Interview mit Christine Witty anlässlich ihres Rückzugs aus der Politik
"Etwas will losgelassen werden"

Christine Witty im Gespräch mit Redakteurin Gabriela Stockmann | Foto: At the Park
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Nach 20 Jahren beendet Christine Witty, Mitbegründerin der Bürgerliste "wir badener", überraschend ihre Polit-Karriere. Ein Interview.

BEZIRKSBLÄTTER: Nach der Wahlniederlage des 26. Jänner - minus vier Mandate - wirkten Sie noch recht gefasst. War das Show?
CHRISTINE WITTY: Ja, das war Show. Die Entscheidung, mich aus der Politik zurückzuziehen - aus gesundheitlichen Gründen - stand schon länger fest. Das Wahlergebnis, so deprimierend es war, hat daran keinen Anteil. Allerdings gab es in der Woche darauf den berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und so habe ich meine Entscheidung schneller wahrgemacht als vielleicht vorgesehen.

Der "berühmte Tropfen" - ist damit interner Streit gemeint?

Nein, keineswegs. Sondern ein weiterer gesundheitlicher Hinweis.

Sie werden auch nicht im Hintergrund weiterarbeiten?
Halbe Sachen mache ich nicht. Ganz oder gar nicht, das ist meine Devise. Die Entscheidung ist fix und radikal. Ich werde weder nach Stadtnews im Internet suchen, noch den Gemeinderatssitzungen beiwohnen, sondern mich komplett zurückziehen.

Für alle Zukunft? Was soll diese Lücke schließen? Sie waren immer mit Leidenschaft bei der Sache...
Ich habe viele Interessen. Ich habe aber auch gelernt, für die Zukunft nichts auszuschließen. Im Moment hilft mir meine entzückende Hündin Gina, und ich werde Mitglied bei "Pfote mit Note" bleiben.
Dass mein Entschluss eine Zäsur und damit einen neuen Lebensabschnitt bedeutet, ist klar. Hinzu kommt, dass etwas losgelassen werden will, ist doch die Bürgerliste "wir badener" irgendwie "mein Kind".

Wie waren die Reaktionen auf Ihren Rücktritt?
Schock und Traurigkeit.

Sie mussten viele Anfeindungen ertragen. Was gab Ihnen die Kraft?
Neid bzw. Anfeindung muss man sich verdienen. Ich habe ein großes Wissen und Know-how. Rhetorisch bin ich ebenfalls gut unterwegs. Das Wichtigste aber: Solange man seiner Überzeugung treu bleibt, können einem Wortmeldungen, so unqualifiziert sie auch sein mögen, nichts anhaben.

Die Bürgerliste selbst sah sich immer wieder mit dem Vorwurf der "Skandalisierung" konfrontiert. Ist der "Skandal" das einzige Mittel, um auf Missstände aufmerksam zu machen?
Ich habe hier eine andere Sichtweise. Ich habe mich und uns immer als harte Sachpolitiker wahrgenommen. Alle Daten und Fakten, die wir veröffentlicht haben, waren hieb- und stichfest. Dass das von den Betroffenen, die die Missstände produzieren, gerne als "Skandalisierung" bezeichnet wird, ist verständlich.

Auch als "rechtspopulistisch" wurde die Bürgerliste bezeichnet...
Wie "rechts" wir sind, kann man nun daran sehen, dass mit Heidi Hofbauer eine gestandene Sozialdemokratin im Gemeinderatsklub der Bürgerliste vertreten ist. Bei uns geht es eben nicht um Ideologien, sondern um Sachthemen. Wenn man uns mit dem Begriff "Populismus" vorwirft, auf das Volk - von lateinisch „populus“ - zu hören und damit die Bürgermeinung zu achten, dann sind wir gerne populistisch.

Nun haben die Bürger bei der Wahl Ihre Oppositionsarbeit nicht honoriert, und es gab auch eine geringe Wahlbeteiligung. Was bedeutet das?
Wie es scheint, spielt Sachpolitik keine große Rolle mehr. In Zeiten von Trendsucht und SocialMedia ist der Schein offenbar wichtiger als das Sein, die Verpackung gewichtiger als der Inhalt. Und das bedeutet letztlich auch Konsequenzen für die Oppositionspolitik.
Die immer niedrigere Wahlbeteiligung liegt vor allem in der Politikverdrossenheit der Menschen, die nicht weiter verwunderlich ist. Würden die Politiker wieder im Interesse der Bürger arbeiten, würde auch die Wahlbeteiligung steigen.

Wissen Sie drei Heilmittel, die die Politik auf kommunaler Ebene attraktiver machen können?
Das allererste Heilmittel liegt im Selbstverständnis des Politikers. In der NÖ Gemeindeordnung steht geschrieben: "Das Amt als Mitglied des Gemeinderates ist ein Ehrenamt." Solange sich Politiker nicht als Diener am Bürger sehen, sondern stattdessen in erster Linie an Postenschacher, Geldbezüge, Machtspiele und Freunderldienste denken, wird sich am schlechten Image nichts ändern. Zweitens braucht es statt Blitzlicht-Politikern wieder arbeitende Politiker. Nicht Fototermine sind wichtig, sondern der Einsatz für die Stadt und Gespräche mit den Bürgern. Und drittens müssen Entscheidungen demokratisiert werden: Gerade in Baden muss wieder der Bürger das Sagen haben und damit die Bürgerausgrenzung beendet werden.

Sie blicken auf 20 Jahre Kommunalpolitik zurück. Was waren Ihre Highlights?

Was die Bürgerliste betrifft, der 6. März 2005, als wir auf Anhieb fünf Mandate und damit Stadtratsstärke erreicht haben, und 2015 die Kandidatur von Altbürgermeister August Breininger als Spitzenkandidat von "wir badener". Was die Stadt betrifft, unser Beitrag zur Rettung der Erholungsoase Doblhoffpark im Jahr 2009 und unsere 6000 Unterschriften für den Erhalt des Hauptpostamtes im Jahr 2015 sowie die Weiterentwicklung Badens zu einer Beethoven-Stadt, wie sie die Bürgerliste bereits vor mehr als zehn Jahren beantragt hat.

Mit welchem Traum sind Sie in die Politik eingestiegen?
Einen Beitrag zu leisten, dass Baden wieder jene Bedeutung bekommt, die es als seinerzeitige Weltkurstadt einmal hatte. Mein Vorbild ist unsere deutsche Schwesternstadt Baden-Baden.
Doch die Verantwortungsträger unseres Badens, angefangen vom amtierenden Bürgermeister, haben offensichtlich weder den erforderlichen Willen noch den nötigen Weitblick dazu. Seit dem Abgang von August Breininger im Jahr 2007 haben wir es in Baden mit einer führungsschwachen ÖVP zu tun, die 2015 aus Bequemlichkeit sogar einen 500.000 Euro teuren Regierungs-Postenschacher gemeinsam mit Grün und NEOS beschlossen hat.

Was hat sich im Lauf der 20 Jahre in Bezug auf Kommunikation geändert?

Die Kommunikation im Rathaus hat sich dahingehend geändert, dass die ÖVP nunmehr die Informationen auf das gesetzliche Mindestmaß beschränkt und so den nötigen Respekt gegenüber den gewählten (!) Oppositionsfraktionen des Gemeinderates vermissen lässt. Wir haben in den letzten Jahren das meiste aus den Regionalzeitungen erfahren.

Könnten Sie ein Buch schreiben über Ihre Erfahrungen in der Badener Kommunalpolitik?


Ja, das könnte ich. Die Frage ist, ob ich das will.

Wie es mit der Bürgerliste nun weitergeht, können Sie wohl nicht sagen...
Ich wünsche der Bürgerliste "wir badener" das Allerbeste.

Christine Witty im Gespräch mit Redakteurin Gabriela Stockmann | Foto: At the Park
Christine Witty (l.) im Gespräch mit Redakteurin Gabriela Stockmann | Foto: At the Park

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