Jewgenij Schwarz: Der Drache
Wankender Bürgermut, karges Heldentum

„Der Drache" – Ein Stück, das man auf keinen Fall versäumen sollte, gespielt wird bis zum 17. März. | Foto: Projekttheater Hall
6Bilder
  • „Der Drache" – Ein Stück, das man auf keinen Fall versäumen sollte, gespielt wird bis zum 17. März.
  • Foto: Projekttheater Hall
  • hochgeladen von Michael Kendlbacher

Lebendig, dynamisch und überzeugend: „Der Drache” des Projekttheaters Hall im Sudhaus Lobkowitz

Es ist dunkel, das Publikum sitzt wie in einem Forum vor den schweigenden Akteuren, im Off eine Stimme, ein Prolog? So stimmt Spielleiter Hermann Freudenschuss das Publikum zu Jewgeni Schwarz’ “Der Drache“ ein, das seinerzeit (1943) Stalin nach anfänglichen Erfolgen bald verboten hatte, zu groß war der Verdacht, dass auch das Sowjetsystem gemeint war. In der DDR aber wurde es als Kapitalismuskritik interpretiert und wurde ab 1958 hunderte Male aufgeführt. So weit der ideologische Rahmen, in der Folge nun kurz die Story: Es wird von einem Drachen über einer Stadt erzählt, dem man ungeheuere Mengen an Lebensmitteln und als Draufgabe noch jährlich eine Jungfrau zu opfern hat. Man hat sich daran gewöhnt, es gibt doch genügend gemütliche Nischen in diesem System. Aber da naht aus fernen Landen Lanzelot, der unerschrocken und auch gegen den Willen der Bürger und der Stadtregierung den dreiköpfigen Drachen herausfordern und töten will. In drei Akten und gezählten 25 elegant ineinanderfließenden Bildern setzen die neun Herren und drei Damen (plus ein kleiner Junge) des erstaunlich spielfreudigen und qualifizierten Laienensembles das feige Beharrungsvermögen der Bürger und deren allmählichen Wandel in Szene, aber auch in der Folge die Aneignung und Reklamierung des Sieges über den Drachen für schändliche politische Zwecke der Führungsclique. Lanzelot erkennt die Verkrüppelung und Vergiftung der Seelen, seine Liebe zu der anfänglich noch opferbereiten Jungfrau beflügelt ihn, und auch ihr wächst aus dieser Zuneigung jener Mut zu, der ihr und ihrem Vater ermöglicht, sich der herrschenden Angst zu stellen. Erich Thummer wächst großartig und einschüchternd mit garstigem Gebären in die Rollen der zwei Drachenköpfe, in Augenhöhe dazu Ilse Gallister als dritter Drachenkopf (ihre zweite Rolle: Oma eines kleinen Buben, schneidig umgesetzt von Paul Klingler). Hanspeter Höllriegl müssen einfach als draufgängerischem und unerschrockenem Helden Lanzelot in seinem silberschimmernden Anzug die Herzen zufliegen, ebenso Andrea Perle, im bloßen Schmuck ihrer herb-zarten Weiblichkeit, überzeugend als Elsa, Tochter des Archivars Charlemagne, von Heinz Schnaiter sympathisch und differenziert interpretiert. Monika Liengitz kann treffend in die Figur des Katers schlüpfen, weich, mollig und schlau. Lorenz Penz wird man den strengen, gehorsamsbereiten Wächter und Kerkermeister durchwegs glauben, die Rollen der zwei Bürger bzw. Lakaien beim Stadtfest sind mit Bernhard Friesacher und Christoph Schrammel gefällig besetzt. Gogo Moser als Bürger und dann als Kaufmann mit Bauchladen verkauft je nach Situation Sonnenbrillen gegen die Drachenblendung, Himmelsspiegel, geköpfte Kartoffeldrachen und schlussendlich „Zukunft“. Nun zu zwei besonderen Rollen: Kurt Benkovic steigert sich zusehends als komödiantische Extremfigur des Ensembles, diesmal als opportunistischer und verrückter Bürgermeister, der jedoch schlau genug ist, die Drachentötung für sich und sein künftiges Präsidentenamt zu reklamieren und dann seinen charakterlosen Sohn (herrlich aktuell an gewisse junge österreichische Politiker gemahnend, lebendig umgesetzt von Arthur Bliem) ins Bürgermeisteramt zu hieven. Eine nicht schwer interpretierbare Parabel zu alten wie derzeit herrschenden politischen Systemen, lebendig und erfrischend mit durchgehendem Drive gespielt. Die kargen, aber klaren Bühnenzitate stammen von Arthur Bliem, Leah Watzdorf sorgte für gelungene und einleuchtende Ausstattung, Jochen Hampel für das Sounddesign und Nicklas Lenz für die tolle Lichtregie. Ein Stück, das man auf keinen Fall versäumen sollte, gespielt wird bis zum 17. März.


Eine Theaterkritik von Peter Teyml

Mehr dazu

Weitere NEWS aus dem Bezirk

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.