Primar Likar - neues Buch
"Man kann nur sterben, wenn man gelebt hat"

Primar Rudolf Likar, Abteilungsvorstand der Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt | Foto: Kabeg
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  • Primar Rudolf Likar, Abteilungsvorstand der Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt
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"Es lebe der Tod". Am Freitag erschien das neue Buch von Primar Rudolf Likar. Die WOCHE bat den Mediziner zum Interview.

Herr Primar, Ihr neues Buch, welches Sie zusammen mit Ihren Kollegen Georg Pinter, Herbert Janig, Thomas Frühwald und Karl Cernic verfasst haben, nennt sich „Es lebe der Tod“. Was waren die Beweggründe, dieses Buch zu schreiben?

Rudolf Likar: Ich bin über Jahrzehnte mit dem Ende des Lebens konfrontiert. Sowohl als ehemaliger Notarzt und jetzt im intensivmedizinischen und im palliativen Bereich. Uns ist es ein Anliegen, den Tod nicht zu anonymisieren. Der Tod ist mitten unter uns. Man kann nur sterben, wenn man gelebt hat. Deshalb nennt sich das Buch auch „Es lebe der Tod“. Wenn ich nie gelebt habe, kann ich auch nicht sterben.

Der Tod gilt als Tabuthema, warum?
In brutalen Filmen oder Videospielen ist der Tod kein Tabuthema mehr. Aber das hat mit dem realen Sterben nichts zu tun. Das reale Sterben ist verdrängt worden. Ein Großteil der Menschen stirbt im Krankenhaus und in Pflegeheimen. 95 Prozent der Menschen wünschen sich jedoch, zuhause zu sterben. Es ist also genau anders herum.

Warum ist das so?
Mit den Angehörigen wird zu wenig über den Tod gesprochen. Sterben sollte man überall können. Viele Menschen würden normal einschlafen, wenn sie nicht ins Krankenhaus kommen. Wir haben einen Fehler: Wir haben den Tod zu einer medizinischen Diagnose gemacht, als ob man immer einen Arzt beim Sterben braucht. In vielen Situationen, wo mein Leben erschöpft ist, brauche ich keinen Arzt, da kann ich einfach einschlafen. Aber nachdem die Angehörigen Angst haben, schicken sie die Menschen in der letzten Phase des Lebens ins Krankenhaus, anstatt zu akzeptieren, dass man auch zuhause einschlafen kann.

Darauf muss man sich als Angehöriger jedoch vorbereiten.
Deshalb muss man den Tod bei den Angehörigen ansprechen und ihnen sagen, dass der Mensch sterben kann und sie nichts falsch machen können. Jeder Hausarzt hat die Aufgabe, mit den Angehörigen zu reden. Wenn jemand alt ist, dann kann er auch zuhause einschlafen. Die Menschen haben immer Angst, ob sie was falsch machen können. Da sage ich „nein“: Wenn man sterbenskrank ist, können wir den Menschen auf der Intensivstation auch nicht mehr retten, weil es kein Therapieziel mehr gibt. Ich kann da keine Intensivtherapie mehr beginnen. Ich sage den Angehörigen: Das Einzige, das sie machen können, ist, den Lebenswunsch ihres Angehörigen zu erfüllen.

Hilft Spiritualität in der Vorbereitung?
Das muss jeder für sich entscheiden. Ich bin überzeugt, dass es so einen Übergang gibt, die Seele weiterleben wird. Jeder sollte bewusst seinen Fußabdruck hinterlassen.

Die Hilfestellung zum Suizid ist künftig erlaubt. Das Thema Sterbehilfe ist ebenso Teil Ihres Buches. Wie sehen Sie das Thema?
Wie wir jetzt versuchen, den Menschen vor dem biologischen Virus zu schützen, müssen wir versuchen, die vulnerablen Gruppen vor dem geistigen Virus des assistierten Suizids zu schützen. Wenn wir als Gesellschaft funktionieren, dann wird der assistierte Suizid die Ausnahme bleiben. Die Entscheidung ist ein Ausdruck einer selbstbestimmten Generation, wobei viele Menschen das Leid nur vom iPad kennen.

In der Einladung zur Buchpräsentation heißt es „Sterbende weinen am Ende nie“. Wie ist dies zu verstehen?
Wenn man mit ihnen alle Dinge besprochen hat, die Ängste nimmt, dann schlafen sie friedlich ein. Es gibt natürlich Menschen, die bis zum Schluss eine Aggressionsphase haben. Aber am letzten Tag ist es ein friedliches Hinübergleiten. Die Angst vor dem Tod gibt es, weil wir als Gesellschaft oft nicht in der Lage sind, den Tod als Thema anzusprechen. Man sollte auch die Medizin nicht nur auf die Reparaturmedizin beschränken, jeden schön machen mit Ganzkörper-Botox. Wir Mediziner müssen mit den Menschen genauso über den Tod sprechen und nicht nur darüber, wie man körperlich jünger werden kann, obwohl der Geist dennoch alt wird.

Primar Rudolf Likar, Abteilungsvorstand der Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt | Foto: Kabeg
"Es lebe der Tod – Tabuthema Sterben". Erscheint im Ueberreuter-Verlag, 192 Seiten, mit Bildern von Valentin Oman. Preis: 25 Euro. Ab 17. September im Buchhandel erhältlich.  | Foto: Privat

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