Wiederkehr zu Schulen
„Planlosigkeit der Bundesregierung verunsichert alle Betroffenen“

- Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) kann nicht nachvollziehen, warum Schulen trotz Teststrategie nicht öffnen werden.
- Foto: Markus Spitzauer
- hochgeladen von Nicole Gretz-Blanckenstein
Sperren die Schulen auf oder bleiben sie bis nach den Semesterferien geschlossen? Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) über die fehlende Kommunikation auf Augenhöhe, Bildungsdefizite und die Planlosigkeit der Regierung.
WIEN. Seit Dienstag berichten einige Medien, dass die Schulen nicht wie geplant am 18. Jänner aufsperren werden. Man will aus Regierungskreisen wissen, dass die Schulen bis nach den Semesterferien im Distance Learning bleiben. Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) zeigt sich ob des Hin und Her enttäuscht.
Ihr Wunsch, dass die Schulen mit 11. Jänner starten, wurde nicht erfüllt. Nach neuesten Informationen werden die Schulen vielleicht sogar bis nach den Semesterferien im Distance Learning bleiben. Was ist da dran und was halten Sie davon?
CHRISTOPH WIEDERKEHR: Es sieht nach aktuellem Stand sehr danach aus, dass die Schulen erst nach den Semesterferien mit dem Präsenzunterricht beginnen können. Ich habe selbst aus den Medien davon erfahren. Ich habe volles Mitgefühl mit den Schulstandorten, den Eltern und den Kindern, die immer vor vollendete Tatsachen gestellt werden und keine Planungssicherheit haben.
Wie viel Mitspracherecht hat man als Wiener Bildungsstadtrat bei so einer Entscheidung?
Ich spreche mich mit den anderen Landesräten und dem Minister ab, aber die Entscheidungen fallen da in einem sehr kleinen und engen Zirkel und ohne Einbeziehung von echten Experten oder der Landesebene. Das finde ich sehr bedauerlich. Was es in einer Krise braucht, ist Klarheit und Verlässlichkeit. Aber die Planlosigkeit der Bundesregierung verunsichert alle Betroffenen. Erst hieß es, am 11. Jänner machen die Schulen auf, dann doch am 18. Jänner und jetzt anscheinend erst nach den Semesterferien. Und das wird alles über Gerüchte lanciert. Ich erwarte mir hier eine Kommunikation auf Augenhöhe, weil es hier für die Betroffenen um wirklich viel geht.
Das Ende der Semesterferien ist ein dehnbarer Begriff, da diese in Österreich gestaffelt stattfinden. Bedeutet das, dass alle erst am 21. Februar mit dem Unterricht vor Ort wieder starten?
Das ist noch offen, da warte ich ebenso auf Informationen. Was ich mir gut vorstellen kann, ist dass die Öffnungen der Schulen regional unterschiedlich – je nach Infektionslage – stattfinden. Ja, es gibt Infektionsgeschehen an Schulen. Das ist ernst zu nehmen, vor allem auch wegen der Virusmutation. Darum braucht es einerseits ein stabiles Infektionsgeschehen, um Schulen öffnen zu können und eine entsprechende Teststrategie. Schüler und Lehrer müssen regelmäßig getestet werden. Das wird jetzt ermöglicht und trotzdem müssen die Schulen bis nach den Semesterferien geschlossen halten – das kann ich nicht nachvollziehen.
Eine aktuelle Studie von Bildungspsychologin Christiane Spiel schlägt Alarm: Viele Schülerinnen und Schüler hätten die Lernfreude verloren, seien verzweifelt und machen sich ernsthafte Sorgen um ihre Zukunft. Wie reagiert man als Bildungsstadtrat auf diese Erkenntnis?
Sehr besorgt, weil ich genau diese Entwicklung auch wahrnehme. Wir haben nicht nur mit verlorenen Bildungschancen zu kämpfen, sondern auch mit den psychischen Begleiterscheinungen: Kinder und Jugendliche, die Freunde nicht treffen können, die den Austausch an der Schule vermissen, die depressiv oder stark übergewichtig werden. Da gibt es ganz massive Folgeerscheinungen, die zu wenig gesehen werden. Ich beschäftige mich gerade sehr intensiv mit dieser Thematik, um auch wirklich jetzt schon zu überlegen, wie wir mit Herbst wieder eine Aufholjagd starten können, sowohl auf pädagogischer Ebene als auch bei Themen wie psychischer Gesundheit, Ernährungsgewohnheiten und Bewegung. Um hier auch zu einem gesunden Leben nach der Pandemie beizutragen, die solch schwerwiegende Auswirkungen hat.
Wären kürzere Sommerferien eine Option, um das Bildungsdefizit aufzuholen?
Ich halte nichts davon, jetzt – als vermutlich so aufgefasste Coronastrafe – die Sommerferien massiv zu verkürzen. Hier finde ich einen anderen Ansatz besser: nämlich Angebote zu schaffen, die Kinder und Jugendliche wirklich auch brauchen. Verschränkte Angebote, die Bewegung, Freizeit und Lernangebote umfassen. Genau solche Kurse werden wir im Sommer in Wien verstärkt anbieten, um eben zu einem schönen Lernerlebnis beizutragen, wo man nicht nur in die Schule geht, sondern auch Bewegung hat und mit anderen Kindern spielen kann.

- Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) hält nichts davon, die Sommerferien zu verkürzen.
- Foto: Markus Spitzauer
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Wird das im Sommer tatsächlich möglich sein?
Ich hoffe es. Ich hoffe sehr, dass die Impfung rasch ausgerollt wird. Wir haben in Wien den Impfplan der nächsten Wochen vorgestellt, wo auch pädagogisches Personal in Kindergärten und an Schulen als kritische Infrastruktur sehr früh drankommt. Das halte ich für wichtig, damit möglichst schnell ein normaler Präsenzunterricht möglich ist. Ich bin zuversichtlich, dass es im Sommer so weit sein wird, allerdings ist die Pandemie schon sehr langwierig und auch so, dass sie schwer vorherzusehen ist.
Zauberwort „Digitalisierung“: Wer hat Ihrer Meinung nach den höheren Aufholbedarf – Schülerinnen und Schüler oder Lehrerinnen und Lehrer?
Ich glaube, man muss das gesamte System voranbringen. Das System Schule wurde durch die Krise damit konfrontiert, dass im Bereich der Digitalisierung vieles liegen gelassen wurde. Doch im ersten Lockdown gab es eine immense Steigerung von EDV-Kenntnissen von Lehrerinnen und Lehrern, aber auch Schülerinnen und Schülern. Da darf man nicht nachlassen, sondern muss das noch ausbauen. Denn digitale Kompetenz ist eine Grundkompetenz für den Arbeitsmarkt der Zukunft. Und da braucht es einen noch stärkeren Fokus. Wir bauen die Infrastruktur aus: Bis nächstes Jahr sollen alle Schulen flächendeckend auch mit WLAN ausgestattet sein. Um mit dieser Infrastruktur den Unterricht schrittweise digitaler stattfinden lassen zu können und digitale Kompetenz fördern zu können.
Das Niveau des Onlineunterrichts sehr unterschiedlich, von innovativ und abwechslungsreich bis hin zu starrem Frontalunterricht. Welche Möglichkeiten werden Lehrerinnen und Lehrern geboten, sich digital weiterzubilden?
Es stimmt, dass das sehr, sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Es macht keinen Sinn, zehn Stunden am Tag in Onlinemeetings zu sein. Die Aufmerksamkeit dabei ist wesentlich geringer als bei einer Begegnung im realen Leben im Schulraum. Deswegen muss man hier auch den digitalen Unterricht anders aufbauen. Es gibt hier Fortbildungsmöglichkeiten, die werden auch ausgebaut und dafür setze ich mich stark ein.
Die Aktion „Fliegende Lerncafés“, bei der im Dezember Oberstufenschülerinnen und -schüler sowie Studierende den Raum mehrerer Kaffeehäuser in Wien zum Lernen nutzen konnten, war ein voller Erfolg. Wie geht es da weiter?
Mehr als 1.000 Anmeldungen – die „Fliegenden Lerncafés“ waren wirklich ein voller Erfolg. Das ist leider jetzt nicht mehr möglich, weil sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert haben. Es gibt jetzt wieder ein Betretungsverbot in der Gastronomie. Und darum können wir diese Lerncafés leider derweil nicht fortsetzen.


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