freitag vorgeschlagen hatte, sagte Kohl: "Die Österreicher haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zur Polizei." Diese werde als "Freund und Helfer" gesehen und nicht als "metternichsches Zwangsorgan". Aber die Verwaltung könne das nicht entscheiden, sondern das Parlament müsse das tun. Die Österreicher würden das sicher akzeptieren. Was die Corona-App betrifft, müsste es eine gesamteuropäische Lösung geben. Es würde erst Sinn machen, wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung daran beteiligen. "Die Menschen wollen sicher sein", so Kohl. Er ist der Meinung, dass die Menschen, die die Masken auch ohne Zwang tragen würden, mehr davon bräuchten. Und er zeigte den Zusehern seine mitgebrachte, von den "Goldhauben" genähte, rosafarbene Gesichtsmaske.
Noll ist auch hier auch anderer Meinung: Er halte Polizisten als geeignet, aufklärend zu wirken. Aber bei Verordnungen sei die gesetzliche Eingriffsmöglichkeit für Polizisten ohne Not in einem nicht nachvollziehbaren Ausmaß erhöht worden. Wenn Polizisten jemanden bestrafen, weil er auf der Parkbank sitzt, sei das "polizeiliche Willkür" und "Dummheit". Davon sei die Exekutive nicht gänzlich frei. Aufklärend sei die Polizei aber gut einsetzbar. Zur Corona-App sei er negativ eingestellt: Wenn mann diese freiwillig nütze, sei dies in Ordnung, solange der Anschein entstehe, dass es keine Konsequenzen gebe. Datenschutzrechtlich sieht er die App allerdings als hoch problematisch.
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