MIT ABSTAND & LANGSAM VORBEIFAHREN
Pferde reagieren im Straßenverkehr oft unberechenbar

  • Vor allem für junge, unerfahrene Pferde bedeutet Straßenverkehr oft Stress.
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Im Straßenverkehr haben viele Reiter und Gespannfahrer Bauchweh, denn immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen, die für alle Beteiligten mit schlimmen Verletzungen ausgehen könnten. Wie brenzlig diese Situationen oft wirklich sind, ist vielen Fahrzeuglenkern nicht bewusst.

BEZIRK FREISTADT. Das Mühlviertel ist ein wahres Eldorado mit zahlreichen Turnier-, Zucht-, Freizeit- und Wanderreitpferden. Mit dem Reitwegenetz quer durch die Region wurde vor einigen Jahren ein breites Ausreitgebiet für Wanderreiter und Urlauber geschaffen. Teilstücke entlang von Güterwegen, Freiland- und Bundesstraßen oder das Queren solcher lassen sich dabei häufig nicht vermeiden. 

Angeborener Überlebensinstinkt von Pferden

Warum bei Pferden im Straßenverkehr besondere Vorsicht geboten ist, vor allem, wenn man sich einem Pferd von hinten nähert, erklärt Pferdetierärztin Sophie Salomon: "Pferde haben einen toten Winkel, in dem sie nichts sehen. Kommt gefühlt wie aus dem Nichts ein großes Objekt in ihr Sichtfeld, erschrecken sie häufig", sagt die Lichtenbergerin. Nähern sich Fahrzeuge zu schnell, passiert es oft, dass Pferde fluchtartig nach vorne oder zur Seite springen. "Das ist keine überlegte Handlung, sondern ein angeborener Fluchtinstinkt, der einzig und allein einem Ziel dient: überleben! Denn genauso gut könnte das sich nähernde Objekt ein Säbelzahntiger sein", erklärt Salomon das Verhalten der Tiere. 

  • Veterinärmedizinerin Sophie Salomon ist spezialisiert auf Pferdegesundheit.
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Blickkontakt mit Reiter halten

Mit viel Training lernen die Tiere, dass Fahrzeuge nicht lebensbedrohlich sind. Erfahrene Pferde reagieren deshalb meist verhältnismäßig ruhig im Straßenverkehr. Besonders schwierig ist die Situation jedoch für junge, unerfahrene Pferde, die sich in der Ausbildung befinden. "Unfälle zwischen Autos und Pferden können für alle Beteiligten lebensbedrohlich sein, nicht nur für Reiter und Pferd, sondern auch für den Fahrer, etwa wenn das Pferd auf die Motorhaube oder in die Windschutzscheibe springt", erklärt die Veterinärmedizinerin, die selbst schon Tiere nach Verkehrsunfällen versorgt hat. Sie appelliert an Verkehrsteilnehmer, die mit Reitern im Straßenverkehr in Kontakt kommen:

"Rücksichtsvoll und langsam vorbei fahren, genügend Abstand halten und am Reiter orientieren. Viele Reiter geben vorbeifahrenden Autos mit Handbewegungen zu verstehen, dass sie auf einem unerfahrenen Pferd sitzen, dem man sich besonders langsam nähern sollte."

1.000 Schutzengel bei Reitunfall

Einen Unfall im Straßenverkehr hatte Julia Horner mit ihrem Pferd vor einigen Jahren. Damals hatte die Kefermarkterin, eine gute Reiterin mit Turniererfahrung, ihre Pferde in Gutau eingestellt. Nicht weit vom Stall entfernt kam ihr an einem Wintertag ein Autofahrer entgegen. An einer engen Stelle trafen beide aufeinander. "Rechts von mir war eine betonierte Gartenmauer, links das Auto, ich hatte keinen Platz um auszuweichen", erzählt die 32-Jährige. Als der Autofahrer plötzlich und energisch vor ihr abbremste, machte es auf dem Rollsplitt ein lautes Geräusch und einige Steine wurden gegen die Füße des Pferdes geschleudert. "Mein Pferd schreckte auf, stieg hoch, machte eine 180-Grad-Drehung über die Motorhaube des Autos und ich landete zwischen Pferd und Fahrzeug. Aaron lief etwa einen Kilometer auf der linken Fahrbahn im gestreckten Galopp nach Hause", erzählt Horner, die sich beim Hinterherlaufen tausend Horrorszenarien ausdachte, was ihrem Pferd passieren könnte. Das Auto fuhr davon. Horner hatte an diesem Tag viele Schutzengel – sowohl sie als auch ihr Pferd kamen ohne größere Verletzungen davon.

  • Julia Horner hatte mit ihrem Pferd Aaron bei einem Unfall auf der Straße tausend Schutzengel.
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Rechtlich sind Pferde wie Motorräder zu betrachten

Nina Ollinger ist Juristin, Reiterin und Pferdebesitzerin und spezialisiert auf Pferderecht. Sie betreibt eine Kanzlei in Purkersdorf mit Nebenstelle in Altmünster. Sie beleuchtet das Thema Pferde im Straßenverkehr aus juristischer Sicht: "Rechtlich ist ein Pferd im Straßenverkehr wie ein Motorrad zu behandeln", erklärt Ollinger. "Es hat sich auf der rechten Fahrbahnseite aufzuhalten, darf nicht auf dem Bankett oder dem Gehsteig gehen." Für Reiter und Kutschen gilt die Straßenverkehrsordnung ebenso wie für andere Verkehrsteilnehmer. Um alleine im Straßenverkehr mit dem Pferd unterwegs sein zu dürfen, muss man des Reitens kundig und mindestens 16 Jahre alt sein. Andernfalls darf man nur in Begleitung Erwachsener unterwegs sein. Bei schlechter Sicht hat man Sicherheitskleidung zu tragen. 

  • Juristin Nina Ollinger ist spezialisiert auf Pferderecht.
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Mindestens eineinhalb Meter Abstand

"In der Straßenverkehrsordnung gibt es leider keine genauen Vorschriften, wie man sich als Fahrzeuglenker bei Pferden im Straßenverkehr zu verhalten hat. Hier gilt die Rechtssprechung im Einzelfall. Es kommt jedoch die Sorgfaltspflicht gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern zu tragen", sagt die Rechtsanwältin und appelliert, immer mindestens eineinhalb Meter Abstand zu halten. "Wenn ich als Auto- oder Motorradfahrer erkenne, dass ein Reiter sein Pferd nicht unter Kontrolle hat oder ein Pferd scheut, sind sie eindeutig vom Vertrauensgrundsatz ausgeschlossen", führt die Juristin weiter aus. Sie schlägt vor, das Thema Pferde im Straßenverkehr als wichtigen Punkt in Führerscheinkursen zu behandeln, um hier aufzuklären und mehr Bewusstsein und Verständnis zu schaffen.

Sieben anschauliche Videos

Auf der Website des Niederösterreichischen Pferdesportverbands (NOEPS) findet man sieben anschauliche Videos, die erklären, wie man sich im Idealfall bei Begegnungen mit Pferden, Reitergruppen und Kutschen im Straßenverkehr verhält. 

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