Gedenken in Floridsdorf
Ausstellung "Österreich und die Shoah"
Vor der Pfarrkirche Floridsdorf auf dem Pius-Parsch-Platz ist aktuell eine besondere Freiluft-Ausstellung mit dem Titel: "Das Wiener Modell der Radikalisierung. Österreich und die Shoah" zu sehen. Von den politischen Verantwortlichen Im Bezirk wird sie begrüßt.
WIEN/FLORIDSDORF. Nach der erfolgreichen Ausstellung am Heldenplatz geht das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) mit seiner Freiluft-Ausstellung "Das Wiener Modell der Radikalisierung. Österreich und die Shoah" auf Tour.
Seit Kurzem ist die Schau auf dem Pius-Parsch-Platz in Floridsdorf zu sehen, gleich in der Nähe des Bahnhofs und der U6 Station Floridsdorf. Sie erzählt auf Schautafeln von der Rolle Wiens als Motor der Radikalisierung des Antisemitismus im NS-Staat.
Die Wiener „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, 1938 von Adolf Eichmann eingerichtet, entwickelte im Jahr 1941 das organisatorische Modell der NS-Deportationen in die Ghettos, Vernichtungslager und Mordstätten. Es wurde zum Vorbild für die Deportationen aus dem gesamten Deutschen Reich, die ab Oktober 1941 durchgeführt wurden.
Diese Vorgänge thematisiert die Freiluft- Schau. Gezeigt werden auch jüdische Selbsthilfe und der mutige Widerstand Einzelner. Ebenso wird das Schweigen über die Shoah im Nachkriegsösterreich beleuchtet, das den Tätern zugutekam.
Ein nach wie vor aktuelles Thema
„Wir gehen bewusst mit unserer Ausstellung auf Tour und an jene Orte, an denen viele Menschen vorbeikommen. Die Schau beleuchtet Aspekte der NS-Geschichte Österreichs, die zuvor noch wenig bekannt waren. Antisemitismus ist aber – leider – nicht nur ein Thema der Vergangenheit, sondern auch heute noch hochaktuell. Gerade deshalb sehe ich es als unseren Auftrag als Zeitgeschichtemuseum, so aktiv wie möglich zur Aufklärung und Geschichtsbildung beizutragen. Stationen wie diese in Floridsdorf leisten dazu einen wichtigen Beitrag“, sagt Monika Sommer, Direktorin des hdgö.
Von Seiten der politischen Verantwortlichen im Bezirk wird die Ausstellung begrüßt. So betont etwa Erol Holawatsch, der ÖVP-Bezirksobmann: "Es freut mich sehr, dass diese Freiluftausstellung nun auch in Floridsdorf zu sehen ist und den Menschen somit direkt die Möglichkeit für Aufklärung und Geschichtsbildung bietet." Die Erinnerung an die Shoah müsse steht aufrechterhalten und dadurch die Lehren für Gegenwart und Zukunft gezogen werden, so Holawatsch weiter.
Bezirksvorsteher Georg Papai (SPÖ) war schon anlässlich der Eröffnung zusammen mit dem Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, vor Ort. Des Weiteren betonte Papai: "Ausstellungen wie diese halte ich für enorm wichtig, weil damit die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der neuzeitlichen Geschichte Österreichs mitten in unseren Lebensraum und damit mitten in unser Bewusstsein gestellt wird."
Erinnerungskultur dürfe dabei nicht bloß ein Schlagwort sein und sie zu pflegen keine Beschäftigung einiger weniger. "Erinnerungskultur ist ein Stück unserer Identität und ein Zeichen unserer Bereitschaft, uns mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen," so Papai.
Immer weniger Zeitzeugen
Besonders erfreut, dass die Ausstellung auch im 21. Bezirk halt macht, zeigen sich die Grünen. So betont der Grüne Klubvorsitzende Heinz Berger, der selbst Historiker ist: "Da das Wissen um die Shoah in den letzten Jahren langsam verblasst und auch kaum noch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen am Leben sind, die von der schrittweisen Radikalisierung am Weg in den Massenmord an Juden u.a. während der NS-Herrschaft berichten könnten, ist diese Ausstellung, die von hervorragenden Expertinnen kuratiert wird, ein sehr geeignetes Mittel um das Wissen darüber wieder aufzufrischen." Besonders erfreulich findet er, dass man immer, wenn man jetzt dort vorbei komme, interessierte Floridsdorferinnen und Floridsdorfer sehe, die die Schautafeln studieren.
Die Ausstellung setzt sich mit dem System der Entrechtung, Enteignung, Vertreibung und Ermordung der österreichischen Jüdinnen und Juden auseinander. „Das Wiener Modell“ zeigt, wie Österreich nach dem „Anschluss“ im März 1938 zum Experimentierfeld für die antisemitische Politik des Nationalsozialismus wurde.
Jüdische Geschäfte und Betriebe wurden enteignet, Jüdinnen und Juden entlassen, erhielten Berufsverbot, ihre Mietverträge wurden gekündigt. Ab Mai 1938 mussten jüdische Kinder die öffentlichen Schulen verlassen. Der Zugang zu Parks, Theatern, Kinos, Gaststätten war verboten, das Haus durfte ab 20 Uhr nicht verlassen werden.
Mehr als 45.000 Deportationen
Zwischen 1938 und 1941 konnten mehr als 130.000 jüdische Österreicherinnen und Österreicher flüchten. Anfang 1941 lebten in Wien nur noch rund 61.000 Menschen, die nach Definition der nationalsozialistischen "Rassengesetze" als Jüdinnen und Juden galten. Die jüdische Bevölkerung war völlig verarmt, Jüdinnen und Juden hatten kaum Einkommensmöglichkeiten.
Im Oktober 1940 brachte der Wiener Gauleiter Baldur von Schirach bei Adolf Hitler seinen Plan vor, Wien als erste Großstadt im Deutschen Reich "judenfrei" zu machen. Im Februar 1941 begannen die systematischen Deportationen aus Wien. Die Wiener "Zentralstelle" wurde zur Schaltstelle für die Durchführung der Transporte. Ihr Modell wurde ab Oktober 1941 bei den reichsweiten Deportationen der jüdischen Bevölkerung eingesetzt.
In den Jahren 1941/42 wurden in 45 Transporten mehr als 45.000 jüdische Österreicherinnen und Österreicher vom Wiener Aspangbahnhof deportiert, der Großteil von ihnen wurde ermordet.
Präsentiert wird die Schau vom Haus der Geschichte Österreich in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien sowie dem Verein zur Förderung kulturwissenschaftlicher Forschungen. Kuratorinnen sind Michaela Raggam-Blesch, Heidemarie Uhl und Isolde Vogel.
Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es online unter: https://www.hdgoe.at/wiener_modell_der_radikalisierung_floridsdorf
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