Tiroler Science Writer legt Romandebüt vor
Gerhard Krumschnabel - Die Erfindung der Schwerkraft

Der gebürtige Kufsteiner Gerhard Krumschnabel legt den Roman "Die Erfindung der Schwerkraft" vor.  | Foto: Gerhard Krumschnabel
2Bilder
  • Der gebürtige Kufsteiner Gerhard Krumschnabel legt den Roman "Die Erfindung der Schwerkraft" vor.
  • Foto: Gerhard Krumschnabel
  • hochgeladen von Klaus Adolf Steidl

War Darwin der Meinung, die Erde sei eine Scheibe, an deren Rändern seltsame Wesen leben? Gab es Robinson Crusoe wirklich, und welche Geheimnisse birgt die Zahl Pi? Und wird Gabriel eher mit der vernünftigen Regina sein Glück finden, oder mit der aufregenden, ehrgeizigen Monika, die ihn sexuell beinahe überstrapaziert? Diese und weitere Fragen werden in der „Erfindung der Schwerkraft“ aufgeworfen, dem Debütroman des Innsbruckers und gebürtigen Kufsteiners Gerhard Krumschnabel, der heuer erschienen ist.
Gerhard Krumschnabel, Jahrgang 1965, geboren und aufgewachsen in Kufstein, zog nach dem Besuch des Gymnasiums in Kufstein nach Innsbruck und studierte dort Biologie. Schon während des Studiums arbeitete er an wissenschaftlichen Forschungsprojekten mit, schloss mit einer Arbeit über die Ernährung von Fischen ab und untersuchte in seiner Doktorarbeit, wie der Goldfisch tagelang ohne Sauerstoff überleben kann. Insgesamt arbeitete er dann mehr als 20 Jahre als Forscher und Lektor an der Uni Innsbruck und später der Medizin-Uni Innsbruck, unterbrochen von Auslandsaufenthalten in Großbritannien, Argentinien, den USA und Finnland. Im Zuge seiner wissenschaftlichen Arbeit lebte er bereits seine Ambitionen als Verfasser von Texten aus und wurde Autor und Coautor von 70 englischsprachigen Publikationen in internationalen Fachjournalen.
Nach der Geburt seiner inzwischen 13-jährigen Tochter wechselte er für einige Jahre in die Privatwirtschaft und machte sich schließlich als Medical Writer – als Verfasser wissenschaftlicher Texte für Forscher, Ärzte und die Pharmaindustrie - selbständig.
Als Selbständiger konnte er sich endlich den langgehegten Wunsch erfüllen, einen Roman zu schreiben, wann immer ihm seine Arbeit die Zeit dazu ließ, und gleich daraufhin auch noch einen zweiten, den er nunmehr veröffentlicht hat. Zwei weitere Romane sind inzwischen bereits abgeschlossen, ein fünfter ist im Entstehen begriffen. Ein Artikel zum Corona-Tod der Mutter ist in der Zeitschrift „Furche“ erschienen sowie ein Kapitel aus dem ersten Roman-Manuskript in einer Online-Literaturzeitschrift. Auch nach dem Tod beider Eltern ist Gerhard Krumschnabel nach wie vor regelmäßiger Besucher seiner Verwandten in Kufstein, u.a. seiner beiden Schwestern und seines Bruders, dem langjährigen Bürgermeister der Stadt Kufstein.

Die Erfindung der Schwerkraft

Der Ich-Erzähler, ein Mitdreißiger und Verfasser skurriler Beträge für eine lokale Zeitung, die sich u.a. mit einer Schrift Darwins zur flachen Erde, seltsamen Arten zu sterben, Kannibalismus und der Zahl Pi beschäftigen, stößt auf den Bericht über einen missglückten Banküberfall, der in der näheren Umgebung stattgefunden hat und dessen Umstände zweifelhaft erscheinen. Auf der Suche nach Aufklärung begegnen ihm schräge Geschichten, er trifft skurrile Bekannte und Orte und seinen älteren Freund Gabriel. Gabriel ist Mitte Vierzig, verdingt sich als Wissenschaftsschreiber und sucht die große Liebe. Zwar ist er einerseits ein reflektierter und ernsthafter Mensch, zugleich aber menschlich äußerst fehlbar und schwach, und als er gleich auf zwei Frauen stößt, mit denen eine gemeinsame Zukunft möglich scheint, kann er sich nicht entscheiden. Die ehrgeizige Schriftstellerin Monika beschert ihm aufregenden Sex, die liebenswerte Regina Nähe und Ernsthaftigkeit, aber auch Probleme mit einem Stalker. Eine weitere Frau, die sich ihm anzubieten scheint, eine Prostatauntersuchung ungewissen Ausgangs und seine demente Mutter machen Gabriel ebenfalls zu schaffen. Bei gelegentlichen gemeinsamen Besäufnissen der beiden Freunde werden u.a. auch diese Probleme besprochen und es stellt sich heraus, dass die beiden möglicherweise mehr verbindet, als sie bisher geahnt hatten.

Leseprobe ...

… Die Erkenntnis, dass es sich tatsächlich um den Walter meiner Kindheit und Jugend handelte, löste Erschrecken und anfangs auch Ungläubigkeit in mir aus. Ein Anflug von Trauer, eher getragen von Sentimentalität, Wehmut und Nostalgie als vom Gefühl des Verlusts, mischte sich erst später dazu, als der erste Schock überstanden war und ich die Tatsache als solche realisiert hatte. Ich hatte Walter seit wohl 20 Jahren nicht mehr gesehen, kaum je mehr an ihn gedacht, und er spielte in meinem Leben auch keinerlei Rolle mehr. Lediglich bei einem der inzwischen seltenen Treffen mit meinem Freund Hannes, dem Leader und Frontman unserer damaligen Band, kamen wir einmal auf Walter zu sprechen und fragten uns, was wohl aus ihm geworden sei. Bloß, dass er in einem Kaff namens F. im benachbarten Bundesland gelandet war, hatte Hannes irgendwo gehört, was unser gemeinsamer Freund dort machte und mit wem, wusste auch er nicht. Trotzdem, Walter war nur ein Jahr älter als ich, was viel zu jung ist zum Sterben, wie mir schien, das fand ich äußerst beunruhigend. Andererseits, auf die Art wie er starb, auf dem Weg, den das Schicksal für ihn vorgesehen hatte, diese Welt zu verlassen, kann beinahe jeder zu jederzeit sterben, das Alter hatte hier keine Rolle gespielt. Und dennoch, ich fühlte mich noch so jung, und trotzdem schien mir, als würden sich die Todesfälle in meinem Umfeld langsam häufen. Solange es einen nicht selbst erwischte, würde Morrissey in gewisser Weise also wohl recht haben damit, wenn er sang „My life´s an endless succession of people saying goodbye.“
Wie ich später beim Begräbnis, das ich vor allem aus sentimentalen Gründen besuchte, im Gespräch mit seinen Geschwistern erfuhr, und wie es diese wiederum als die wahrscheinlichste Variante, wie sich alles abgespielt haben mochte, von der Polizei mitgeteilt bekommen hatten, war Walter, nach einer Firmenfeier leicht betrunken und jedenfalls übermüdet, beim Nachhauseweg am Steuer seines Wagens eingeschlafen, durchbrach mit dem Auto einen Gartenzaun und landete schließlich damit in einem Swimmingpool. Vielleicht um sich im Fahrtwind wachzuhalten oder aber um sich nötigenfalls zum Sich-Übergeben rasch aus dem Fenster lehnen zu können, waren die Scheiben der Vordertüren heruntergelassen, was sich letztlich als fatal erwies, weil sich so das Auto binnen Sekunden mit Wasser füllen konnte. Ob er kurz noch aufwachte und beim Sturz wieder bewusstlos wurde, weil er sich – nicht (mehr?) angeschnallt - den Kopf angeschlagen hatte, war nicht zu rekonstruieren, Tatsache war allerdings, dass er letztlich ertrank, eingeschlossen in seinem Auto, am Grunde eines ein Meter fünfzig tiefen Pools.
So ähnlich - „Mann ertrank im Auto im Swimmingpool“ – lautete auch die Pressemeldung, durch die ich auf dieses Ereignis gestoßen war. Der Vorfall klang zwar als solches noch nicht sonderlich spektakulär, aber ich beschloss nach Details zu suchen, der Unfall wäre möglicherweise durchaus geeignet für meine Zwecke. Als ich dann online fand, dass es sich beim Unfallopfer um den 46-jährigen Walter W. aus F. handelte, wurde ich stutzig, diese Kombination von Namen, Ort und Alter schien mir irgendwie bekannt und zu unwahrscheinlich für einen bloßen Zufall. Schließlich suchte ich nach seinem vollen Namen und wurde fündig, vom Bildschirm lachte mir das wohl merklich älter gewordene, aber immer noch vertraut wirkende Gesicht von Walter aus seiner Todesanzeige entgegen. Für meine Arbeit war er damit gleichsam ein zweites Mal gestorben, denn auf keinen Fall wollte ich über den Unfall eines Freundes, und sei die Freundschaft noch so sehr erkaltet und zur bloßen Erinnerung verkommen, in der Rubrik „Kuriose Ereignisse und Todesfälle aus aller Welt“ berichten, jene zwar manchmal durchaus auch sensationslüsterne, aber bislang niveaumäßig dennoch nicht völlig ins bodenlose gesunkene Unterhaltungsseite einer lokalen Zeitung, deren Ausgestaltung mein keineswegs luxuriöses Leben mitfinanzierte.

Der gebürtige Kufsteiner Gerhard Krumschnabel legt den Roman "Die Erfindung der Schwerkraft" vor.  | Foto: Gerhard Krumschnabel
Foto: Gerhard Krumschnabel
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.