Krimi & Thriller
Andrea Nagele: "Angstlust sorgt für den Nervenkitzel"

Autorin Andrea Nagele lebt und arbeitet in Klagenfurt und Grado. Sie hat zwei Thriller, zehn Krimis und einen Reiseführer für Klagenfurt und den Wörthersee geschrieben | Foto: Barbara Essl
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  • Autorin Andrea Nagele lebt und arbeitet in Klagenfurt und Grado. Sie hat zwei Thriller, zehn Krimis und einen Reiseführer für Klagenfurt und den Wörthersee geschrieben
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Psychoanalytische Einblicke in die Seele von Mördern und Ermittlern machen Andrea Nageles Bücher unwiderstehlich. Die Klagenfurter Autorin und Psychologin spricht mit uns über die Faszination von Mord & Totschlag.

Wie haben Sie privat, als Psychologin und als Autorin die Pandemiezeit erlebt?
Ich gehe seit Beginn der Pandemie viel mehr spazieren als davor, ich nehme alles um mich noch bewusster wahr. Meine Therapiestunden habe ich vorwiegend in die virtuelle Ordination verlegt, was den meisten Patienten ohnehin viel lieber ist als mit Maske auf der Couch zu sitzen, weil wir auf diese Art die Reaktionen des anderen besser sehen und einschätzen können. Noch dazu kommt, dass viele Menschen, die sonst nicht sonderlich ängstlich sind, eine richtige Coronaphobie entwickelt haben. Für mich war es keine große Umstellung, da ich auch schon vor der Pandemie mit Patienten aus der Schweiz, Deutschland, Frankreich oder den anderen österreichischen Bundesländern via Skype die Sitzungen hatte. Als Autorin und Italien-Liebhaberin war es natürlich schwierig. Einerseits die Recherche für „Grado in Flammen“ und andererseits, weil ja keine Veranstaltungen, Buchpräsentationen und Lesungen stattgefunden haben. Ich bin von Kindesbeinen an mit der Stadt verbunden, mein Ehemann und ich haben seit 20 Jahren eine Wohnung in Grado.

Wie haben Sie für den aktuellen Krimi „Grado in Flammen“ recherchiert?
Meine Freunde in Italien haben mich unglaublich engagiert dabei unterstützt. Daher habe ich dieses Buch auch ihnen gewidmet.

Warum sind Krimis und Thriller so beliebt?
Vielleicht hängt es mit der Angstlust zusammen. Weil es nicht einen selbst betrifft, kann man das Geschehene aus einer gewissen Distanz betrachten. Ein Beispiel: Wenn einer Mutter ein Kind gestohlen wird, kann diese Mutter sicherlich kein Buch, das diese Tat thematisiert, lesen. Aber eine Mutter, die das nicht erlebt hat, hat diese realen Ängste nicht, sie ist fasziniert von dem Thema, weil es sie nicht selbst betrifft. Wir sehen uns ja auch Bergunglücke, Flugzeugabstürze, Vulkanausbrüche und Ähnliches an und denken uns: Gott sei Dank ist das weit weg.

"Grado in Flammen" ist der 6. Band der Grado-Reihe | Foto: Emons Verlag

Was fasziniert Sie als Autorin mehr – die Tat oder die Aufklärung?
Mein Alleinstellungsmerkmal ist meine psychoanalytische bzw. tiefenpsychologische Herangehensweise. Für mich ist es interessanter, die Psychodynamik einer Figur zu verstehen und so zu erkennen, warum jemand mordet. Mir ist es auch immer wichtig, die Persönlichkeit der Kommissare zu ergründen. Der Kärntner Ermittler Simon Rosner ist etwa trockener Alkoholiker, die italienische Kommissarin Maddalena Degrassi ist privat durch die Hölle gegangen.

Steckt in jedem von uns ein Mörder?
Ich würde es anders formulieren: Jeder von uns hat Anteile, bestimmte Ereignisse unterschiedlich zu verarbeiten. Es kann also sein, dass jemand etwas Schreckliches erlebt und trotzdem nicht zum Dolch greift, weil so viele verschiedene Abwehrmechanismen in uns arbeiten. Im Buch zwei und drei der Grado-Reihe geht es um Vergewaltigung und die Opfer gehen unterschiedlich damit um. Eine Frau bringt sich um, eine will nicht darüber reden und die andere macht eine Therapie und es geht ihr mit der Zeit besser.

Wie viele Geschichten Ihrer Patienten verarbeiten Sie in den Büchern?
Sehr viele Protagonisten erleiden Verluste, haben posttraumatische Belastungsstörungen, bipolare Erkrankungen, erleben Gewalt an Frauen – alles absolut reale Themen, die auch in der realen Welt viele Menschen betreffen. Aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass bisher kein einziger meiner Patienten in meinen Büchern vorgekommen ist. Bei einer Lesung ist aber ein Mann auf mich zugekommen und hat gesagt, er würde so gerne in einem meiner Bücher vorkommen, auch wenn es nur als Leiche wäre. Das war eine sehr lustige Szene.

Ende August erscheint der zweite Top-Titel - ein Thriller - der Kärntner Autorin | Foto: Emons Verlag
  • Ende August erscheint der zweite Top-Titel - ein Thriller - der Kärntner Autorin
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Einige Ihrer Bücher haben aber autobiografische Anteile?
In „Grado im Dunkeln“ habe ich die Szene mit dem liegengebliebenen Auto mitten in der Nacht tatsächlich so erlebt. Eine Bekannte und ich sind auf der Heimfahrt von einer Präsentation im Tunnel gestrandet. Es war schrecklich. Ein rumänischer Lkw-Fahrer, dem ich das Buch auch gewidmet habe, hat uns geholfen. In „Tod am Kreuzbergl“ verarbeite ich eine Geschichte, die sich in der Schule meiner Tochter zugetragen hat. „Du darfst nicht sterben“, mein Top-Titel, also ein Ausreißer aus den Krimi-Reihen, hat autobiografische Aspekte. Meine Mutter war eigentlich schwanger mit Zwillingen, einen hat sie aber frühzeitig verloren, das andere Baby war ich. Ich wusste allerdings nichts davon. Erst als ich angefangen habe, mich intensiv mit dem Thema Zwillinge zu beschäftigen, Zwillingsromane wie „Hanni & Nanni“ verschlungen habe, hat sie es mir erzählt. Das Thema begleitet mich mein ganzes Leben – meine beste Freundin ist ein eineiiger Zwilling, ich habe einige Zwillinge als Patienten.

Ist ein Buch jemals anders ausgegangen als geplant?
Manchmal erkenne ich im Schreiben, dass die Geschichte eine Eigendynamik entwickelt, ich sie nicht so erzählen kann, wie ich es mir ausgedacht hatte. Ich bin ständig im Dialog mit meinen Figuren. Und einer der Grado-Romane ist tatsächlich anders ausgegangen. Ich wusste während des Schreibprozesses nur, wer nicht der Mörder ist.

Welche Bücher können wir heuer noch erwarten?
Mein zweiter Top-Titel erscheint Ende August und heißt „Sag mir, wen du hörst. Sag mir, wen du siehst. Sag mir, wer du bist“. Es ist mein zweiter Thriller. Im September habe ich Abgabetermin für den nächsten Grado-Krimi. Und ich habe die große Ehre, für meinen Verlag den Weihnachtsthriller 2022 zu schreiben.

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