"Es ist bereits fünf Minuten nach zwölf"
Pensionierungswelle von niedergelassenen Kassenärzten gefährden flächendeckende Gesundheitsversorgung.
BEZIRK (sta). 13 von 25 Kassenärzte gehen in den nächsten zehn Jahren im Bezirk Kirchdorf planmäßig in Pension. Eine Stelle ausgeschrieben ist derzeit in Grünburg. Bewerber gibt es dafür nicht. Jahrelang unbesetzt war auch eine Kassenstelle in Molln, bis sie überhaupt annulliert wurde, da sich nie jemand beworben hatte. "Es ist fünf Minuten nach zwölf", sagt Bezirk-Ärztevertreterin und Gemeindeärztin in Klaus-Steyrling, Angelika Reitböck. "Die vielen Pensionierungen werden sich natürlich massiv auf die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, vor allem in den ländlichen Gemeinden, auswirken. Was die Dienstversorgung anbelangt, haben wir dieser zukünftigen Entwicklung schon Rechnung getragen, indem wir mit dem HÄND – dem Hausärztlichen Notdienst – eine flächendeckende Versorgung rund um die Uhr geschaffen haben. Außerhalb von Oberösterreich, in den anderen Bundesländern, gibt es diese nicht mehr."
Die Versorgungssicherheit bei Landärzten gefährdet sieht auch FPÖ-Landtagsabgeordneter Michael Gruber aus Pettenbach. "Die ärztliche Stützpunktversorgung in weitläufigen Landgemeinden muss gesichert werden. Eine dichte Betreuungsstruktur ist das Um und Auf. Ein Hausarzt in Kremsmünster, der seinen Dienst am Hengstpass in Rosenau versehen muss, kann nicht das Ziel sein."
Reitböck, Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Dermatologie versteht, warum viele junge Ärzte ins Ausland abwandern. "Bei uns gibt es viele Dinge, die das Dasein eines Hausarztes erschweren (siehe unten). Im Ausland winken unter anderem eine bessere Ausbildung sowie bessere finanzielle Rahmenbedingungen. Wir hören gelegentlich Kommentare von Systemfunktionären, die auf die hohe Ärztedichte in Österreich hinweisen und argumentieren, dass es bei uns ja gar keinen Ärztemangel gäbe. Das nützt uns aber gar nichts, wenn die Mediziner nicht dorthin gehen, wo wir sie am meisten brauchen – nämlich in den Kassenordinationen. Wir haben längst den Anschluss an die internationale Spitze verloren und rutschen in den Rankings von Jahr zu Jahr ab."
"Die Allgemeinmedizin hat viele Baustellen"
(sta). Kein Blatt vor den Mund nimmt sich Bezirks-Ärztesprecherin Angelika Reitböck. Sie ortet einige Baustellen in der Allgemeinmedizin. "In den vergangenen Jahren ist es zu einer Reduktion an Ausbildungsplätzen für Allgemeinmediziner gekommen. Stellen- und Ausbildungspläne gehören überarbeitet, damit wir ausreichend Nachschub an Allgemeinmedizinern haben. Lehrpraxen müssen gestärkt werden, um junge Kollegen für eine mögliche Tätigkeit als Hausärzte zu begeistern. Wir verfügen über ein veraltetes Honorierungssystem mit Leistungslimitierungen, die aus der grauen Vorzeit stammen. Dringend notwendig ist das Eindämmen einer völlig ausufernden Bürokratie mit unzähligen unterschiedlichen Details in Abrechnungs- und Verschreibungsmodalitäten in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Krankenkassen," so Reitböck, die auch neue Möglichkeiten zur Zusammenarbeit fordert. "Viele junge Kollegen möchten zusammenarbeiten und keine Einzelkämpfer sein."
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