Schulsozialarbeit in Wörgl
"Schüler sind wegen der Pandemie belasteter"

 Simon Klingseis und Katharina Neuschmid sind Schulsozialarbeiter in Wörgl. Sie haben in der Pandemiezeit eine Verlagerung der Probleme von Schülern beobachten können.   | Foto: Barbara Fluckinger
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Katharina Neuschmid und Simon Klingseis von der Schulsozialarbeit Wörgl sprechen im Interview über ihre Arbeit in Pandemiezeiten, erklären warum Schüler stärker belastet waren und wie man in der Familie einen erfolgreichen Schulalltag für Kinder fördern kann. 

WÖRGL. Katharina Neuschmid und Simon Klingseis kümmern sich in Wörgl insgesamt um rund 600 Kinder und Jugendliche. Sie sind Schulsozialarbeiter, betreuen, begleiten und beraten Schüler der MS 1 und 2 sowie der PTS in Wörgl. Im Gespräch mit den BEZIRKSBLÄTTERN berichten sie von Herausforderungen während der Pandemiezeit, erklären, warum und wohin sich viele Probleme mit der Pandemie verlagert haben und geben Familien Tipps für einen erfolgreichen Schulalltag der Kinder.  

BEZIRKSBLÄTTER: Was macht ihr in der Schulsozialarbeit genau?
Katharina Neuschmid: Wir sind hier eine offene Beratungsstelle für alle Kinder und Jugendlichen und sind zuständig für die Neue Mittelschule 1 und 2 sowie die Polytechnische Schule. Wir sind im Grunde eine Drehscheibe. Die Kinder können bei uns Termine selbstständig ausmachen und bekommen dann einen Termin. Was die Themen betrifft, geht es um alles, was Kinder beschäftigt – das kann Stress in der Schule, Konflikte in der Peer Group oder Stress daheim sein. Genauso aber auch Liebeskummer oder das Thema Corona. Wir stärken und coachen dann die Kinder, damit es ihnen wieder besser geht, und vermitteln auch an andere Einrichtungen, wenn es notwendig ist. Ein wichtiger Eckpfeiler bei uns ist auch die Verschwiegenheitspflicht. Dann gibt es noch die Klasseneinheiten: Präventionseinheiten in der Klasse, bei denen wir zu zweit in die Klasse hineingehen oder auch Interventionseinheiten.
Simon Klingseis: Zusammengefasst kann man sagen, wir machen sozialarbeiterische Beratung für Schüler und deren Erziehungsberechtigte im Einzelsetting oder auch in der Gruppe sowie Klassen- und Gruppenarbeiten. Wir beteiligen uns aber auch mit anderen Einrichtungen zusammen in Wörgl, um zum Beispiel den Jugendbeteiligungsprozess mitzutragen.

BB: Wie viele Schüler habt ihr im vergangenen Schuljahr betreut bzw. wie viele sind zu euch gekommen?
Klingseis: Insgesamt rund 120 Schüler. In einer der Schulen haben wir heuer jeden vierten Schüler in der ganzen Schule in Beratung gehabt.

BB: Wie habt ihr die Pandemiezeit erlebt?
Klingseis: Was auffällig war ist, dass die Themen sich verändert haben, die die Schüler an uns herangetragen haben, und dass es schon spürbar war, dass die Schüler und Schülerinnen belastet sind bzw. belasteter als in normalen Zeiten sind. Das hat sich dadurch gezeigt, dass die Schüler trotz der Lockdowns (...) unser Angebot gut angenommen haben. Das Angebot ist thematisch weggegangen vom Tagesgeschäft, welches wir eigentlich haben, wie dem Klassenkonflikt, Peer Group Konflikt oder Liebeskummer etc. hin zur psychischen Krise und dem Gefühl nicht mehr weiterzuwissen. Auch Gaming bzw. suchtartiges Computerspiel-Verhalten war ein Thema sowie ein kompletter Strukturverlust und Schulabsentismus. Als die Struktur weggefallen ist, war das für viele sehr schwierig. Aber natürlich ging es auch um familiäre Krisensituationen.
Neuschmid: Wenn die Kinder grundsätzlich schon wenig Unterstützung haben und deren Eltern selbst Krisen erleben, sind diese noch mehr durch den Rost gefallen. Panikattacken und Panik davor, wieder in der Schule zu sein, sowie Schlafstörungen haben auf jeden Fall zugenommen.

BB: Stichwort "Anzahl der betreuten Kinder": Wie sieht hier der Vergleich zu einem normalen Jahr aus? 
Klingseis: Es gab ja länger gar keinen Präsenzunterricht, da waren die Beratungszahlen relativ niedrig im Vergleich zu anderen Jahren. Wir haben über den ersten Lockdown hinweg unsere digitale Präsenz über Social-Media-Kanäle usw. ausgebaut, um die Kinder dort abzuholen. Wir haben über Instagram und telefonisch mit ein paar Kindern Kontakt gehabt.
Neuschmid: Es sind sicher weniger Beratungen gewesen, wobei wir jetzt merken, dass es hier starke Nachwehen der Lockdowns gibt. Normal klingt zu dieser Zeit gegen Schulende die Nachfrage ab. Wir haben nun aber mehr zu tun, als in einem normalen Jahr.

BB: Was sind die Top-Themen, mit denen die Schüler vor und nach der Pandemie zu euch kamen bzw. kommen?
Klingseis: Vor der Pandemie waren es vor allem Konflikte mit Gleichaltrigen und schulischer Leistungsdruck. Aber auch das Thema Familie. Nach der Pandemie ist das Thema Familie weiterhin wichtig, aber das zweite Top Thema betrifft schon Körper und Psyche.

BB: Was empfehlt ihr Familien für einen erfolgreichen Schulalltag der Kinder?
Neuschmid: Ich denke eine klare Struktur ist wichtig. Dass, wenn das Kind nach Hause kommt, im Optimalfall auch jemand da ist, der nachschaut, was das Kind macht und ein offenes Ohr hat. Wir haben den Eindruck, dass viele Kinder, die zu uns kommen, auch auf sich alleine gestellt sind. 
Klingseis: Für viele Jugendliche ist in der Pandemie ein wesentlicher Teil ihres Lebens weggefallen. Für viele ist die Peer-Group wie Luft zum Atmen und sie versuchen dann über andere Wege mit dieser in Kontakt zu bleiben. Das passiert bei vielen in den Online-Welten übers Handy oder Gaming. Ich würde Eltern raten, sich mit ihren Kindern hinzusetzen und darüber zu sprechen. Wichtig ist auch, den Druck herauszunehmen und zu sagen: "Wir sehen, was ihr leistet, das ist gut. Wir helfen euch."

BB: Habt ihr für das kommende Schuljahr besondere Schwerpunkte geplant?
Neuschmid: Wir haben, als wir gestartet sind, mehr das Thema Resilienz und Achtsamkeit behandelt, um die Kinder selbst zu ermächtigen. Das werden wir sicher beibehalten und noch ausbauen. Aber auch zum Thema Rassismus und Extremismusprävention werden wir im nächsten Jahr etwas machen.
Klingseis: Was schon ein Thema geworden ist, sind Verschwörungsmythen rund um das Thema Corona. Hier werden wir in der Präventionsarbeit etwas machen, um Jugendlichen beiseite zu stehen. Für Jugendliche ist es hinsichtlich Fake News noch einmal deutlich schwieriger zu differenzieren, was wahr ist und was falsch. Es hat sich in der Pandemiezeit aber auch gezeigt, dass bei der Medienkompetenz ganz viel zu tun ist, weil die Kinder und Jugendlichen in verschiedene Fallen tappen. Bei jedem Konflikt, den wir zurzeit haben, ist ein Handy oder eine Social-Media-Plattform zumindest ein Teilbestand.
Neuschmid: Von der Schule aus ist im nächsten Schuljahr geplant, einen "Online"-Tag für die Eltern durchzuführen, bei dem auch die Eltern über Soziale Medien und Co informiert werden sollen. (bfl)

Mehr Beiträge zum Thema Familie findest du hier.
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Alle Beiträge zum Thema Corona in Tirol gibt‘s hier.

 Simon Klingseis und Katharina Neuschmid sind Schulsozialarbeiter in Wörgl. Sie haben in der Pandemiezeit eine Verlagerung der Probleme von Schülern beobachten können.   | Foto: Barbara Fluckinger
"Panikattacken und Panik davor, wieder in der Schule zu sein, sowie Schlafstörungen haben auf jeden Fall zugenommen", erklärt Katharina Neuschmid.  | Foto: Barbara Fluckinger
Katharina Neuschmid und Simon Klingseis kümmern sich in Wörgl insgesamt um rund 600 Kinder und Jugendliche.  | Foto: Barbara Fluckinger
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