Das Geheimnis der Hundertjährigen Klosterneuburgs
Im Bezirk Tulln leben 19 Hundertjährige. Wir haben eine von ihnen nach ihren Geheimnissen befragt.
KLOSTERNEUBURG (bt). Als Friederike Möller im September 1910 geboren wurde, war der Erste Weltkrieg nicht weit entfernt. Zwei Monate nach der Kriegserklärung wurde sie vier. Als sie gerade 29 Jahre alt war, ging die erste Republik unter und der zweite Weltkrieg begann. Heute lebt die gebürtige Wienerin im Weidlinger Caritas Pflegewohnhaus St. Leopold und blickt auf ein bewegtes Leben zurück.
"Nur Gott kennt das Geheimnis"
Friederike Möller ist eine von 19 Hundertjährigen im Bezirk Tulln. Zum Start unserer Serie „Der Methusalem-Code“ haben wir sie nach ihren Geheimnissen für ein langes Leben befragt. "Da müssen Sie den da oben fragen, nicht mich", sagt die 107-Jährige und deutet gen Himmel.
Erinnerungen an die Kindheit
Denkt die Pensionistin an ihre frühe Kindheit, erwacht vor ihrem geistigen Auge eine bestimmte Szene: "Mein Vater war Polizist. Wir sind immer zu ihm ins Wachzimmer gegangen und haben ihm das Nachtmahl mitgenommen. Die Mama hatte meine Schwester am Arm und ich hab mich an ihrer Tasche angehalten, so sind wir in die Stadt gegangen", erzählt die frühere Wienerin.
Später hat Möller das Handwerk der Schneiderin erlernt. "Ich habe in einer Schneiderei gearbeitet. Und wenn mich jemand gebraucht hat, bin ich hingegangen. Das habe ich alles gerne gemacht." Das Leben war geprägt von Arbeit, doch auch das Vergnügen sollte nicht zu kurz kommen. Als Friederike Möller von Bällen erzählt und Fotos zeigt, auf denen sie und Schwester Louisa fein herausgeputzt sind, leuchten ihre Augen.
Gatte fiel zweitem Weltkrieg zum Opfer
Und plötzlich trat Wilhelm in Friederikes Leben. Der Polizist sollte ihr Ehemann und Vater von Tochter Helma werden. "Mein glücklichster Tag war, als wir geheiratet haben. Meine Hochzeitstafel habe ich im alten Rathauskeller gemacht, das war noch etwas besonderes." Doch auf diese herrlichen Erinnerungen folgen unglückliche - der zweite Weltkrieg verbreitete großes Leid. "Wie wir zur Bahn gegangen sind, mein Mann wurde eingerückt und musste nach Deutschland, hat er unsere kleine Tochter noch am Arm getragen. Aber dann ist er nicht mehr nachhause gekommen", trauert die Seniorin, "In Russland haben sie ihn mir erschossen. Er liegt in einem Ausländergrab. Ich bin dankbar, dass er dort in einem ordentlichen Grab liegt."
Urlaub im Waldviertel
Nach dem Fall ihres Gatten folgte eine schwere Zeit. Doch die Witwe hielt an Ritualen fest. So wie sie es früher gemeinsam mit ihrem Mann getan hatte, besuchte sie weiter dessen Eltern im nördlichen Waldviertel. "Das war wichtig, das war ein richtiger Urlaub", denkt sie zurück. Neben der vielen Arbeit muss auch für Erholung Zeit sein, ist sich die 107-Jährige sicher.
Geprägt von schweren Verlusten
Natürlich bedeutet ein so hohes Alter auch Verlust: Mittlerweile musste sich Möller auch von ihrer Schwester und der eigenen Tochter verabschieden. "Was schlimmeres als das eigene Kind zu verlieren gibt es nicht", hält sie fest. Dennoch ist die Aura der Neo-Klosterneuburgerin positiv. "Man darf nicht zu viel zurückdenken, lieber nach vorne schauen." Im Haus St. Leopold gefällt es ihr, Möller genießt die Gesellschaft und strickt sich durch die Tage. "Wir haben ihr gesagt, 110 muss sie schon noch werden", lächelt Wohngruppenkoordinatorin Veronika Rechberger. "Das überlass ich dem Herrgott", reagiert Möller, die aber schmunzelt: "Ich werde ständig auf 80 geschätzt, ich weiß nicht warum."
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