Video im Netz
Architektur in Wien kann für Vögel zur Todesfalle werden
Moderne Stadtarchitektur in Wien besticht auch durch große Glasfassaden. Für den Menschen sind sie vielleicht schön anzusehen, doch für Vögel können sie zum fatalen Hindernis werden. Dies zeigt ein aktuelles Beispiel aus Favoriten.
WIEN/FAVORITEN. Wenn man über das Gelände des Erste Bank Campus läuft, kann man schon mal ins Staunen kommen. Die Zentrale der Großbank nennt den Standort seit 2016 ihr Zuhause. Mit der Errichtung des neuen Hauptbahnhofs kam hier auch ein beachtliches Hauptquartier samt Campus hin. Architektonisch fällt der Bau am Wiedner Gürtel definitiv ins Auge. Verspielte Kanten und Formen, dazu auf allen Seiten große Glasfronten, in denen sich schon mal die Sonne spiegeln kann. Optisch für viele wohl ein Genuss zum Ansehen.
Für Vögel scheint der Bau am Donnerstag ein gefährliches Hindernis gewesen zu sein. Ein X-Video von der Glasfassadenfront zeigt mehrere am Boden liegende tote Vögel. "Es regnet tote Vögel vom Himmel. Der Glaspalast fordert seinen Tribut", kommentiert der Nutze sein Video auf X.
Scheinbar sind die Vögel im vermeintlich freien Flug in die Glasfront gekracht und so zu Tode gekommen. Von einem regelmäßigen Massensterben, wie es der Nutzer postuliert, sei aber nicht die Rede, so die Erste Bank: "Wir waren selbst überrascht, dass bedauerlicherweise die Vögel gestorben sind. Es kommt tatsächlich relativ selten vor, dass Vögel gegen unsere Fassade fliegen. Auf unseren Bäumen auf den Grünflächen nisten Vögel und zwischen den Geschoßen sogar Fledermäuse", erklärt das Bankenhaus. Ein Lokalaugenschein von MeinBezirk.at samt Abgang der Gebäudefronten zeigt ebenso: Ein totes Tier war zumindest am Freitagvormittag nicht zu sichten.
Kein Einzelfall
Und trotzdem, das Video zeigt, dass es manchmal doch zu solchen Vorfällen kommen kann. Doch wie kann so etwas in einem Land wie Österreich mit vielen Bauvorschriften kommen?MeinBezirk.at hat bei Fachreferent Benedikt Heger bei der Wiener Umweltanwaltschaft nachgefragt. Seit mehr als 30 Jahren widmet man sich in der Anwaltschaft des Themas, versucht Probleme aber auch Lösungen aufzuzeigen.
"Grundsätzlich gibt es zwei Gründe, warum Vögel in eine Glasscheibe prallen können. Entweder, sie können diese nicht erkennen, weil die Durchsicht zu gut ist. Oder in den Scheiben spiegelt sich die Umwelt, die Vögel können nur das Spiegelbild und damit die Umgebung, aber nicht das Hindernis erkennen", erklärt Heger.
Solche Probleme sind der Anwaltschaft durchaus bekannt in Wien, so Heger, der Erste Bank Campus ist kein Einzelfall: "Grundsätzlich droht diese Gefahr überall dort, wo großflächige Glasscheiben angebracht sind." Weitere Negativbeispiele aus der Wiener Architektur möchte er in diesem Zusammenhang nicht nennen. Viel mehr setzt man auf Aufklärung, denn Markierungen könnten hier helfen.
Der Standort macht’s aus
Dabei gäbe es sogar eine eigene Vogelschutzrichtlinie, die sogar eine EU-Richtlinie ist. Grundsätzlich sei das Thema, so wie bei vielen Naturschutzfragen, aber auch immer eine Sache des Baustandorts. Im Naturschutzgesetz ist genau vorgeschrieben, wie Gebäude zu errichten sind, erklärt der Experte der Umweltanwaltschaft. Besteht bei Entwürfen das Potenzial, dass dadurch Vögel signifikant sterben könnten, dann kann es im Zuge eines naturschutzrechtlichen Verfahrens zu einer Prüfung kommen. Wichtig in dem Kontext: Es muss immer ein naturschutzrechtliches Schutzgut bedroht sein, damit eine Prüfung unzulässig ist.
Und genau hieran liege der Haken: "Es kommt auf die Widmung des Baugrunds und den Standort an. In der Nähe von Naturschutzgebiet, Nationalparks und Ähnlichem gibt es viel strengere Voraussetzungen, als im urbanen, dicht verbauten Stadtgebiet. Alleine schon, was das Aufkommen von möglicherweise bedrohten Vögeln angeht", so Heger. Auch wenn es im Nachhinein zu einem sichtbaren Vogelsterben kommt, ist es schwierig, Eigentümer von Gebäuden dazu zu bewegen, Maßnahmen zu ergreifen.
"Es ist im Nachhinein schwer festzustellen, woran ein Vogel tatsächlich verstorben ist. Hilfreich sind Videoaufnahmen, die Aufpralle dokumentieren." Beispiele aus anderen Ländern zeigen etwa auch, dass die Eigentümer von solchen hohen Glasbauten selbst per Video die Situation kontrollieren und gegebenenfalls Maßnahmen einleiten.
Dass eine Verklebung von Fenstern auf Kosten der raffiniert durchdachten Architektur gehe, sei inzwischen auch nicht mehr Stand der Dinge. Inzwischen gibt es bereits Punkt- und Streifenmuster, die weniger als ein Prozent der Scheibe bedecken, und trotzdem effizient Vögel von den Hindernissen abhalten können, erklärt der Umweltschützer. Solche Markierungen sollten dabei immer draußen sein. Der berühmte schwarze "Greifvogelsticker", der weltweit einst auf vielen Fensterflächen geklebt wurde, sei übrigens keine große Hilfe. Die Vögel weichen beim Anflug auf das Fenster dem Sticker aus, knallen nur ein paar Zentimeter daneben in das Glas.
Viel Freiwilligkeit in Wien
Bei der Umweltanwaltschaft betont man jedoch auch, dass in Wien sehr sorgfältig bei der Errichtung neuer Bauwerke mit dem Vogelschutz umgegangen wird. Viele Vorzeigebeispiele gäbe es, wo freiwillig Maßnahmen gesetzt werden: "Sehr viele Unternehmer sind freiwillig an Bord. Bei den Wiener Linien oder den ÖBB wird bei jeder neuen Station der Vogelschutz mitgedacht. Aber auch öffentliche Bildungsgebäude, Krankenhäuser etc. ziehen ebenso freiwillig mit."
Ob bei der Erste Bank-Filiale weitere Maßnahmen gesetzt werden, um dieses doch recht seltene Phänomen vom Donnerstag zu reduzieren, ist nicht bekannt. Das Unternehmen werde "nichtsdestotrotz diese Situation beobachten".
Weitere Themen:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.