Wir müssen alle Techniken der Energiegewinnung nutzen

Durnwalder Platter2 | Foto: Foto: Zanon
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Luis Durnwalder und Günther Platter bekennen sich im Bezirksblätter-Exklusivinterview zur Wasserkraft, wollen aber auch Pläne für einen Windpark am Brenner reaktivieren

Im Rahmen einer zwanglosen Wanderung fand ein spannender Gedankenaustausch der Tiroler Landeshauptleute Luis Durnwalder und Günther Platter statt. Im Dialog der Landeschefs ging es um eine gedeihliche Zukunft der Tiroler Landesteile.

BEZIRKSBLÄTTER: Die großen Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der Erhebung Tirols sind vorbei. Wo sehen Sie die Schwerpunkte der Zusammenarbeit der Landesteile in den nächsten Jahrzehnten?

Luis Durnwalder: Es ist im heutigen Europa schwer zu sagen, was in den nächsten Jahrzehnten passiert. Es wird sich auch im Europa der Regionen einiges tun, obwohl man sich primär auf Nationalstaaten ausgerichtet hat. Wenn die Regionen mehr an Bedeutung gewinnen würden, bin ich überzeugt, die Europaregion Tirol kann auch Verwaltungsaufgaben auf europäischer Ebene übernehmen. Dann würde auch das Selbstbestimmungsrecht einen Zweck haben und eine konkrete Anwendung finden, wenn Verwaltungseinheiten gebildet werden könnten, die unabhängig von der Staatszugehörigkeit arbeiten können. Was wir aber heute tun können, zeigt sich in den gemeinsamen Sitzungen der Landtage. Der Landtag wird am 29. Oktober die juristische Voraussetzung schaffen, gemeinsame Verwaltungsstrukturen zu ermöglichen. Wir als Landesregierungen müssen darauf aufbauen. Als Beispiel fällt mir eine Behörde ein, die sich mit der Sicherheit auf den Straßen beschäftigt in Südtirol, in Nordtirol und im Trentino. Warum brauchen wir drei verschiedene Ämter? Auch im Schulbereich gibt es eine Menge Möglichkeiten. Bis hin zur Helmpflicht auf den Skipisten. Wir haben auch vereinbart, ein gemeinsames Büro einzurichten.

Günther Platter: Ich sehe das gleich wie mein Freund Luis. Beim Festumzug hat man gesehen, was alles machbar ist. Jetzt geht es darum, die nächsten Schritte zu setzen. Jetzt ist es notwendig, dass wir uns als Europaregion Tirol aufstellen. Für die EU wird es besonders wichtig, auf die Regionen zu setzen. Da geht es auch um die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union. Deshalb ist die Autonomiefrage besonders wichtig. Was das gemeinsame Büro betrifft, kann ich mir durchaus vorstellen, dieses in Bozen einzurichten. Wir brauchen eine solche Einheit, in der die notwendige alltägliche Arbeit gemacht wird. Dort werden Themen erledigt. Mir wäre auch der Gesundheitsbereich wichtig. Von der Prävention bis hin zum gemeinsamen Medikamenteneinkauf oder zur Reha. Wie auch die Energiefrage. Man muss hier aber geduldig bleiben. Auch was den Brennerkorridor betrifft, stehen uns wichtige Schritte bevor. Hier wird an einem gemeinsamen Umweltmonitoring gearbeitet.

BB: Ist es vorstellbar, ein gemeinsames Nord-, Ost-, Süd- und Welschtiroler Straßenbauamt einzurichten?

Günther Platter: Ich kann mir vieles in dieser regionalen Richtung vorstellen. Man muss nur immer schauen, in welchen Abschnitten was umgesetzt wird und wo die Prioritäten liegen. Besonders in unserem gemeinsamen Büro sehe ich eine große Chance. Von dort heraus sollen sich viele Dinge entwickeln. Im Forschungsbereich haben wir riesige Möglichkeiten.

Luis Durnwalder: Es geht nicht darum, schnell ein gemeinsames Straßenbauamt einzurichten. Aber die Forschung, die Mate­r­ialforschung und Ähnliches können eben gemeinsam erledigt werden. Es muss nicht an drei verschiedenen Stellen das warme Wasser erfunden werden. Hier geht es um eine Bündelung der Gelder, wie wir es zum Beispiel auf dem Gesundheitssektor schon machen.

Günther Platter: Ein Bereich der mir besonders wichtig ist, bleibt die sprachliche Komponente. Hier muss ein entsprechender Schüleraustausch stattfinden. Es ist wichtig, die Sprache des Nachbarn zu verstehen.

Luis Durnwalder: Es wird Dinge geben, die bilateral zu lösen sein werden und einige, bei denen alle drei Länder kooperieren müssen. Zum Beispiel das Thema Almen. Die gibt es nur in Nord- und Südtirol und eben nicht in Trient.

Günther Platter: Das ist der Punkt. Wichtig ist nur, dass man nach diesem Gedenkjahr sagen kann, man hat mittel- und langfristig daran gearbeitet, die Landesteile einander wieder näher zu bringen.

Luis Durnwalder: Man hat zum Beispiel 1984 viele Partnerschaften zwischen Nord- und Südtiroler Gemeinden angeregt. Ich habe in den letzten Wochen dabei sein dürfen, wie Kals und Marling eine gemeinsame Aktion gestartet haben. Diese und andere Partnerschaften zeigen, wie der Impuls von 1984 nachwirkt.

BB: Das heißt, die Gemeinsamkeiten der Landesteile werden nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch auf Bürgerebene gelebt?

Günther Platter: Ja, natürlich. Ich kann mich noch gut an meine Zeit bei der Musikkapelle Zams erinnern. Wir haben unsere Ausflüge immer in Tramin verbracht. Es war einfach naheliegend, nach Südtirol zu fahren und dort die alten Freundschaften zu pflegen. Das hat uns alle näher zusammengeführt. Diese Partnerschaften sind entscheidend.

Luis Durnwalder: Ich bin der festen Überzeugung, wir werden diese Aktivitäten noch mehr unterstützen müssen. Wenn nur wir Politiker uns treffen, reicht das nicht. Die Zusammenarbeit ist erst dann da, wenn die Leute sehen, was möglich ist.

BB: Wie weit geht diese Zusammenarbeit auf dem Energiesektor? Wie weit ist der Zusammenschluss der Strom- und Gasleitungen gediehen?

Luis Durnwalder: Jetzt bringen wir die Sache endlich zustande. Vor zwei Wochen war eine hochrangige Delegation der TERNA bei mir in Bozen, weil sie gehört hatten, dass Nord- und Südtirol diesen Lückenschluss forcieren. Das möchte auch Rom. Allerdings wissen die Verantwortlichen, dass dies nicht möglich ist ohne unsere Zustimmung. Wir bräuchten ja keinen einzigen zusätzlichen Masten bauen. Weder am Brenner noch in Innichen und auch nicht am Reschen. Ich bin überzeugt, in nächster Zeit eine Lösung zustande zu bringen. Weil so ein Lückenschluss nicht nur von Tiroler Interesse ist. Das Gleiche gilt für die Gasleitungen. Wir werden derzeit über Triest und von Süden her versorgt, während Österreich von russischem Gas abhängig ist. Wir haben hier nicht lange geredet und nähern uns schon seit geraumer Zeit mit unseren Leitungen.

Günther Platter: Wir sehen ja immer wieder um die Weihnachtszeit Probleme, die Gasversorgung betreffend, auf uns zukommen. Ganz Europa hat da Probleme. Und deshalb ist es sinnvoll, Achsen zu bilden, die dieser Abhängigkeit entgegenwirken. An einer weiteren Eigenständigkeit auf dem Energiesektor muss gearbeitet werden.

Luis Durnwalder: Das sind konkrete Dinge. Ich bin überzeugt, in den nächsten zwei Jahren die Lücken zu schließen. Wir haben bereits gemeinsame Gesellschaften und das könnte ich mir auch im Stromproduktionssektor vorstellen.

BB: In Nord- und Osttirol gibt es schon seit Jahren Pläne, zusätzliche Wasserkraftwerke zu bauen. Wie lange soll es noch dauern, bis die Bagger auffahren?

Günther Platter: Meine diesbezüglichen Äußerungen sind klar und unmissverständlich. Es kann nicht sein, dass wir über Jahre hindurch über Kraftwerksbau reden und nichts davon zu spüren ist. Gleichzeitig weiß ich, es ist viel im Entstehen so wie zum Beispiel das Grenzkraftwerk Oberer Inn, GKI oder der Spulersee. Weiters denke ich an das Kraftwerk Telfs oder das Projekt in Matrei hier geht sehr wohl was weiter. Ich orte allerdings, dass man an Tempo gewonnen hat. Mein Druck wird in dieser Sache sicher nicht weniger. Keiner will Atomkraftwerke. Deshalb baue ich auf Wasserkraft und andere alternative Energieformen. So wie im Burgenland auf Wind gesetzt wird, ist unsere Stärke die Wasserkraft. Ich möchte nicht in jedem Tal einen Stausee bauen. Aber da und dort muss das schon möglich sein.

BB: Wie schaut es diesbezüglich in Südtirol aus?

Luis Durnwalder: Wir wissen ganz genau, dass Öl und Gas dem Ende zu gehen auch wenn die Reserven noch 100 Jahre reichen.

Deshalb ist unser Ziel bis 2013 ganze 75 % unseres Energiebedarfs mit erneuerbaren Energieformen abzudecken.

2020 soll Südtirol energieautark sein. Zudem soll der Brennerkorridor über mehr Angebote mit alternativen Energieformen verfügen. Das ist ein hochgestecktes Ziel, dessen sind wir uns bewusst. Das ist auch einer unserer gemeinsamen Tagesordnungspunkte wie auch die Errichtung eines Windparks am Brenner.

Günther Platter: Deshalb wäre es falsch, die Energiefragen auf das Thema Wasserkraft zu reduzieren. Wenn man autark sein will, müssen alle Möglichkeiten genutzt werden.

BB: Soll dieser Windpark auf Südtiroler Landesgebiet entstehen?

Günther Platter: Auf beiden Seiten. Wir müssen auf mehrere Bereiche schauen. Wir möchten alles, was machbar ist, so umweltbewusst wie möglich gestalten.

Interview: Karl-Heinz Zanon

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