Baum des Jahres 2021
Die Linde – ein Ort zum Richten, Tanzen und Feiern

Die Mariensäule "Zu den fünf Linden" ist 176 Jahre alt. | Foto: Weymayer
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  • Die Mariensäule "Zu den fünf Linden" ist 176 Jahre alt.
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Ein Blatt von ihr verhinderte Siegfrieds Unverwundbarkeit im Nibelungenlied. Erwähnt wurde sie schon in der Antike. Die Germanen schrieben sie der Götting Freya zu und machten sie zum Symbol für Liebe, Fruchtbarkeit und Schönheit. Sie soll böse Geister vertreiben, hieß es im Mittelalter. Die Rede ist von der Linde.

BEZIRK KIRCHDORF. Viele Mythen und Legenden ranken sich seit Jahrhunderten um sie. Historisch gesehen war sie aber lange vor allem eins: Ein Baum der Gemeinschaft. Deshalb wurde sie heuer auch vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus zum Baum des Jahres gewählt. "Mit der Auswahl der Linde unterstreichen wir damit die Wichtigkeit des Zusammenhaltes in unserer Gesellschaft in schwierigen Zeiten", so Bundesministerin Elisabeth Köstinger.

Wichtig für Mensch, Gesellschaft & Natur

Über Jahrhunderte hinweg erfüllte der Lindenbaum viele Funktionen. Schon in der Jungsteinzeit stellten die Menschen aus der Rinde Kleidung her. In späteren Zeiten vor allem Schnüre und Seile.
"Lignum sacrum" ("heiliges Holz") nannte man das weiche Lindenholz im Mittelalter. Denn es ist bis heute die wichtigste Holzart für Schnitzarbeiten und Bildhauerei. Besonders kirchliche Kunstwerke sind aus Lindenholz gefertigt. In späteren Jahren wurden aber auch Spielzeuge, Prothesen und Holzschuhe daraus gemacht. Nicht nur heilig, sondern auch heilend ist die Linde. "Lindenblütentee findet heute noch Anwendung. Er wird aus der Sommer- und Winterlinde hergestellt; steigert die Abwehrkräfte, ist reizlindernd, schweißtreibend und entzündungshemmend, weshalb er bei Erkältungen angewandt wird", weiß Waltraud Hackl von der Kräuterapotheke Wartberg. Außerdem haben Linden eine große Bedeutung für das heimische Ökosystem. Blühen sie doch später als viele andere Pflanzen und sind so im Juni und Juli wichtige Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten. 

Zugleich Gerichts- und Tanzort

Im Mittelalter hatte die Linde viele gesellschaftliche Funktionen: Da dem Volksglauben nach Linden die Wahrheit zutage bringen und durch ihr weiches Holz zugleich die Richter milde stimmen sollten, wurden Gerichtsurteile unter ihr gesprochen. (In Urkunden wurde das mit "judicium sub tilia" bezeichnet.) Botschafter verkündeten auch wichtige Nachrichten unter ihrem Blätterdach. Aber ebenso feierten, tanzten und heirateten Dorfbewohner unter ihren Ästen. Denn die herzförmigen Blätter und das weiche Holz, das sich zum Einritzen von Initialen anbietet, machte sie zum Baum für Liebende. Nicht zufällig wird eine Linde in "Beim Brunnen vor dem Tore" oder "Under der linden" besungen.

Die "Zellerlinde" erinnert an einen Brand im 19. Jahrhundert.  | Foto: Weymayer
  • Die "Zellerlinde" erinnert an einen Brand im 19. Jahrhundert.
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Naturdenkmäler des Bezirks

Im Bezirk Kirchdorf gibt es zahlreiche alte Lindenbäume. Etwa zehn von ihnen sind sogar auf der Liste der Oberösterreichischen Naturdenkmäler zu finden. Darunter die fünf Kreuzlinden beim Schmied in der Au in Spital am Pyhrn. Die Sensenschmiede Josef und Cäcilia Schröckenfux pflanzten sie 1845 rund um die Mariensäule. Sie ist heute das älteste von Sensenschmieden errichtete Denkmal des Ortes. Auch die "Zellerlinde" ist ein Naturdenkmal. 1885 gab es in Windischgarsten einen großen Brand, bei dem ein 80-Jähriger starb. Richard Zeller setzte als Erinnerung eine Linde. Sie steht heute noch an der Stelle, an der das Haus des Toten nicht mehr aufgebaut wurde. Die Linde bei der Volksschule in Edlbach geht ebenfalls auf das 19. Jahrhundert zurück. Am Natzberg in Nußbach wird das Alter einer Winterlinde sogar auf 300 bis 400 Jahre geschätzt.

Zeugen vergangener Zeiten

Linden können bis zu tausend Jahre alt werden und sind so lebende Zeugen der Veränderungen der Zeit. Die "Hafnerlinde" beim Gasthaus Zum Schwarzen Grafen in Windischgarsten etwa musste als Strafe 1616 gepflanzt werden. Zuvor stand an derselben Stelle, wie Jörg Strohmann recherchierte, eine Linde. Auf ihr wurde der protestantische Rebellenführer Adam Lechner 1597 gehenkt. Wolf Fux schnitt den Baum widerrechtlich um und musste neben einer Geldstrafe auch zwei Linden am selben Ort setzen. Verwickelt in die Kämpfe und Wirren nach der Reformation war auch die Linde bei der Filzmoserkapelle in Vorderstoder: An ihr sollen zur selben Zeit drei aufständische, protestantische Bauernführer erhängt worden sein. Diese Linde musste vor 15 Jahren gefällt werden, zur Erinnerung wächst heute aber ein junger Baum an derselben Stelle. Doch nicht nur blutige Vergangenheit haftet an der Linde. Jörg Strohmann recherchierte auch, dass in Windischgarsten 1946 beim heutigen Blumengeschäft Bernögger der damalige Bürgermeister Rudolf Sulzbacher eine Linde setzte. Er wollte damit bei der ersten offiziellen Feier im Ort nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Zeichen für den Frieden setzen.

Die Tradition lebt fort

In vielen Gemeinden Oberösterreichs werden im Zuge der landesweiten Initiative von Landeshauptmann Stelzer "Mein Baum für Oberösterreich" zurzeit Bäume gepflanzt. Viele von ihnen sind Linden und sollen die Tradition der Dorflinden weitertragen. Dieses Ziel verfolgt auch die Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Holzwirtschaft proHolz und verschenkte 70 Lindensetzlinge an oberösterreichische Gemeinden. Auch in Pettenbach griff man die Tradition auf und setzte eine junge Linde beim Gemeindeamt.

Naturdenkmäler im Bezirk Kirchdorf – Zeitzeugen vieler Jahrhunderte
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Foto: Cityfoto
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