Interview mit Karner & Sagartz
„Der Angriff Putins hat Europa geeint“
Doppel-Interview mit Innenminister Gerhard Karner und Burgenlands ÖVP-Chef und Europa-Parlamentarierer Christian Sagartz.
Wie ist die aktuelle Situation im Asylbereich?
GERHARD KARNER: Im ersten Quartal verzeichneten wir eine Verdoppelung der illegalen Migration im Vergleich zum Vorjahr. Daher habe ich in Auftrag gegeben, neben den routinemäßigen Kontrollen eine „Aktion scharf“ als „Aktion gerecht“ durchzuführen.
Was meinen Sie mit „Aktion gerecht“?
KARNER: Gerecht gegenüber jenen, die Schutz brauchen. Das sind vor allem Vertriebene aus der Ukraine, aber auch jene Menschen, die den Asylstatus in Österreich bekommen. Wie ziehen eine Grenze gegenüber jenen, die versuchen, dieses System zu missbrauchen – und das sind in erster Linie Schlepper. Dass heißt, der Schwerpunkt liegt klar in der Bekämpfung der Schlepperkriminalität. Die Maßnahmen sind hier Grenzkontrollen, Kontrollen im überregionalen Verkehr, Schleierfahndung und auch Kontrollen im Rotlicht-Milieu, weil es auch um Menschenhandel geht.
Wie ist die Situation im Burgenland?
KARNER: In den ersten Monaten dieses Jahres hat die burgenländische Polizei mehr als 70 Schlepper aufgegriffen. Das ist doppelt so viel als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres. Das zeigt, dass die Polizei sehr erfolgreich und effektiv arbeitet.
SAGARTZ: Als Europa-Politiker möchte ich Gerhard Karner dafür danken, dass einer seiner ersten Aktionen als Innenminister war, den Kontakt zu Ungarn zu suchen. Ich selbst werde Anfang Juni in Budapest sein, weil ich glaube, dass bei der Frage, wie wir illegale Migration bekämpfen, der Kontakt zu den ungarischen Kollegen unabdingbar ist.
Was sind die Gründe für die steigenden Aufgriffszahlen?
KARNER: Die Schlepper reagieren sofort auf internationale Entwicklungen. Sie nutzen bewusst die aktuelle Situation aus, dass wir den Vertriebenen aus der Ukraine helfen. Sie machen Werbung damit in Ländern wie Iran, Pakistan oder Indien, dass Europa offen ist. Deshalb ist es so wichtig, dass wir hier eine klare Grenze ziehen.
Wie viele Vertriebene aus der Ukraine sind derzeit in Österreich untergebracht?
KARNER: Wir haben mittlerweile rund 67.000 registrierte Vertriebene und knapp 45.000 in der Grundversorgung. Da gibt es viele, die weiterreisen und auch viele, die sich selbst versorgen.
Herr Sagartz, Sie sind oft in Brüssel und Straßburg. Spüren Sie die Einigkeit in der Europäischen Union angesichts des Ukraine-Krieges?
SAGARTZ: Ich würde provokant formulieren: Der Angriff Putins hat Europa geeint. Es gibt einen Schulterschluss quer durch Europa. Ich glaube nicht, dass die russische Führung damit gerechnet hat. Jedenfalls muss man positiv anerkennen, wie rasch und geschlossen Europa reagiert hat.
KARNER: Das war ein beeindruckender Kraftakt der Europäischen Union, die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz für die ukrainische Flüchtlinge in so einer Geschlossenheit und Geschwindigkeit umzusetzen. Ich bin auch den Ländern und Gemeinden sehr dankbar, weil sie eine Herkulesaufgabe zu erledigen haben – vor allem, was die Betreuung der Kinder betrifft.
SAGARTZ: Erwähnen möchte ich auch die 3,4 Milliarden Euro Soforthilfe der EU für die Mitgliedsstaaten. Dieser Topf der EU wird bei uns vor allem in die Kinderbetreuung und die Schulausbildung investiert.
KARNER: Mehr als 8.000 Kinder aus der Ukraine sind mittlerweile in unseren Schulen. Da ist wirklich etwas gelungen und in diese Richtung müssen wir auch weiter gehen.
Wie bewerten Sie die aktuelle Asylpolitik in der Europäischen Union – in welche Richtung muss es gehen?
SAGARTZ: Wir müssen den Menschen dort, wo sie leben, Perspektiven geben. Es gibt deshalb eine europäische Strategie, die vor allem auf Afrika fokussiert ist, und dort das Entwicklungspotenzial vorantreibt. Außerdem investieren wir in den Grenzschutz. Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex wird jetzt gestärkt. Jedenfalls ist die internationale Zusammenarbeit sehr wichtig. Ich war kürzlich bei den Polizisten zu Gast, die in Nordmazedonien Dienst machen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie 30 österreichischen Polizisten mit modernster Technik die nordmazedonischen Kollegen bei der der Bekämpfung der Schlepperkriminalität unterstützen.
Herr Innenminister, zum Abschluss eine persönliche Frage: Ihre persönliche Beziehung zu Burgenland?
KARNER: Ich habe während meiner Studienzeit das eine oder andere Konzert im Burgenland besucht. So habe ich etwa Iggy Pop in Wiesen gesehen. Es war sensationell.
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