Das Zentrum: Ort von Kraft und Ruhe

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Am Weg zu diesem Interview, einem Freitag, habe ich ein Einkaufszentrum passiert. Dort war kein Parkplatz mehr frei. Haben unsere Innenstädte überhaupt noch eine Chance, wirtschaftlich zu überleben?
Harald Frey: Zwischen Innenstadt und EKZ an der Peripherie herrscht extreme Ungleichheit der Chancen. Hauptursache ist der Gratisparkplatz vor dem EKZ. Die Gemeinden sollten Abgaben dafür bekommen, 1 Euro pro Stunde pro Parkplatz. Denn viele Voraussetzungen, dass ein EKZ erreichbar ist - wie Straßen, Zufahrten, Kreisverkehre, Beleuchtung - wurden auf Kosten der Allgemeinheit errichtet. Das Geld sollte teilweise zurück in die Stadtkassa fließen und zweckgebunden für die Entwicklung der Citys verwendet werden.

Am Land hat aber jeder Haushalt heute schon zwei Autos. Fast alle finden Einkaufen im EKZ bequem, man muss nur einmal pro Woche hin, füllt den Kofferraum voll, hat einen Parkplatz und großes Angebot. Viele Citys bieten nicht mal das Notwendigste. Wie könnte man ein Umdenken herbeiführen?
Was unbedingt nötig wäre: Eine räumliche Trennung von Parken und Einkaufen, Parken und Wohnen, Parken und Arbeiten. Und zwar mit einer Distanz von 500 Meter. Das würde bei entsprechendem Angebot den öffentlichen Verkehr wieder interessanter machen, und damit den Verzicht aufs Auto erleichtern. Wenn ich per Gesetz bei jeder neuen Wohnung eine Tiefgarage errichten muss, fördere ich die Abhängigkeit vom Auto. Hamburg und Berlin haben die Ein-Stellplatz-pro-Wohnung-Regelung wieder aufgehoben.

Höre ich da Kritik an der heimischen Raumordnung, Bauordnung heraus?
Definitiv. Wenn ich den Südraum von Wien betrachte, hat die Raumordnung vollkommen versagt. Warum? Die Raumordnung liegt derzeit in den Händen der Bürgermeister, es fehlen übergeordnete Ziele, Gesetze, Richtlinien.

Was ist wichtiger zur Belebung der Innenstädte: schnell die passenden Geschäfte zu finden oder erst einmal ein angenehmes Umfeld zu schaffen. Sprich: Autos, raus aus der City!
Die Brieftasche geht zu Fuß - übrigens auch im Shopping Center. Gekauft wird nur dort, wo die Geschwindigkeit auf Null reduziert wird. Ich bringe oft dieses Beispiel: Ein Parkplatz ist gleich ein Auto ist gleich maximal vier Personen. Auf einen Parkplatz passen aber 10 Fußgänger. Das heißt: Vorrang für Fußgänger und Radfahrer. Denn ganz generell - das zeigen unsere Befragungen von Geschäftsleuten und Bevölkerung - wird das Auto in seiner Bedeutung um ein Drittel überschätzt. Ein Beispiel: Ein Autofahrer, der nicht vorm Geschäft parken kann, matschkert sofort, den merkt man sich. Fußgänger und Radfahrer sind flexibler. Und darüber hinaus kennt jeder von uns die Lenkradperspektive, viele denken nicht mehr darüber hinaus. Es gilt, diese Angsthürden zu überwinden, dass wir nicht das Gefühl haben, uns wird etwas weggenommen, wenn wir mit dem Auto nicht hinkommen. Denn das Gegenteil wäre der Fall: uns würde etwas geschenkt: Lebensqualität - weniger Stress, gute Luft, Nahversorgung.

Nun gibt es aber in Baden eine Fußgängerzone, die manche lieber wieder kleiner sehen würden. Teile der Fuzo funktionieren offenbar nicht, weil möglicherweise die Fußwege zu lang sind. Was sagen Sie dazu?
Ich kenne Baden ganz gut. Durch welche Untersuchung wird die These, dass es zu lange Fußwege gibt, gestützt? Ich wäre eher für eine bessere Anbindung des öffentlichen Verkehrs - Bahnhof, Josefsplatz - an die Fuzo. Also einen attraktiven Fußweg vom Bahnhof in die Wassergasse. Und die Ausweitung der Fuzo über die Breyerstraße zum Josefsplatz. Wichtig ist, dass jemand, der mit öffentlichem Verkehr ankommt, gleich in die Stadt gezogen wird, dass es da keine Brüche gibt.

In Bad Vöslau gibt es keine Parkgebühren, also den Gratisparkplatz in der City. Dennoch will das Geschäft in der Innenstadt nicht so recht florieren...
Parkgebühren in der City halte ich gar nicht für eine vordringliche Diskussion. Als erste Maßnahme wäre es dringend nötig, eine Ordnung in das Chaos der Stellplätze zu bringen. Die aktuelle Auslastung analysieren, neue Parkpunkte definieren, Flächen im Gegenzug autofrei machen, danach evaluieren. Zentrum hat auch mit Kraft und Ruhe zu tun. Ein Zentrum, in dem nur Auto gefahren wird, ist keines. Und einem Ort ohne Zentrum kommt, wie auch menschlichen Wesen, die Identität abhanden.

Spricht das für Umfahrungen von Ortszentren, die dann verkehrsberuhigt werden könnten - wie es zum Beispiel in Traiskirchen diskutiert wird?
Nicht unbedingt. Umfahrungen ziehen, wie die Vergangenheit zeigt, neue EKZs an, und sie zerstören neben der City, die gegen das EKZ verlieren wird, auch die Umwelt, in Österreich werden ohnehin schon täglich 20 Hektar Boden vernichtet, 2 Hektar wären der Zielwert. Wenn ich mich als Gemeinde entscheide, an meiner Umfahrung definitiv keine Betriebsansiedlung zu genehmigen, sieht die Sache fallweise vielleicht anders aus.

Sehen Sie in einem verstärkten gemeinsamen Vorgehen Chancen zur Rettung unserer Innenstädte in der Klammer von SCS und Fischapark?
Also nur ein Beispiel mit der zu Beginn erwähnten Parkplatzabgabe an die Gemeinden. Die Shoppingcity hat ein Einzugsgebiet bis zu 80, 100 Kilometer. Also müssten eigentlich alle Gemeinden in diesem Umkreis einen Teil dieser Parkplatzabgabe bekommen, um in ihre Strukturen investieren zu können. Oder ein anderes Beispiel: Will eine Gemeinde ein Einkaufszentrum an der Peripherie errichten, müssten je nach geplanter Größe die Gemeinden rundherum in diesen Entscheidungsprozess eingebunden werden. Wollen sie das oder nicht? Und dann sollte das Ortszentrum, wie vorhin erwähnt, die Charakteristik, die Identität, des jeweiligen Ortes widerspiegeln, sein Herz sein. Dazu braucht es auch Visionen.

Harald Frey ist Verkehrs- und Innenstadtexperte der TU Wien und am 12. Juni zu Gast bei der Bezirksblätter-Podiumsdiskussion über das Thema "Wie können unsere Citys überleben?" 19 Uhr, Haus der Kunst in Baden (Kaiser Franz Ring 7). Eintritt frei.
Podiumsdiskussion

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