Einst Flüchtling, jetzt Polizist
"Es ist, wie wenn man sich selber abschiebt" (mit Video)
Einst flohen seine Eltern mit ihm aus Bulgarien. Heute ist Tontcho Nikov in der Politik und auch als Polizist tätig.
HERZOGENBURG (bw). Es ist 4.00 Uhr früh. Nur das Licht der Straßenlaterne fällt durch das Fenster im Kinderzimmer. Aus dem Nebenzimmer hört man das Schluchzen der Mutter. Sie weiß, welcher Tag heute ist. Sie weiß, dass sie und ihre Kinder geholt werden. Der Bescheid flatterte bereits vor einigen Wochen in ihren Briefkasten. Dann geht es ganz schnell. Jemand läutet Sturm an der Wohnungstür, das Licht im Flur geht an. Das Weinen der Mutter wird lauter und das Kind nimmt ängstlich seinen Teddybär in den Arm. Die Tür wird geöffnet und zwei fremde Menschen in Uniform stehen in seinem Zimmer. "Aufstehen. Abfahrt", hallt es durch den Raum...
Damals: Die Flucht
Es sind Szenen einer Abschiebung, vor der auch die Eltern von Tontcho Nikov bangten. Der heute 33-Jährige war selbst erst zwei Jahre alt, als seine Eltern mit ihm 1989 nach Österreich kamen. "Das war damals ganz wild in Bulgarien. Da sind Leute erschossen worden mitten auf der Straße, da ist gefladert worden, die Machtkämpfe zwischen den Mafias... Deswegen sind meine Eltern geflohen", erläutert Nikov die Beweggründe. In Niederösterreich angekommen, folgte die typische "Asyl-Karriere". "Wir waren zuerst in Traiskirchen. Nach der Erstaufnahme wird man in privaten Unterkünften, die vom Land bezahlt werden, untergebracht. Wir sind nach Kirchberg an der Pielach gekommen. Dann sind wir nach St. Pölten gezogen und beizeiten irgendwann nach Herzogenburg gekommen." Im Jahr 1995 eröffnete die Familie die Pizzeria "Margarita" am Rathausplatz in Herzogenburg, welche 20 Jahre mit Leib und Seele geführt wurde. 1997 erhielten sie die Staatsbürgerschaft.
"Man merkt als Kind den Stress und die Nervosität der Eltern, 'können wir bleiben oder nicht'. Irgendetwas ist da, irgendetwas schwebt immer imaginär über einem." - Tontcho Nikov
Ein wortwörtlich "süßes" Erlebnis ist seiner Mutter bis heute im Gedächtnis geblieben – Nikov erzählt es halb schmunzelnd, halb lächelnd: "Als kleiner Junge stand ich vor einem Schokoladenregal und wollte die vielen Schokoladentafeln umarmen und mitnehmen."
Heute: Polizist und Politiker
Beruflich zog es Nikov zur Polizei. "Mir hat das immer schon gedaugt mit Uniformen und das leicht Militärische, aber das Bundesheer war nie meines. Bei der Polizei kann man sich mehr entfalten, da kann man verschiedenste Sachen machen und diese Vielfalt hat mir gefallen. Natürlich ist es auch von Vorteil wenn man zwei, drei andere Sprachen kann", erklärt der gebürtige Bulgarier. Im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit, musste er auch die Abschiebung von Flüchtlingsfamilien vollziehen. "Es ist, wie wenn man sich selber abschiebt", erklärt Nikov seine Gefühle in solchen Situationen und ergänzt, "Kollegen sagen auch 'Das ist nicht leiwand', vor allem, wenn es Kinder sind. Aber es gibt Gesetze und die vollziehe ich. Das eine ist das Persönliche und das andere ist das, was ich tun muss." Laut Nikov ist es wichtig, Privates und Berufliches voneinander zu trennen um daran nicht zu zerbrechen. Neben seiner Arbeit als Polizist, hat es den 33-Jährigen auch in die Politik getrieben. Auf die Frage nach dem "Warum", antwortet Nikov, der als Sicherheitsgemeinderat fungiert: "Weil alle immer sudern 'die da oben machen was sie wollen' und ich habe mir gedacht, man kann es nur ändern, wenn man selbst in die Politik geht und sich dafür einsetzt, was man selbst für wichtig hält."
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