Petzner zu Politverhandlungen
"Ein Pokerspiel, in dem es um alles geht"

Stefan Petzner zum Sondierungspoker: "Kaiser soll Gleichgewicht des Schreckens herstellen." | Foto: Privat, stock.adobe.com
  • Stefan Petzner zum Sondierungspoker: "Kaiser soll Gleichgewicht des Schreckens herstellen."
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Nach der Landtagswahl laufen die Sondierungsgespräche in Kärnten auf Hochtouren. Der PR-Berater und Ex-Politiker Stefan Petzner im Interview über den Polit-Poker. Wer hat die besten Karten? Wie funktionieren Bluffs? Und: Warum der ehemalige Pressesprecher von Jörg Haider eine rot-blaue Koalition für gangbar hält.

Herr Petzner, Regierungsverhandlungen als Pokerspiel. Wie hoch ist der Einsatz?
Stefan Petzner: Es ist ein Pokerspiel, in dem es um alles geht. Beim Pokerspiel geht es darum, Geld zu gewinnen, beim Pokern in der Politik geht es um Ressorts, Macht und Posten. Während Sondierungsverhandlungen einen generellen Überblick über Gemeinsames und Trennendes bieten sollen und geklärt wird, ob es überhaupt eine gemeinsame Basis für eine Koalition gibt, geht der Poker bei den Koalitionsverhandlungen erst richtig los. Je höher der Einsatz, umso angespannter die Teilnehmer, je näher das Ende der Verhandlungen heranrückt, um so enger wird es, desto mehr steht alles auf der Kippe. Denn jeder versucht, gerade auf den letzten Metern noch einmal alles herauszuholen. Erschwerend kommt hinzu, dass offene Streitpunkte ebenso wie Personelles erst ganz zum Schluss verhandelt werden - meistens direkt von den Spitzen beider Parteien. Eine Art Duell Mann gegen Mann. Und weil immer wieder die so genannten „Sideletter“ kritisiert werden: Die finden sich de facto bei allen Regierungen und Koalitionen wieder. Sideletter dienen dem Zweck heimliche Deals und Postenverteilungen, aber auch Regeln für die Zusammenarbeit schriftlich und für beide Seiten bindend festzulegen. Meistens wird so ein Sideletter von den Chefs der jeweiligen Parteien persönlich unterfertigt und dann versteckt, nicht selten in einem Tresor, wie ich es schon erlebt habe. Kurzum: In einem Sideletter stehen all jene Dinge, die nicht an die Öffentlichkeit dringen sollen und daher auch nicht im offiziellen Regierungsprogramm zu finden sind.
 
Wer hat Ihrer Meinung nach die besten Karten?
Wenn man es mit 2018 vergleicht, dann hat jetzt die ÖVP die besseren Karten. Kaiser steht schwer unter Druck. Gruber hat einen Trumpf im Ärmel, um sich durchzusetzen: Er kann Kaiser jederzeit mit seiner Abwahl als Landeshauptmann drohen - durch eine Dreier-Koalition von ÖVP, FPÖ und Team Kärnten. Nach dem Motto: Wenn du nicht mitspielst und ich nicht bekomme, was ich will, erinnere ich dich daran, dass wir auch eine Mehrheit gegen dich bilden können, um dich als Landeshauptmann abzusetzen. Das kann alles schneller gehen, als man denkt. Wenn es um die Macht geht, geht es wirklich ans Eingemachte, wo beide Seiten bis ans Äußerste gehen und dabei vor nichts zurückschrecken.
 
Wie gewichtig ist der Wählerwillen in solchen Verhandlungen?
Der Wählerwille ist entscheidend. Jeder versucht genau jene Ressorts zu bekommen, die man braucht, um seine Wahlversprechen umzusetzen und das Maximale für seine Wählerschichten herauszuholen. Hinzu kommt, dass jeder um so viel Budget-Geld als möglich feilscht. Denn wer mehr Geld hat, kann mehr umsetzen. Nennen wir ein Beispiel: Gruber hatte zuletzt das ländliche Wegenetz inne. Das ist ein ganz schwieriges Ressort, ein ständiger Infight mit in den Gemeinden. Denn jede Gemeinde will die bestmöglichen Wege und Straßen im Ort haben und das Maximum an Straßensanierungen einheimsen, um alles in Top-Zustand zu halten und Rumpelpisten wieder besser befahrbar zu machen. Wenn Gruber es Kraft seiner Stimmengewinne und als Wahlsieger schafft, deutlich mehr Geld fürs ländliche Wegenetz zu bekommen, kann er auch deutlich mehr fürs ländliche Wegenetz tun und die zahllosen Wünsche der Gemeinden besser erfüllen, was wiederum mehr Zufriedenheit und Zustimmung für ihn und seine Politik bringt. 
 
Wie wichtig wird das Thema „Flughafen-Rückkauf“ in den Gesprächen sein?

Für mich ist die Aufregung um den Flughafen unverständlich. Ich glaube nicht, dass das ein großes Wahlmotiv war. Das interessiert vielleicht die Klagenfurter, die Pendler, die nach Wien fliegen, aber Massenthema ist das nicht. Einer Bäuerin im hintersten Lavanttal interessiert der Flughafen Null Komma Null. Oftmals werden gerade heikle, umstrittene Themen wie der Flughafen in einem Regierungsprogramm nur vage festgeschrieben, in etwa so, dass man sich darauf verständigt, eine zeitnahe gemeinsame Entscheidung über die Zukunft des Flughafens zu treffen, dabei aber bewusst völlig offen gelassen wird, in welche Richtung die Entscheidung fallen soll.

Wie sieht es mit dem Bluffen in solchen Verhandlungen aus?
Der Bluff gehört immer dazu. Etwa die Drohung mit einer Dreier-Koalition aus Blau-Schwarz-Gelb. Die wirkliche Wahrscheinlichkeit dafür ist eher gering, aber sie ist gegeben. Kaiser könnte dem die Alternative Rot-Blau gegenüberstellen, womit er Gruber den Wind aus den Segeln nehmen würde, um ein Gleichgewicht des Schreckens herzustellen. Er wäre insofern gut beraten, die Option Rot-Blau nicht im Vorhinein auszuschließen, sondern der ÖVP und der medialen Öffentlichkeit klar zu machen, dass Rot-Blau für ihn eine ernsthafte und mögliche Alternative mit guten Chancen zu Rot-Schwarz darstellt.
 
Würden Sie eine rot-blaue Koalition für möglich halten?
Ich denke, dass Peter Kaiser und Erwin Angerer gut zusammenpassen würden. Sie sind sich in ihrem Politikstil nicht unähnlich, beide sachorientiert, ruhig, keine Schreier. Was viele vergessen: Kaiser war schon einmal Teil einer Koalition zwischen Freiheitlichen und Sozialdemokraten, er war Klubobmann in der „Chianti-Koalition“. Sein Gegenüber war damals Kurt Scheuch, das zeigt: Alles geht, wenn es muss. Die beiden sind so weit voneinander entfernt, wie der Nordpol vom Südpol, aber sie haben trotzdem sehr gut zusammengearbeitet. Viele – vor allem in Wien -  sehen in Peter Kaiser einen Paradelinken innerhalb der SPÖ. Das stimmt aber so nicht, denn Peter Kaiser ist in Wahrheit ein Pragmatiker.
 
Die sogenannte "Chianti-Koalition" hielt nicht lange…

Es kam immer wieder zu Konflikten zwischen Gaby Schaunig und Jörg Haider. Am Höhepunkt ließ Gaby Schaunig die Koalition platzen. Sie wäre aus meiner Sicht auch heute ein Stolperstein für die Variante Rot-Blau.
 
Die SPÖ-Wähler sind ähnlich skeptisch, was eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ anbelangt. Das zeigt die Wahltagsbefragung...
Bei solchen Befragungen bin ich immer sehr skeptisch. Ich bin mir mir ziemlich sicher, dass eine Abstimmung über eine rot-blaue Koalition auf einem SPÖ-Parteitag eine klare Mehrheit fände.

Die Kärntner Freiheitlichen haben in einer Aussendung am Mittwoch verlautbaren lassen, dass sie sich auf die Opposition vorbereiten. Wie sehen Sie diese Stellungnahme?
Bei Aussendungen während Verhandlungen muss man immer zwischen den Zeilen lesen. Sie sagen „vorbereiten“ statt „in die Opposition gehen“, womit sie sich alles offen halten und dahinter steckt: Warten wir einmal ab, was Kaiser macht und ob er auf uns zukommt, mit dem Willen eine mögliche Koalition auszuloten. 
 
Wenn Sie an Verhandlungen denken, welche Erinnerungen haben Sie da?
Dass Jörg Haider ein äußerst guter Verhandler war. Er hatte das im kleinen Finger und tat sich entsprechend leicht. Eine der wenigen Ausnahmen war Wolfgang Schüssel. Ich erinnere mich, dass ich auf der Fahrt nach Wien im Auto ein bissl rumgescherzt habe und gute Laune verbreiten wollte. Das hat er mir damals ziemlich unwirsch abgedreht, weil er gesagt hat, er braucht jetzt Ruhe und muss sich konzentrieren, weil der Schüssel ist ein Fuchs und ein ganz harter Verhandler. Auf Landesebene war er verspielter und hatte als Verhandlungspartner mehr Leichtgewichte gegenüber.
 
Rückblickend: Wie haben Sie die Kampagnen der Parteien während des Wahlkampfs gesehen?
Die SPÖ-Kampagne fokussierte sich rein auf die Person Kaisers als Landeshauptmann. Themen kamen dabei viel zu kurz. Martin Gruber hatte die beste Kampagne, die war klar und gut aufgebaut. Der anfangs viel belächelte Gru-Bär zum Beispiel war eine geniale Idee, er lockerte den ÖVP-Wahlkampf auf und stellte dem eher ströben Gruber etwas entgegen. Gerhard Köfer hatte auch eine gute Kampagne, er gab aber in den Fernsehdiskussionen kein so gutes Bild ab und ließ dort einiges liegen. Erwin Angerer hatte für mich die schlechteste Kampagne von allen. Die Kampagne war falsch aufgesetzt, man hat sich zu sehr auf die Person fokussiert, ich hätte ihn eher in einem Team präsentiert und mehr inhaltliche Themen gespielt. Das Problem dabei: Sehr viele Inhalte hatten als Grundlage vielfach die Ideen von Jörg Haider. Ich habe schon kurz nach dem Tod Haiders gesagt, wir müssen auf eigenen Beinen stehen und eine eigene Politik machen. Die Kärntner FPÖ müsste sich inhaltlich komplett neu aufstellen, am besten wäre es, einen Thinktank einzusetzen, der neue Ideen, Themen und Inhalte entwickelt. Angerer hat alles ausgelagert, statt mit den eigenen Leuten zu arbeiten, die Kampagnenprofis für Wahlkämpfe sind. Das war meiner Meinung nach ein schwerer Fehler. Wenn Kickl nicht eingegriffen hätte und sich persönlich in die Schlacht geworfen hätte, wäre es noch schlimmer geworden, denn dann hätte die FPÖ ein Minus statt einem Plus eingefahren.
 
Der eine oder andere Kärntner FPÖler meint, dass Kickl zu radikal sei…
Ähnliches hat es bei Jörg Haider von den eigenen Funktionären und Mitgliedern auch immer geheißen. Und wenn wir dann gewonnen haben, sind es die die gleichen gewesen, die am Lautesten geschrien haben: „Wir haben es immer schon gewusst, dass wir damit erfolgreich sind.“ Diese Pirouetten haben mich immer sehr geärgert. 
 
Ihr Tipp: Welche Koalition wird es werden?
Zehn Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Koalition aus FPÖ, ÖVP und Team Kärnten, 30 Prozent Rot-Blau und 60 Prozent SPÖ-ÖVP.

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