Corona-Pandemie
Wut: Ab wann es gefährlich wird

Psychotherapeutin Andrea Weiß aus Windischgarsten | Foto: Anette Friedel-Prenninger
  • Psychotherapeutin Andrea Weiß aus Windischgarsten
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Bei vielen Menschen steigt derzeit nicht nur die Unsicherheit, Nervosität und Angst. Auch die Wut nimmt bei vielen zu.

BEZIRK. "Steckt´s euch die Tests sonstwohin!", "Ihr gehört´s alle eingesperrt!", Ihr seid´s zum Kotzen!" ... Mit vielen Kommentaren dieser Art ist man derzeit in den sozialen Netzwerken konfrontiert. Die Menschen werden zunehmend wütender. Macht uns die Corona-Krise zu Wutbürgern? "Es ist schon zu beobachten, dass Menschen die Krise als Ventil und mitunter auch als Deckmantel benutzen, um Unzufriedenheit mit bisher ungekannter Vehemenz zu äußern", sagt Psychotherapeutin Andrea Weiß aus Windischgarsten. Zu Beginn der Krise haben viele Menschen diese als überraschenden Freiraum erlebt, der mit vielen sinnvollen Tätigkeiten genutzt wurde. Mit zunehmender Dauer und den damit verbundenen Maßnahmen erleben allerdings nun auch die kreativsten und geduldigsten Menschen die Erschöpfung und Unsicherheit.
"Je mehr an gewohnten Dingen des Alltags, wie gemeinsames Essen, Spieleabende, oder inspirierenden Gesprächen, festgehalten werden kann – desto stärker ist das Gefühl eines 'normalen' Lebens. Das verringert wiederum die Angst", so Weiß. Angst und Wut sind laut der Psychotherapeutin zwei sozial sehr ähnliche Reaktionen. "Flucht einerseits und Angriff andererseits sind zwei Möglichkeiten, um gegen die eigene Furcht vor Kontrollverlust vorzugehen. Katastrophenmeldungen werden außerdem in verstärktem Maße wahrgenommen und tragen zur Verunsicherung bei. In akuten Gefahrensituationen befähigen uns die Angstzustände zu schnellen und starken Reaktionen", so Weiß. Sie rät dazu, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn der Druck zu groß wird.

Was kann man tun?

• Nutzen Sie seriöse Quellen zur Information – aufgeregte Berichte erhöhen die Sorgen. Behalten Sie Fakten im Auge!
• Blockieren Sie Posts und Personen in den Sozialen Medien, die ihre eigenen Ängste verstärken!
• Geben Sie dem Körper die Möglichkeit, Stresshormone abzubauen: leichte Bewegung oder Singen hilft!
• Erkennen Sie rechtzeitig Ihre Anzeichen, wenn der Stress zu viel wird: Besprechen Sie sich mit Freunden, schreiben oder zeichnen Sie, um die Emotionen gut zu regulieren!
• Bekämpfen Sie Isolation und Langeweile – gehen Sie Ihren Hobbys nach, kontaktieren Sie Freunde!
• Verordnen Sie sich eine sinnvolle Tagesstruktur. Schaffen Sie Raum für schöne Dinge!
• Suchen Sie ohne zu zögern professionelle Hilfe auf, wenn die Ängste zu groß werden!

Andrea Weiß im Interview

Macht die Coronakrise die Menschen zu „Wutbürgern“? 
Weiß: Das lässt sich sicher nicht als Automatismus festlegen. Jedoch ist zu beobachten, dass Menschen die Krise als Ventil und mitunter auch als Deckmantel benutzen, um Unzufriedenheiten in auch für diese Mitmenschen bislang ungekannter Vehemenz zu äußern. Die menschliche Identität wird im Wesentlichen von diesen fünf Säulen definiert: körperliche Belange – soziale Beziehungen – materielle Sicherheit – Arbeit, Leistung, Freizeit – Werte und Normen. Betrachtet man die Breite der Auswirkungen der Coronakrise, wird offenbar, dass alle diese Säulen dadurch deutlich irritiert, wenn nicht erschüttert werden. Unsere Gesundheit wird von einem irrationalen Gegner attackiert, unsere sozialen Beziehungen dürfen nicht mehr wie gewohnt und gewünscht vollzogen werden, die materielle Sicherheit wird mit Blick auf die wirtschaftlichen Verwerfungen destabilisiert, die gesellschaftliche Neudefinition des Faktors Arbeit, Leistung, Freizeit erzeugt Unsicherheit und nicht zuletzt die sich ändernden Normen und unklaren Maßnahmen erhöhen den vitalen Stress.

Wie reagieren die Menschen auf die Pandemie, welche Folgen gibt es?
So vielfältig wie die Menschen sind, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten der Reaktion auf solche Belastung. Ein guter Indikator ist die Resilienz, das ist die individuelle Fähigkeit, erfolgreich mit belastenden Situationen umzugehen. Diese „Widerstandsfähigkeit der Seele“ wird durch verschiedene Faktoren gestärkt, dazu zählen ein realistischer Optimismus, Möglichkeit zu aktiver Problembewältigung, gute Beziehungen … diese sind altersunabhängig förderbar. Wer bislang die Erfahrung gemacht hat, gut mit Herausforderungen umgehen zu können, wird dies auch während der Pandemie anwenden können. Andere haben bislang vielleicht weniger oft kreative Konfliktlösungen erproben können, sondern fühlen sich mit ihrer Angst, der Ungewissheit und ihren Sorgen nicht mehr gut gehört und angemessen wahrgenommen. Anstatt im Freundeskreis findet man dann Gleichgesinnte vielleicht mehr in den öffentlichen Foren und erlebt dort die Anerkennung seines Unmuts, der dann gemeinsam und doch anonym in die Öffentlichkeit getragen wird, was individuell wieder als soziales Geschehen erlebt werden kann. Aggression und Ausagieren von Wut sind allerdings keine angemessenen Konfliktlösungsstrategien. Angst und Wut sind zwei sozial sehr ähnliche Reaktionen: Flucht einerseits und Angriff andererseits sind zwei Varianten, um gegen die eigene Angst vor Kotrollverlust anzugehen. Katastrophenmeldungen werden zudem in verstärktem Maße wahrgenommen und tragen zur Verunsicherung bei.

Gibt es auch Menschen, die positiv auf die Krise reagieren?
Zu Beginn der Pandemie haben manche von uns dies als überraschenden Freiraum erlebt, der mit vielerlei sinnvollen Tätigkeiten genutzt wurde. Mit Andauern der restriktiven Maßnahmen erleben allerdings nun auch die kreativsten und geduldigsten Mitmenschen die Erschöpfung, Langatmigkeit und Unsicherheit der Gegenwart und verzeichnen bislang unbekannte psychophysische Phänomene. Je mehr an gewohnten Aspekten der Lebensführung festgehalten werden kann - gemeinsam Essen, Spieleabende, inspirierendes Gespräche, ein gutes Bad - desto stärker ist das Gefühl eines normalen Lebens. Dies verringert wiederum die Angst.

Warum reagieren Menschen verschieden auf Ängste?
In akuten Gefahrensituationen vermag uns Angst zu schnellen, starken und leistungsfähigen Reaktionen befähigen. Der Körper stellt blitzschnell alle nötigen Ressourcen zur Verfügung. In der Coronasituation befähigt uns diese vernünftige Angst zu sinnvollen Aktionen wir Händewaschen, den Abstand einhalten … neben diesen konkreten Maßnahmen können jedoch durch verunsichernde und unseriöse Berichte irrationale Angstgedanken zu chronischem Stress führen, die Person ist in ständiger Alarmbereitschaft und fühlt sich permanent in Gefahr. Lang anhaltende Angst kann zu einer Angststörung, einer Depression oder anderem schädigendem Verhalten wie erhöhter Alkoholkonsum führen.

Warum führt die notwendige Distanz zu Freunden zu großer Unzufriedenheit?
Die regelmäßige und gelingende Pflege sozialer Beziehungen gehört zu den wesentlichen Entwicklungsbedingungen des Menschen, schon von Geburt an brauchen wir den Zuspruch, das Lächeln, das zustimmende Gegenüber. Dieses Bedürfnis nach Nähe und Bindung muss nun in ganz ungewohnten Formen vollzogen werden, die oft als nicht passend und angemessen wahrgenommen werden. Kinder und Jugendlichen leiden besonders unter dieser Vereinsamung und brauchen die Eltern und Bezugspersonen als sichernde Basis und emotionale Anlaufstelle.

Ab wann wird es gefährlich / ab wann sollte man sich professionelle Hilfe holen?
Wenn man merkt, dass die eigenen Bewältigungsstrategien nicht mehr greifen, die Sorgenspirale immer stärker wird, wenn die Ängste, das Grübeln den Alltag stark beeinträchtigen und Gespräche mit den Freunden, der Familie als nicht mehr entlastend erlebt werden.

Bemerken Sie vermehrten Zulauf in ihrer Praxis?
Ja, ich erlebe, dass das Angebot der Psychotherapie in den Herausforderungen der Pandemie als stützend und hilfreich erlebt und vermehrt genutzt wird. Durch mein Zusatzangebot der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie können diese alters- und entwicklungsgerechte Entlastung und Ermutigung finden. Auch die regelmäßige Gruppenpsychotherapie (unter Beachtung der geltenden Maßnahmen durchgeführt!) stützt und entlastet die Teilnehmenden.

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