Erdbeben:
Stimmungsbericht aus dem Moschee-Viertel von Bad Vöslau

- Im Moschee-Café sind rund um die Uhr Nachrichten aus dem Erdbebengebiet zu sehen.
- hochgeladen von Gabriela Stockmann
Ob im Gemüsegeschäft, beim Friseur oder in der Moschee: In der türkischen und syrischen Community in Bad Vöslau gibt es seit Tagen nur ein Thema: Die Erdbebenkatastrophe in der türkischen Ostregion und im angrenzenden Syrien. Sie forderte schon über 20.000 Tote. 7.000 Häuser sind eingestürzt.
BAD VÖSLAU. Hassan verkauft Gemüse in der Bahnstraße. Er hat unter den Trümmern eines zusammengestürzten Hauses in Nordsyrien einen guten Freund verloren. Zum Glück sind seine Eltern und sein Bruder wohlauf. Er ist den Tränen nahe. Seit zehn Jahren hat er seine Eltern nicht mehr gesehen, und seinen Freund wird er nie wieder sehen. Er zeigt mir ein Foto. Und dann ein Foto von einem Schutthaufen, der einmal ein Haus war.
Krisenregion Nordsyrien
Da die Grenzen zu Nordsyrien geschlossen sind, und die betroffene Region kein offizieller Staat ist, ist Hilfe dort noch kaum angekommen. Die Syrer appellieren an das Rote Kreuz, auch in diese Region, die nicht von Präsident Assad kontrolliert wird, Hilfe zu entsenden. Internationale Hilfe wird vorrangig nur an offizielle Staaten geleistet. Es werden aber - und ganz besonders - auch in dieser Region Zelte, Decken und Bekleidungen für die Kinder gebraucht. Denn auch dort ist es saukalt. In spontanen Privatinitiativen wird in Bad Vöslau für diese Region Geld gesammelt, um schnell helfen zu können, bis auch offizielle Hilfe ankommt. Berichten zufolge haben erst Tage nach dem Erdbeben erste UN-Hilfstransporte das schwer zugängliche Nordsyrien erreicht.
Hilfsaktion gestartet
Auch im Friseurladen beim Bahnhof gibt es nur ein Thema. "Wir stammen zum Glück aus einer anderen Region und haben keine Angehörigen verloren. Aber sofort wurde in Bad Vöslau eine Hilfsaktion organisiert, vor zwei Tagen ist ein Lkw Richtung Türkei losgefahren", erzählt man mir. Für die 2800 Kilometer-Strecke braucht man einige Tage.
Rund um die Uhr-Infos
Im Moschee-Café läuft ständig der Fernseher. Aus allen betroffenen Regionen werden laufend aktuelle Berichte gesendet. Über den Bildschirm flimmern Bilder der Verwüstung, den Reportern vor Ort ist das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. <div data-media-estm="34618"></div>"Ein Mitglied der Moschee ist gleich am Tag nach dem Erdbeben mit dem Auto nach Hause gefahren. Einige seiner Verwandten sind seit Tagen vermisst", erzählt Turan, den ich vor der Moschee kennenlerne. Er kam vor 51 Jahren als Gastarbeiter-Baby in den Bezirk Baden. Seine türkischen Verwandten sind selbst nicht betroffen, sie stammen aus der Region Bosporus am anderen Ende der Türkei. Für den Raum Istanbul ist schon seit Jahrzehnten ein großes Erdbeben vorausgesagt, die Angst davor wurde durch die jüngste Katastrophe geschürt, denn: "Das wäre dann eine noch größere Katastrophe," sagt Turan. "In Istanbul leben allein 25 Millionen Menschen."
Hotels als Notquartiere
Turan erzählt von der Anordnung des Präsidenten Erdogan, den Erdbebenopfern die Hotels an der Südküste der Türkei zur Verfügung zu stellen. Dort, wo viele von uns gerne Urlaub machen. Von der Hilfsbereitschaft aller Nationalitäten hierzulande - Serben, Kroaten, Österreicher, Türken und viele mehr - ist Turan begeistert. Er hält Geldspenden für die sinnvollste Art zu helfen. "Dann können die Hilfsorganisationen vor Ort genau das kaufen, was benötigt wird." Während unserem Gespräch kommt Christian Hoffmann von der Stadtfeuerwehr Vöslau bei der Moschee vorbei. Auch er will wissen, ob und wie die Feuerwehr helfen kann. Nur ein Beispiel dafür, dass die Hilfsbereitschaft in Bad Vöslau und nicht nur hier wirklich groß ist.
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