„Ein Ort, an dem viel kommuniziert wurde“

Heute nutzt Adolf „Bernie“ Bogensberger den Platz im Geschäftslokal für seine zahlreichen Emailschilder. Foto: Leitner
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MURAU. Schon gewusst, dass man früher die Kaufleute als „Ladlschupfer“ bezeichnete? Ein „Ladlschupfer“, ja, das war auch Adolf „Bernie“ Bogensberger. Von 1978 bis 1991 stand er hinter der „Budl“ im Kaufhaus Sager am Murauer Rindermarkt. Danach schupfte er gemeinsam mit seiner Gattin und Anton Sager die Laden. „Für mich alleine war es einfach zu viel. Ich leite seit 1991 die Murauer ÖVP und man kann nicht alles machen“, erzählt Bogensberger.

Nach dem Kirchgang ins Geschäft

2007 folgte der Entschluss, das Geschäft zu verpachten – bis zum 1. April 2016. Da wurde die letzte Ware über die Theke gereicht und die Türen des Kaufhauses Sager dauerhaft geschlossen – zum ersten Mal seit 1865. Adolf Bogensberger weiß, dass das Kaufhaus jeden Tag geöffnet war, auch sonntags. „Die Leute kamen nach dem Kirchgang ins Geschäft, um einzukaufen. Unvorstellbar für die heutige Zeit.“ Damals ganz normal, genauso wie die Tatsache, dass Waschpulver noch in Dekagramm gekauft und Olivenöl aus einem großen Tank gezapft wurden. Reges Treiben herrschte regelmäßig beim großen Rindermarkt, aufgrund dessen der Platz in Murau noch heute diesen Namen trägt.

Jause und gute Gespräche

Was den ÖVP-Bezirksgeschäftsführer zur Schließung seines Geschäfts bewogen hat? Die Sache mit der Registrierkassa. Für den Greißlerladen wäre der Aufwand zu groß gewesen – auch wenn bis zum letzten Tag Stammkunden das Kaufhaus Sager besucht haben. Bogensberger erinnert sich an früher, als zahlreiche Besucher ein und aus gingen, viele bekannte Gesichter, zum Beispiel Landesräte oder Radiomoderator Herwig Wurzer, der ein gern gesehener Stammgast war. „Man ist ins Geschäft gekommen, an der Theke gestanden und hat geplaudert. Es war ein Ort, in dem viel kommuniziert wurde.“ Manch einer kaufte sich in der Pause eine Wurstsemmel, ein Bier und zog sich in den „Blauen Salon“ zurück – ein kleiner Nebenraum mit ein paar Sitzmöglichkeiten. „Bürgermeister, Lehrer oder ‚Schepfer‘, alle schauten ab und zu vorbei. Der ‚Blaue Salon‘ war einfach eine unkomplizierte Möglichkeit, sich zu unterhalten.“ Zur Namensgebung gibt es keine große Geschichte. Ein Gast habe diese Idee geboren. Bogensberger: „Er hat immer gesagt: Ich geh‘ rüber in den ‚Blauen Salon‘. Und der Name ist geblieben.“

Wohlverdienter Ruhestand

Heute besucht keiner mehr den „Blauen Salon“, es werden auch kein Waschpulver und kein Olivenöl mehr verkauft. Doch leer steht das Gebäude trotzdem nicht: Bernie Bogensberger ist ein leidenschaftlicher Sammler von Emailschildern aller Art – bunte Reklametafeln, die ihren Betrachter an frühere Zeiten erinnern. Begonnen hat die Sammelleidenschaft vor einigen Jahren, als er ein paar Schilder im Geschäft gefunden hat. Heute kann er etwa 350 Stück sein Eigen nennen. Einen Großteil davon hat er im ehemaligen Verkaufsraum aufgehängt, als Dekoration fungieren alte Waagen, Messbecher und viele weitere Raritäten, die ein Kaufmann früher für seine Tätigkeit benötigt hat. Die Etablierung eines Emailschilder-Museums möchte er damit aber nicht bezwecken. „Das wollte ich einfach für mich machen“, verrät Bogensberger.

Jede Zeit hat ihr Ende

Sehr wehmütig über seine Entscheidung, das Kaufhaus Sager zu schließen, ist er nicht. „Es ist ein Entschluss, zu dem man stehen muss. Jede Zeit hat nunmal ihr Ende.“ Und nach so vielen Jahren mit geöffneten Türen hat sich auch das Kaufhaus Sager den Ruhestand verdient.

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