Von kleinen Vögeln und großen Tieren

Überzeugen als Frau Amsel und bunter Vogel Johann: Priska Terán Gómez und Jakob Leonhard | Foto: Kühne Bühne
  • Überzeugen als Frau Amsel und bunter Vogel Johann: Priska Terán Gómez und Jakob Leonhard
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Das Kinderstück „Die kleinen Vögel“ von Kühne Bühne im Freien Theater Innsbruck zeigt einfach und anschaulich, dass Zäune ganz schnell zu Gefängnissen werden.

Damit sie in den Medien und auch sonst gut rüberkommen mit ihren vermeintlichen Botschaften, pflegen sich Parteien und Politiker meist irgendwelche Berater und Spin Doktoren zu holen. Die hämmern ihren Klienten dann ein, ihre Inhalte möglichst so zu formulieren, sodass sie ein jeder Dodel noch versteht. (Okay, Dodel würden sie offiziell natürlich nicht sagen.) Nun, man könnte besagter Politklientel natürlich auch nahelegen, ihre politischen Lösungsansätze immer so durchzudenken und zu formulieren, dass diese sogar für Kinder nachvollziehbar sind. Schließlich werden die die Wirkung so mancher politischer Entscheidung dann am eigenen späteren Erwachsenenleib zu spüren bekommen. Das mit den Kindern haben sie vermutlich eher selten bis gar nie im Auge, weshalb einen nach dem Besuch des Kinderstückes „Die kleinen Vögel“ im Freien Theater Innsbruck plötzlich die natürlich aberwitzige Idee befällt, Europas Spitzenpolitiker doch lieber mal kollektiv in so ein Kinderstück zu schicken. Vielleicht ginge ihnen dann ein Licht auf.

Den Kindern und ihren erwachsenen Begleiter/innen war jedenfalls ziemlich schnell klar, dass so ein frisch aufgezogener Zaun einen ganz schnell einsam macht. Und ab einem gewissen Zeitpunkt will selbst dem fidelen Vogel Johann die Vorstellung, dass die Beerenvorräte für ihn und Madame Amsel vermutlich ewig halten werden, nicht mehr wirklich gefallen. Wer möchte in so einer stillen Einöde schon ewig leben. Denn davor war der Wald ein krächz- und zwitscher-lebendiger Ort. Aber die anderen Vögel, die im Dauerregen im Wald und unter den Bäumen Schutz suchten, waren natürlich erst mal eine akute Gefahr für das Beerenversteck von Madame Amsel. Ihre Argumentation kam einem ebenfalls reichlich bekannt vor: „Das brauchen wir alles für uns, uns, uns, uns“, schreit sie. Genau. Jakob, ihren rockenden Vogelfreund kann sie davon freilich nicht überzeugen. Er macht zwar zunächst noch mit, aber ein Leben so ganz allein hinterm Zaun findet er öd. Auch das Vogelhochzeitslied vermag ihn nicht mehr wirklich aufzumuntern. „Wir können ja gar kein Fest mehr feiern“, meint er, „wir haben doch alle ausgesperrt.“

Als sie schließlich kleine Vogelküken schreien hören, will er nicht mehr länger im Zaungefängnis bleiben und macht seiner Amselfreundin klar, dass die Kleinen da draußen womöglich verhungern, wenn ihre Vogelmutter nichts mehr für sie findet. Nun, es gelingt ihm tatsächlich, ihr Herz zu erweichen und sie zu beruhigen. „Wir geben genau so viel, dass uns selbst noch genug bleibt.“ Und so verteilen Amsel und Johann zuletzt ihre (Gummi-)Beeren an alle Kinder im Publikum. Selbst wenn ihr Deutsch vermutlich und sprichwörtlich noch in den Kinderschuhen steckte, diese Botschaft haben auch die afghanischen Flüchtlingskinder in der ersten Reihe begriffen. Sie, die die ganze Zeit aufmerksam und still dagesessen waren, standen zuletzt ebenfalls auf, um sich ihre Gummibärlis abzuholen. Mit „Die kleinen Vögel“ von Karsten Rühl hat Kühne Bühne jedenfalls nicht nur ein zeitgemäßes Kinderstück, sondern ein regelrechtes Lehrstück über die derzeitige politische Situation auf die Bühne gebracht. Priska Terán Gómez und Jakob Leonhard zeigen in Alexander Sackl stringenter Regie und Lisa Überbachers raffiniert einfachem Bühnenbild als Amsel und bunter Vogel Johann überaus eingängig, dass man mit ein wenig liebevollem Beistand von der richtigen Seite jederzeit über die eigenen Bretter vorm Kopf springen kann.

Wo: Freies Theater Innsbruck, Wilhelm-Greil-Straße 23, 6020 Innsbruck auf Karte anzeigen
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