Als Kind über die Grenze getrieben

"Es hieß, eine Stunde habt ihr Zeit, das Wichtigste zusammenzupacken, dann müsst ihr hinaus", sagt Franz Schaden.
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ST. PÖLTEN (jg). Als erfahrener Alpinist nahm er sogar an einer Erstbegehung in Südamerika teil – Franz Schaden ist ein gestandener Mann. Trotzdem verschlägt es dem heute 75-Jährigen die Stimme, wenn er sich zum Teil mit Tränen in den Augen an die Geschehnisse vor 70 Jahren zurückerinnert. "Die Tschechen wollten vollendete Tatsachen schaffen", sagt der St. Pöltner, "dass die Deutschen außer Landes sind". Er meint damit die Vertreibungen der sogenannten "Sudetendeutschen" aus Südmähren, die unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begannen und im Rahmen des "Brünner Todesmarsches" am 31. Mai 1945 einen ersten traurigen Höhepunkt erreichten.
Schadens Familie besaß in Höflein an der Thaya eine Landwirtschaft mit Fischteichen, Obst- und Weingärten. Schon bevor sie selbst vertrieben wurden, lebten Tschechen in den schönsten Räumen ihres Hauses. "Wir durften im Haus nicht aufs Klo gehen", erinnert sich Schaden. Auch die Toilette im Freien wurde vom tschechischen Familienoberhaupt bewacht. "Ich hatte schon Schmerzen und wollte mich in eine Ecke hinter den Stall setzen, damit ich nicht gesehen werde." Doch es kam anders: Der kleine Bub wurde entdeckt und mit dem Fuß weggetreten – eine Erniedrigung, die in Erinnerung blieb. "Wie kann man das einem Kind antun?", fragt er heute.

Hilfe für "Dahergrende"

Das Haus musste Schadens Familie letztlich am 26. Oktober 1945 zur Gänze räumen. Der Vater noch in Gefangenschaft, die Tante ging nach diesem Tag nur noch "gebeugt", sagt der Pensionist. "Ich vermute, dass sie sich gegen eine Vergewaltigung gewehrt hat und dabei verletzt wurde. Das war nie Thema in der Familie." Eine Stunde bekamen sie Zeit, ehe sie das Haus verlassen mussten. "Zynisch", wie sich Schaden erinnert: "Die Tische mussten neu gedeckt und die Betten neu überzogen werden, damit die neuen Besitzer alles ordentlich vorfinden".
Schließlich wurden die Höfleiner Deutschen in Richtung Grenze getrieben. Vier Kilometer legte der damals Fünfjährige zurück, ehe er die Grenze zu Österreich passierte und in Laa an der Thaya ankam. Hier wurde den Sudetendeutschen zwiespältig begegnet. Die einen bezeichneten sie abwertend als "Daher-grende" – man war nach dem Krieg selbst in einer Notsituation. Andere waren mitfühlend und boten Unterstützung: "Wenn es nicht da und dort Hilfe gegeben hätte, hätten viele nicht überlebt. Sie wären verhungert oder am Seelenschmerz zugrunde gegangen."

"Man verdrängt es auch"

Franz Schaden schaffte es. Er besuchte das Gymnasium und landete als Leiter der Jugendwohlfahrt in St. Pölten. Hier gründete er eine Familie, interessierte sich für seine Herkunft und knüpfte Kontakte zu ebenfalls Vertriebenen. "Wir sahen schnell, dass Bedarf da ist und gründeten 1990 die Sudetendeutsche Landsmannschaft St. Pölten." In der Blüte waren es rund 480 Familien im Großraum St. Pölten, die von dem Verein als Heimatvertriebene erfasst waren. Wie viele Sudetendeutsche hier letztlich eine neue Heimat fanden, kann Schaden, heute Obmann der Landsmannschaft, nur schätzen. Eine frühere Hochrechnung ergab die Zahl von rund 10.000 Personen, die ein ähnliches Schicksal wie Schaden erleiden mussten. "Ganz bringt man diese massiven Eingriffe in das Leben nicht weg", sagt er. "Man verdrängt es auch."

"Es hieß, eine Stunde habt ihr Zeit, das Wichtigste zusammenzupacken, dann müsst ihr hinaus", sagt Franz Schaden.
Franz Schaden blättert in Fotos, die Gedenkfeiern der Sudetendeutschen Landsmannschaft zeigen.

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