Volkshochschule Ötztal: Kirche und Politik

Politische Bildung einmal andres: statt theoretisch über politische Systeme wie Parlament. Landtag oder EU zu philosophieren, wagten sich die Diskutanten am Podium und im Publikum am 21 Mai 2014 im Pfarrsaal in Oetz an eine praktische politische Fragestellung, das derzeit sowohl kirchennahe als auch kirchenkritische Menschen in Österreich beschäftigt: Soll die Kirche in öffentlichen politischen Debatten Stellung nehmen oder sich eher im Hintergrund halten? Die mehr als zweistündigen Podiums- und Publikumsdiskussion im ausgebuchten Saal machte deutlich, dass es keine einfache Antwort auf die scheinbar einfache Frage. So machte Bischof Manfred Scheuer deutlich, dass die Kirche weder die Aufgabe noch die Mittel habe, alle politischen und gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Das bedeute aber nicht, dass Kirche nicht tief in die Gesellschaft wirke: „Religion umfasst im Leben des Menschen mehrere Dimensionen. Sie wirkt bis tief in den psychischen Bereich hinein, indem sie hilft persönliche Situationen zu meistern und Trost und Hoffnung geben kann. Der persönliche Glaube jedes Menschen hat aber auch eine gesellschaftliche Dimension, weil er gemeinschaftsbildende Prozesse in Gang setzt und einwirkt in das gesellschaftliche Bewusstsein, in dem es um Werte und Wege der Lebensgestaltung in der Öffentlichkeit geht“. Landtagspräsident Herwig van Staa führte aus, dass unter dem Begriff Politik sehr Verschiedenes verstanden werde: „Eine eher allgemeine Definition lautet: Politik ist das auf die Gestaltung des Zusammenlebens der Menschen ausgerichtete, planmäßige und organisierte Handeln“. Auch in der Politik werden Interessen verfolgt, kommen Grundwerte, Grundanschauungen von Menschen und Gesellschaft zum Tragen, wird das gesellschaftliche Leben geordnet und erneuert. Die Politik schafft die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche, kulturelle, soziale und religiöse Aktivitäten. Volkshochschul-Geschäftsführer Ronald Zecha vermutete, dass es Institutionen wie die der Kirche nur schwer möglich ist, nicht Flagge zu zeigen. Bereits Papst Bonifazius VIII hatte im angehenden 14. Jahrhundert den auch heute noch gebräuchliche Stehsatz formuliert, dass derjenige, der schweigt, zuzustimmen schein, vor allem dort, wo er widersprechen hätte können und sollen. „Für mich stellt sich weniger die Frage, ob die Kirche Flagge zeigen soll, sondern eher wie“, meinte Zecha. Vor diesem Hintergrund müsse man nachdenken, ob es wirklich notwendig sei, dass sich kirchliche Amtsträger in jede oberflächliche mediale Debatte hineinziehen lassen müssen oder ob die Kirche als langfristig arbeitende Institution nicht vielmehr andere Instrumente wie Bildung, aufsuchende Kommunikationsarbeit und Seelsorge, die durchaus auch von den Angehörigen der Ortskirchen getragen werden können, bevorzugen sollte. Zufrieden zeigten sich die Leiter der Volkshochschule Ötztal, Dominik Schrott und Patricia Spormann-Wippler. Der große Zulauf, die engagierte Diskussion und der inhaltliche Tiefgang der Veranstaltung zeige, dass die Volkshochschule als Plattform für inhaltliche politische Bildung eine wichtige Aufgabe erfülle. Durch das Aufgreifen von Themen, die die Menschen beschäftigen, werde die Volkshochschule Ötztal auch in Zukunft gezielt zu Beschäftigung mit spannenden gesellschaftspolitischen Themen einladen.

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