Marie Tusch
Von der St. Ruprechter Tabakfabrik in das Hohe Haus in Wien
Erst einfache Tabakfabrikarbeiterin dann Nationalrätin: Mit Marie Tusch hat Klagenfurt eine Frau, die Anfang des 20. Jahrhunderts politische Akzente in der ersten Republik setzte.
KLAGENFURT. Ende des 19. Jahrhunderts, als die Industrialisierung ihren Aufschwung erlebte, wurden Arbeiter dringend benötigt. Doch Arbeitsrechte, wie wir sie heute kennen, waren kaum bis gar nicht vorhanden. Noch dazu lebten sie in ärmlichsten Verhältnissen, ein Entrinnen aus dem Elend war kaum möglich. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts kämpfte Marie Tusch für die Frauenbewegung für Themen, die heute noch Aktualität haben: Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, die Verdrängung weiblicher Arbeitskräfte in a-typische Beschäftigungsverhältnisse und neue Nischen des Arbeitsmarktes mit geringer Bezahlung.
Schilderungen der Tabakfrauen
Marie Tusch wurde 1868 als Maria Pirtsch in Klagenfurt geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Tuschs Mutter war eine Dienstmagd, der Vater ein Tagelöhner. Mit zwölf Jahren wurde sie Arbeiterin der k.u.k Tabakfabrik in Klagenfurt. Mit 639 Dienstnehmern – davon 583 Frauen – handelte es sich damals um Kärntens größten Betrieb. „Die Arbeitszeit welche, anfangs 14 Stunden betrug, wurde später geregelt und dauerte von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends. Mittagspause war eine Stunde. Arbeiterinnen, welche in der Nähe der Fabrik wohnten, hielten in den Straßengräben ihre Mahlzeiten bei einem harten Stück Brot“, beschrieb Tusch die damaligen Arbeitsverhältnisse.
Gewerkschaften unter Druck
Trotz Drohungen, Geldstrafen, Disziplinierungen gelang es 1902, die erste Tabakarbeitergewerkschaft zu gründen. Ein Jahr später entstand der „Fachverein der Tabakarbeiter und -arbeiterinnen Klagenfurt“ mit 970 Mitgliedern. Ihre Forderungen: Lohnerhöhung und Verbesserung der Lebensverhältnisse. Am 16. Februar 1919 fanden die ersten Wahlen zum Nationalrat mitten in den Abwehrkämpfen statt. Mit Marie Tusch zogen Florian Gröger, Josef Gabriel und Georg Hubmann von der Kärntner Arbeiterbewegung in den Nationalrat ein. Ein Jahr später zog Marie Tusch in das Hohe Haus in Wien ein.
Redegewandt Rethorikerin
Tusch soll eine großartige Rethorikerin gewesen sein. „Als sie (Anm.: Tusch) hereinkam, wurde alles mucksmäuschenstill. Das hat mich als junge Frau beeindruckt. Dann sprach sie ruhig, überlegt, auch mit Emotion und mit den Worten aus ihrer langjährigen Umgebung...Aus Angst vor einem Überfall durch politische Gegner ließ man sie nicht allein in der Dunkelheit den Heimweg durch das Bahnhofsgebiet antreten…“, berichtet eine Zeitzeugin.
Zur Sache
Mehr von Marie Tusch erfährt man in „Marie Tusch Lebensbild einer Tabakarbeiterin (Autor: Vinzenz Jobst) oder „Von diesen Stunden an ist ihr Geist erwacht“ Arbeiterinnenbewegung in Kärnten 1900-1918 (Autorin: Anna K. Benedikt).
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