Leserbrief aus Roßbach
Meinung zum Gebrauchshundesport

Foto: Kern
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Leserbrief von Tierärztin Ute Kern zur aktuellen Diskussion um den Gebrauchshundesport.

"Nach dem tragischen Beißunfall in Oberösterreich wird der Gebrauchshundesport wieder einmal stark kritisiert und Trainingssituationen unsachgemäß direkt mit den Vorkommnissen verknüpft.
In diesem Zusammenhang ist es mir ein dringendes Anliegen, kund zu tun, wie ich persönlich den Gebrauchshundesport erlebe:
Als Tiermedizinerin und Hundeführerin mit langjährigen Erfahrungen im Rettungshunde- und, seit 1,5 Jahren, im Gebrauchshundesport-Bereich (IGP), liegt mir im Zusammenhang mit meinen Hunden natürlich beides am Herzen: Tiergerechte Haltung und ein soziales Miteinander im häuslichen Alltagsumfeld.
Gerade die verschiedenen Abteilungen des Gebrauchshundesports erlebe ich als „Spätberufene“ wöchentlich als ein sehr aktives und soziales Miteinander, in der mein Hund gelernt hat, sich selbst zu regulieren und trotz großer Aufregung und äußerer Reize zu konzentrieren, „zuzuhören“ , sich auf die Kommunikation mit mir und dem Helfer einzulassen und zu kooperieren, um zum Erfolg zu kommen.
Mehr noch, für mich als „normale Hundeführerin ohne besonderes Talent“ hat das so Erlernte einen deutlich weitreichenderen Effekt als die angestrebte IGP-Prüfung im Verein. Mein Hund zeigt sich auch im Alltag wesentlich selbstsicherer und ruhiger. Ich selbst erlebe mich im Handling meines Hundes, gerade bei auftretenden, unvorhergesehenen Umweltreizen, um ein Vielfaches bestärkt und sicher wie nie zuvor.

"Training wird individuell abgestimmt"

Als langjähriges Mitglied einer dem Österreichischen Kynologieverands angegliederten NGO, ist dieser Hundesport – Dank des passionierten Engagements meines Trainers, mit individuell auf meinen Hund und mich abgestimmter Betreuung in allen drei Sparten, zu einem unverzichtbarem Teil in der Interaktion mit meinem Vierbeiner geworden, der nicht nur viel Spaß und Freude im Miteinander auf dem Hundeplatz sondern auch so manchen Lösungsansatz für die Bewältigung meines persönlichen, manchmal hektischen Alltagsgeschehens zwischen Familie, Beruf und Freizeit, bietet.
Der ein oder andere Leser dieser Zeilen ist sicher geneigt, meine Schilderungen als „Einzelwahrnehmung" oder „Spinnerei“ abzutun. Fast verständlich in einer Zeit, wo man sich einmal mehr dem Vorurteil, der Gebrauchshundesport gehe immer mit negativ verknüpftem Stress für den Hund und dem Erlernen „gefährlicher Verhaltensketten“ einher, bedient.
Als Naturwissenschaftlerin liegt es mir im Blut, Hintergründe und zugrundeliegende Mechanismen meiner Erfahrungen verstehen zu wollen. Bei der durchgeführten Literaturrecherche habe ich zahlreiche wissenschaftlich fundierte Abhandlungen zu Stressoren und Bewältigungsmechanismen gefunden – Hier ein Auszug:

Die Veterinärkollegin Sylke Pauli hat in ihrer Dissertation¹ an der LMU München 2007 zum Thema „Stressbelastung bei Bundeswehr-Diensthunden „entgegen Ihrer Eingangshypothese bewiesen, dass der sachkundig ausgeführte Schutzdienst nur eine submaximale Stressbelastung darstellt und bei Belastungsfaktoren durch Haltungsbedingungen sogar eine stabilisierende, ausgleichende Wirkung aufweist.

"Potenziell ausgleichende Wirkung"

Auch wenn diese Ergebnisse sicher nur bedingt auf die Sporthundearbeit übertragbar sind, widerlegen sie doch eindrucksvoll und sachlich die negativen Auswirkungen des Trainings auf die Stressbelastung von Gebrauchshunden und zeigen dazu die potenziell ausgleichende Wirkung desselben auf andere Umweltreize auf.
Früher wurde das Erleben von „Stress" durch soziale Lebewesen ausschließlich negativ definiert und sollte daher vermieden werden, beziehungsweise durch klassische Konditionierung (Verknüpfung von Stressor mit erlernten angenehm empfundenen Signalen) in eine gemilderte Situationen umgewandelt werden.
Mit der Erkenntnis, dass keine ausreichenden Bewältigungsmechanismen mehr zur Verfügung stehen, wenn das situativ erlebte Bild aus dem „Rahmen“ der durchgeführten Konditionierung fällt, hat sich die moderne Verhaltenstherapie in den letzten Jahren sehr verändert.
Es ist sicher nachvollziehbar, dass diese Erkenntnisse vom Menschen als gesichert auch auf den Hund als soziales Lebewesen übertragbar gelten (e.g. Fransi Rottmeier ,2016):
„Sachkundiger Schutzdienst kann dem Hund solche Stressreize bieten und unseren Vierbeinern als soziales Lebewesen lehren, verbesserte, nachhaltigere Bewältigungsmechanismen zu entwickeln.“
Dies unterstreicht auch eine weitere Dissertation des tierärztlichen Kollegen Mikus aus dem Institut für Tierschutz und Verhaltenskunde der Ludwigs-Maximilians-Universität München, die sich mit der Auswertung von Sachverständigengutachten zu Hunden mit Beißvorfällen beschäftigt und darlegen kann, dass der Anteil an ausgebildeten Gebrauchshunden in der untersuchten Kohorte von auffällig gewordenen Tieren, lediglich zwei Prozent betrug.²

"Diskussion mit allen"

Ich darf alle „Parteien“ herzlich um Berücksichtigung der skizzierten Perspektive bei Ihrer Beurteilung des „Gebrauchshundesports“ ansuchen und vor einer vorschnellen Urteilsbildung bitten, nebst der Aneignung eines ausreichenden Hintergrundwissens mit einem offenen Ohr auf erfahrene Fachleute wie Verbandstrainer, -Hundeführer und Tierärzte, die selbst im IGP Sport aktiv sind, und teils über mehrere Jahrzehnte angesammeltes Fachwissen zum Thema verfügen, zuzugehen."

1. Sylke Pauli, Dissertation 2007- Institut für Tierschutz, Verhaltenskunde und Tierhygiene; Tiermedizinische Fakultät der LMU München: „Belastung von angekauften Diensthunden durch die Haltung und die Grundausbildung im Schutzdienst“
2. Roman Mikus, Dissertation 2006 – Institut für Tierschutz, Verhaltenskunde und Tierhygiene; Tiermedizinische Fakultät der LMU München: „Statistische Auswertung von Sachverständigengutachten über Hunde mit Beissvorfällen in Bayern“

Von Ute Kern
aus Roßbach

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