Das Aus für den Büchsenmacher
Brauch ist Brauch. Doch hinter so mancher Tradition steckt etwas anderes, als man denkt.
OBERTRUM (grau). Während die Wäscheleine vor dem Haus das Neugeborene begrüßt und der von Freunden gebaute Storch die Eltern erfreuen soll, bedeutete ein Haufen Dosen ursprünglich nichts als Hohn für den Vater des Kindes. Er hatte ja schließlich nichts anderes zusammengebracht als „nur“ ein Mädchen. Das frisch geborene Kind wird dann auch noch auf sein Geschlechtsteil reduziert und der Vater als „Büchsenmacher“ angeprangert.
Das geht darauf zurück, dass ein Mädchen mit hohen Folgekosten (Mitgift) verbunden war. So gar nicht zeitgemäß, dieser Brauch, könnte man meinen. Dennoch begegnet man den alten Dosen im Flachgau regelmäßig. Freilich denkt sich kaum einer Böses dabei, wenn er den Kindsvater mit ein paar Dosen beschenkt. Sollte er aber, beschloss die Obertrumer Gemeindevertretung und stellte den Brauch zur Diskussion.
„Direkt vor der Gemeinde waren immer sehr viele Büchsenmacher aufgebaut. Ein Gemeindevertreter setzte diesen Punkt daher einmal auf die Tagesordnung und alle waren sich einig, dass dieser Brauch heutzutage zu überdenken ist. Wir haben daher beschlossen, ihn auf Grundstücken der Gemeinde zu untersagen“, erklärt Amtsleiter Franz Wirthenstätter. „Obwohl das gerade bei uns eine altverwurzelte Tradition ist, war der Grundtenor, nachdem wir unseren Vorschlag in der Gemeinde veröffentlicht haben, durchaus postitiv. Einzelne verstehen uns zwar nicht, aber wir finden, man kann ein Kind auch anders begrüßen.“
So sind Störche und Wäscheleinen nach wie vor auch direkt vor dem Gemeindeamt herzlich willkommen. „Es ist ja auch viel schöner, wenn man einen Storch bastelt oder schöne Kindersachen aufhängt, statt alte Dosen aus dem Müllcontainer zu fischen“, findet Wirthenstätter außerdem.
Nachdenken statt Strafe
Wer dennoch einen Büchsenmacher vor einem Haus aufstellt, wird dafür natürlich nicht bestraft, aber die Gemeinde will mit ihrem Statement zum Nachdenken anregen. Und so alt ist der Brauch schließlich nun auch wieder nicht – zumindest nicht älter als die Dose und das Patent zur Blechbüchse wurde 1810 angemeldet.
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