Grubgraben
Archäologische Grabungen für heuer beendet
VON MANFRED KELLNER
KAMMERN Am 20. September 2022 fand am Grubgraben in Hadersdorf-Kammern sozusagen ein „Tag der offenen Ausgrabung“ statt: Zum Ende der sommerlichen Ausgrabungsaktivitäten des Archäologen Dr. Thomas Einwögerer und seines Teams vom „Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI)“ der „Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)“ waren Interessierte eingeladen, einen Blick auf die heurigen Grabungsergebnisse zu werfen und mit den Wissenschaftlern und Studierenden über das zu diskutieren, was sich an dieser inzwischen recht unauffälligen, aber in der Steinzeit exponierten Stelle vor etwa 22.000 Jahren über Generationen hinweg abgespielt haben könnte.
Steinzeitlicher „Kühlschrank“
Die in diesem Jahr freigelegten Stapel von großen Steinen und Felsbrocken, so Dr. Einwögerer, könnten sehr gut ein Aufbewahrungsort für Fleisch gewesen sein. Vom Permafrostboden sei auch im Sommer genug Kälte zwischen den Steinen emporgestiegen, um das Fleisch vor dem Verderben zu bewahren. Dazu wird das Fleisch mit großen Steinen abgedeckt gewesen sein, um es vor Raubtieren wie Wolf, Fuchs und Vielfraß zu schützen. Besonders interessant für Dr. Einwögerer: „Hier an dieser Stelle gibt es überhaupt keine Steine dieser Art und Größe. Die Steinzeitmenschen müssen sie also immer wieder hierher transportiert haben, etwa vom Heiligenstein. Also getragen, geschleppt, vielleicht gezerrt oder auf Fellen gezogen.“
Jagdlager der Steinzeitmenschen
Den Funden zufolge sind die Menschen wohl in Familienverbänden über Generationen immer wieder zu diesem in Kessellage zwischen Heiligenstein und Gaißberg auf einem flachen, leicht abfallenden Sporn befindlichen Platz gekommen, der von zwei großen Entwässerungsgräben aus Richtung des Heiligensteins gebildet wurde. Dann wurde der Platz offenbar länger nicht aufgesucht, um später erneut belebt zu werden. Einwögerer: „Dies war kein fester Siedlungsplatz, eher ein Jagdlager, das nur zu bestimmten Zeiten im Jahr genutzt wurde.“
Eine große Menge an Rentierknochen etwa lässt darauf schließen, dass hier so etwas wie ein Schlachtfest nach einer erfolgreichen Rentierjagd stattgefunden haben könnte. Entsprechende Feuerstellen finden sich ebenfalls. Doch nicht nur um das Fleisch ging es unseren Vorfahren damals. Dr. Einwögerer: „Ethnografische Vergleiche zeigen, dass eine Steinzeitfamilie im Jahr vermutlich hunderte Felle gebraucht haben könnte!“
Auffällig viele Schmuckstücke
Etwas Besonderes an dieser Ausgrabungsstelle, so der Archäologe, sei die große Menge an steinzeitlichem Schmuck, den die Ausgräber hier fanden, darunter mehrere hundert Stücke fossiler Meerestiere, gelochte Tierzähne und Steinscheiben, die an der Kleidung oder an anderen Gegenständen befestigt waren. Dr. Einwögerer: „Während des Zerlegens der Jagdbeute müssen immer wieder Stücke davon abgerissen sein, so dass wir sie heute finden können.“ Ein Teil davon könnte ursprünglich aus dem Wiener Becken stammen – ein Hinweis darauf, wie groß das Einzugsgebiet der damaligen Familienverbände oder Stämme gewesen sein mag.
Dank an Weingut Schloss Gobelsburg
Zum Abschlusstag der heurigen Ausgabungen am Grubgraben war auch Michael Moosbrugger vom Weingut Schloss Gobelsburg gekommen, um sich über die wissenschaftlichen Arbeiten in einem seiner Weingärten zu informieren. Dr. Thomas Einwögerer ist dankbar für die Unterstützung seiner Tätigkeit durch das Weingut: „Herr Moosbrugger hat uns zugesichert, dass er uns dieses Areal freihält, solange wir hier wissenschaftlich forschen!“ Und so werden die Archäologen denn auch im kommenden Jahr wieder zum Grubgraben zurückkehren und dort auf den Spuren und nach den Spuren der Steinzeitmenschen forschen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.