Interview
Reinhold Messner: "Ich habe viel Glück gehabt"

Reinhold Messner kommt am 27. September nach Kufstein und wird dort einen bildgewaltigen Vortrag halten.  | Foto: Nimmesgern
  • Reinhold Messner kommt am 27. September nach Kufstein und wird dort einen bildgewaltigen Vortrag halten.
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Der Extrembergsteiger, Abenteurer und Buchautor kommt am 27. September mit einer Österreichpremiere nach Kufstein. Im Gespräch erzählt er von seinen Erfahrungen beim Bergsteigen und erklärt, was für ihn Glücksmomente sind.

KUFSTEIN. "Weltberge – die 4. Dimension“ – mit diesem Vortrag im Gepäck wird Reinhold Messner am Montag, den 27. September nach Kufstein kommen. Dabei handelt es sich um den neuesten und zugleich bildgewaltigsten Vortrag des Abenteurers. Untermalt mit atemberaubenden Satellitenfotos wird seine Multivisionsshow erstmals in Österreich in Kufstein gezeigt. Messner wird in der Kufstein Arena dabei Berge präsentieren, an denen Geschichte geschrieben wurde. An diesem Abend wird Reinhold Messner auch seine Bücher signieren. Im Interview spricht er über Motivation, Glücksmomente und Tourismus in den Bergen. 

Herr Messner, Sie haben bereits Ihren 75. Geburtstag gefeiert. Hätten Sie gedacht, dass Sie so alt werden?
Messner:
Nein, ich habe in meiner starken Zeit gedacht, wenn ich vierzig werde, wäre das ein Glück. Über die vierzig Jahre hinaus habe ich lange Zeit nicht gedacht und damals auch in keine Pensionskasse eingezahlt. Aber inzwischen bin ich ein braver Bürger geworden, der ab und zu ein kleines Abenteuer wagt.

Was braucht ein Abenteurer, um alt zu werden?
Ich habe viel Glück gehabt, das spielt auf jeden Fall eine Rolle. Andere hatten weniger Glück. Aber ich gehe auch nur dann los, wenn ich sehr gut vorbereitet bin. Denn ich bin ein sehr vorsichtiger Mensch, das glaubt zwar niemand, aber das ist so. Trotzdem bleibt natürlich immer ein Restrisiko.

Aber da gab es doch folgendes Ereignis: Bei der Besteigung des Mount Everst im August 1980 sind Sie in eine Gletscherspalte geraten und haben sich geschworen: Wenn ich wieder rauskomme, kehre ich um. Sie sind herausgekommen – und weiter gen Gipfel gestiegen. Warum?
Weil die Motivation in diesem Moment viel stärker war, als die Verzweiflungsentscheidung da unten in der Gletscherspalte. 

Verraten Sie uns Ihre größte Schwäche?
Ich habe jede Menge Schwächen. Zum Beispiel bin ich sehr fokussiert auf neue Ziele und Herausforderungen. Dadurch haben es die Mitmenschen um mich herum manchmal nicht einfach.

Welcher ist für Sie der größere Glücksmoment: wenn Sie den Gipfel erreicht haben, oder wenn Sie wieder heil im Tal sind?
Wenn ich heil zurück im Tal und in Sicherheit bin. Wir Menschen brauchen Sicherheit, das war schon immer so. Aber die meisten Staaten sind nicht mehr in der Lage, ihren Bürgern Sicherheit zu geben. Wir sind derzeit in einer unguten Lage auf dieser Welt, es gibt Spannungen wie selten zuvor. Und wir Europäer wissen nicht, wohin wir uns orientieren sollen. Alles driftet auseinander.

Was halten Sie davon, dass es in den Bergen immer mehr Tourismus gibt?
In den wirklichen Bergen gibt es weniger Tourismus als früher. Die meisten Kletterer sind heute in der Halle. Es gibt zwar viel mehr Wanderer als früher, aber die machen nichts kaputt. Die Alpen gehen nicht kaputt wegen der Wanderer, sondern weil es in den großen Ballungszentren viel Verkehr und Energieverbrauch gibt. Und wenn behauptet wird, die Alpen seien überlaufen, dann sage ich: das ist nur an wenigen Stellen so, 99 Prozent der Alpen sind kaum überlaufen. Ich treffe nie jemanden, wenn ich auf den Berg gehe.

Was denken Sie darüber, dass eher ungeübte Bergwanderer inzwischen die höchsten Gipfel ansteuern?
Der Mount Everest wird jedes Jahr präpariert für den Massentourismus. Da gehen 150 Sherpa hin und bauen eine Piste, sonst würden die Leute gar nicht hochkommen. Und in jedem Lager gibt es einen Koch. Ich beschreibe lediglich wie die Situation ist, ich bewerte sie nicht. Für alle Aktivitäten am wilden Berg gilt: wir gehen da hin, wo der Mensch nicht hingehört. Die Natur ist dort die Gesetzgeberin und die ist erbarmungslos.

Gibt es einen Berg, der Sie besonders geprägt hat?
Ja, der Nanga Parbat. Er hat mir beigebracht, wie Mensch und Bergnatur funktionieren. Bergsteiger sind keine besseren Menschen, sondern ganz normale Menschen.

Sie sind auch als Motivationstrainer aktiv. Was möchten Sie da Ihren Mitmenschen vermitteln?
In meinen Vorträgen über Risikomanagement und Motivation geht es um die Auseinandersetzung mit einer anderen Welt. Ich erkläre da Leuten auch wie Erfolgsmodelle funktionieren. Es gab zu meiner Zeit sicher Alpinisten, die besser waren als ich und gute Ideen hatten, aber sie haben es am Ende nicht gewagt, sondern gezögert und gezögert - und am Ende sind sie nicht losgegangen. Ich habe die Gabe, es zu wagen. Natürlich nur gut vorbereitet und körperlich trainiert. Man muss alle Schritte zum Losgehen vorbereiten, seine Ängste minimieren und dann den ersten Schritt machen. Dann schrumpfen die Ängste und sollte es einen Vorfall geben, dann kann man ja immer noch umkehren.

Der 20. August 1980 war ein ganz besonderer Tag für Sie. Legen Sie an solchen Tagen eine Gedenkminute ein?
Nein. Ich lebe im Hier und Jetzt. Vergangenes ist vergangen. Es gehört aber natürlich zu meiner Biografie, auch das ein oder andere Negative.
 
Herr Messner, welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Bei Fragen, die die Zukunft betreffen, bin ich ziemlich zugeknöpft. Wenn ich Projekte plane, will ich nicht zu früh zu viel verraten, sonst verliert die Idee an Kraft. Was ich voraussehe, ist nur eine Anfangsidee, ich bin jemand der Stückchen für Stückchen plant. Aus einer Kopfgeburt wird langsam etwas Konkretes. Das schenkt mir gelingendes Leben.
 
Mögen Sie das Meer?
Ich bin ab und zu dort gewesen, aber es ist nicht meine Welt.

Das Interview führte Annette Clauss. 

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