Literaturland Kärnten 2019
Puta madre! Der Küstenkannibale, von Hannes Krakolinig

Hannes Krakolinig, Autor | Foto: Hannes Krakolinig
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¡Hostia! An Selbstbewusstsein scheint es den Gebrüdern ‚Krake‘ nicht zu mangeln, einer der beiden ‚Tios especial‘ aus dem beschaulichen Klagenfurt, Hannes, ist vor Jahr und Tag auf Weltreise gegangen und lebt, mit Unterbrechungen, seit 2005 im fernen Ecuador, um dort als Reiseveranstalter und Autor zu wirken, außerdem organisiert der gelernte Hauptschullehrer Sozialprojekte. Jetzt legt Señor Krakolinig mit „Der Küstenkannibale“ eine Fortsetzung seines 2018 erschienenen Thrillers „Der Schweinegringo“ rund um den Ermittler Comisario Marcelo Lema vor, der in der Dschungelstadt Tena einen aussichtslosen Kampf gegen das organisierte Verbrechen führt.

Gleich zu Beginn des ‚Küstenkannibalen‘ bleibt kein Zweifel offen: hier handelt es sich um einen ‚Hard-boiled‘-Krimi! Es wird geschlachtet und geschnetzelt, genüsslich wird die Blutsuppe aufgekocht und das ist bei diesem Thema auch unbedingt nötig, denn es geht um illegalen Organhandel in einer völlig aus den Fugen geratenen Welt. Hier würde es hartgesottene Typen brauchen, wie zum Beispiel Kollegen Santos Trinidad*) aus Spanien, doch Comisario Lema ist leider keiner von dieser verrückten Sorte, denn er schleppt ein zerstörtes Privatleben mit sich herum, das er mit reichlich Alkohol und Drogen abzutöten versucht. Außerdem ist Comisario Lema, nach Eigendefinition ‚Erzlinker‘, von sozialrevolutionärer Gesinnung (Ernesto ‚Che‘ Guevara, wer sonst?) und er ist sentimental, denn er hat einen Sohn im Teenageralter zu Hause, der von sexueller Lust geplagt, ins Visier der Organmafia gerät. In dieser ‚Internationale der Missetäter‘ mischt auch ein österreichischer Gangster kräftig mit.

Hier zeigen sich die Stärken, aber auch die Schwächen des Romans. Zu den Stärken gehört eindeutig der exotische Handlungsort in Lateinamerika. Der Autor scheut nicht davor zurück die haarsträubenden gesellschaftlichen Missstände des Landes anzuprangern, die er als Ursache für die Massenkriminalität in Lateinamerika entlarvt. Außerdem riskiert Autor Hannes Krakolinig auch formale Experimente und versucht seine Geschichte in einer Art ‚Kärntner Gaunersprache‘ voranzutreiben, das liest sich zunächst ungewohnt, wird aber der mordlustigen Moritat durchaus gerecht. So gelesen ist der ‚Küstenkannibale‘ eine durchaus gelungene und seltene Abwechslung im Einheitsbrei des deutschsprachigen Kriminalromans. Außerdem steht der Roman für beinharte, eiskalte Spannung und scheut seine Herkunft aus dem Fach der Trivialliteratur nicht.

Zu den Schwächen zählen aber die geschmäcklerische Charakterisierung des literarischen Personals, das sich stark an us-amerikanischen Thrillerfilmen orientiert, der Comisario Lema, könnte ein Klon von Kollegen Martin Riggs aus Los Angeles sein, dessen Frau ebenfalls bei einem Autounfall verunglückt ist, Riggs ist seitdem ein psychisches Wrack. (Lethal Weapon 1 und Lethal Weapon 2), dazu gesellst sich noch der deutsche Altmeister Horst Schimanski, sauft, raucht, hurt, schlägt und flucht. Und letztendlich auch der rauschgiftsüchtige New Yorker ‚Bad Lieutenant‘ aus Abel Ferraras gleichnamigen Film. Das mag ein verkaufsförderndes Kalkül des Autors sein, denn amerikanische und deutsch Krimis sind bekannter als die Vertreter dieser Gattung aus der spanischsprachigen Welt, die, so sei unterstellt, in Mitteleuropa wenig Kennerschaft genießt. Aber leider ist der Roman auch auf unangenehme Weise ‚wertend‘: die sozialen Medien, moderne Kommunikationsmittel und die dadurch verursachte Kommunikationsunfähigkeit, sowie die ‚Jugend von heute‘ generell werden mit dem sprichwörtlichen ‚Holzhammer‘ weichgeklopft.

Dennoch ist der ‚Küstenkannibale‘ von Hannes Krakolinig eine Empfehlung wert, besonders in der Zeitspanne vom 26. bis 30. Juni 2019, dann wenn in Klagenfurt wieder die ‚Tage der deutschsprachigen Literatur‘ eindrucksvoll demonstrieren wie schwachbrüstig und erzählimpotent die neue deutschsprachige Literatur sein kann.

Und noch ein gutes Argument gibt es diesen ungewöhnlichen Kriminalroman zu lesen, ist er doch ein Beispiel für die ganz neue Kärntner Literatur im nichtdeutschsprachigen Ausland, die neuerdings von Auslandskärntnern veröffentlicht wird, ein neues literarisches Phänomen, das es zu beachten gibt.

*) Inspektor Santos Trinidad (dargestellt von Jose Coronado), fiktiver Ermittler der Kriminalpolizei von Malaga, Spanien in dem sehenswerten Thriller: No habrá paz para los malvados (dt. Die Bösen werden keinen Frieden haben), von Enrique Urbizu. Spanien 2011.

Buchvorstellung am 27. Juni 2019 – Kärntner Buchhandlung, 9020 Klagenfurt, während der ‚Tage der deuschsprachigen Literatur 2019‘ (26.-30.6.2019 in Klagenfurt) und eine durchaus interessante Ergänzung zu dem Literaturwettbewerb.
Der Küstenkannibale, von Hannes Krakolinig, erschienen bei Morowa, Wien 2019.

Links:
https://www.amazon.de/Küstenkannibale-Ein-zweiter-Ecuadorkrimi 2
https://www.lesejury.de/hannes-krakolinig/buecher/der-kuestenkannibale
Link: Interview mit Hannes Krakolinig
http://www.anitaaufreisen.at/blog/usa-und-der-rest-der-welt/von-kaernten-nach-ecuador-ein-interview-mit-auswanderer-hannes-krakolinig/#

Zur Person Hannes Krakolinig:
Hannes Krakolinig, geboren im August 1978 in Klagenfurt, lebt seit 2005 in Ecuador, wo er Individualtouren für Touristen anbietet und die Kichwaindianer im Amazonasteil des Landes mit verschiedensten Sozialprojekten unterstützt. In seiner abenteuerlichen Laufbahn hat er mehr als 20 Berufe in über 30 Ländern ausgeübt und spricht mehrere Sprachen. 10% seines Autorengehalts verwendet Krakolinig fuer Schulen im Amazonasteil Ecuadors.
Bisherige Publikationen:
Gualingas Grenzen (2017), Al Centro (2017), Der Schweinegringo (2018), Tzantza (2018), Der Kuestenkannibale (2019)
Treatment fuer Traman - Spielfilm von David Hofer & Michael Kuglitsch (Aut 2018)

5 lesenswerte Krimis aus Lateinamerika:
Mercedes Rosende:
Krokodilstränen.
(El Miserere des los Cocodrilos).
Aus dem uruguayischen Spanisch von Peter Kultzen.
Montevideo, Uruguay: Estuario Editores, 2016.
Zürich: Unionsverlag, 2018.

Santiago Roncagliolo:
Roter April.
(Abril Rojo).
Aus dem peruanischen Spanisch von Angelica Ammar.
Lima, Perú: Alfaguara, 2006.
Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2008.

Fernando Vallejo:
Die Madonna der Mörder.
(La Virgen de los sicarios).
Aus dem kolumbianischen Spanisch von Klaus Laabs.
Santafé de Bogotá, Colombia: Editorial Santillana, 1994
Wien: Zsolnay, 2000

Luis Sepúlveda:
Der Schatten dessen, was wir waren.
(La sombra de lo que fuimos).
Aus dem chilenischen Spanisch von Willi Zurbrüggen.
Madrid: Espasa Calpe, 2009.
Zürich: Rotpunktverlag, 2011.

Sergio Bizzio:
Stille Wut.
(Rabia).
Aus dem argentinischen Spanisch von Sabine Giersberg.
Barcelona: El Cobre Ediciones, 2004.
München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2010.

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