Steht auf, habt keine Angst!

Paul VI. beseitigte das alte vatikanisch-byzantinische Hofzeremoniell, verkaufte seine traditionelle dreifache Papstkrone zu Gunsten der Armen. Er war der erste Papst, der eine Weihnachts-Messe in einem Stahlwerk feierte, um den Arbeitern nahe zu sein. Er war der Erste, der ein Flugzeug bestieg und alle fünf Kontinente bereiste. | Foto: domradio.de
  • Paul VI. beseitigte das alte vatikanisch-byzantinische Hofzeremoniell, verkaufte seine traditionelle dreifache Papstkrone zu Gunsten der Armen. Er war der erste Papst, der eine Weihnachts-Messe in einem Stahlwerk feierte, um den Arbeitern nahe zu sein. Er war der Erste, der ein Flugzeug bestieg und alle fünf Kontinente bereiste.
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Zum Sterbetag von Papst Paul VI.

In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht. Da erschienen plötzlich vor ihren Augen Mose und Elija und redeten mit Jesus. Und Petrus sagte zu ihm: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Noch während er redete, warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.
Als die Jünger das hörten, bekamen sie große Angst und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden.
Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst! Und als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus. Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemand von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist. (Mt 17, 1-9)
Am Abend des 6. August 1978 – nach einem heißen Sommersonntag - starb Papst Paul VI. Ich erinnere mich so lebendig daran, weil es meine ersten großen Semesterferien waren und ich zu diesem Zeitpunkt einen wunderbaren Ferienjob bei Pater Leppich hatte, wo ich das Archiv ordnete und die englischen Texte übersetzen durfte.
An diesem Sonntagabend unterbrach das Fernsehen das reguläre Programm und die tickende Uhr, die eingeblendet wurde und eine gefühlte Ewigkeit auf eine Sondermeldung vorbereitete, verhieß nichts Gutes. Die außertourliche Nachrichtensendung vermeldete, dass der Papst während seines Sommeraufenthaltes in Castelgandolfo an einem Herzleiden verstorben sei. Das Programm wurde geändert und eine Sondersendung ausgestrahlt.
Da ich die Mesnerdienste in der Heimatpfarre versah, ging ich, um in der Pfarrkirche das Sterbeläuten für Paul VI. einzuschalten.
Für mich – den 18jährigen – war er ein alter Mann von gestern
und meine Betroffenheit hielt sich darum in Grenzen,
wenngleich ich spürte, dass da etwas Besonderes geschehen war.
Nun bin ich selber dreißig Jahre im Kirchendienst.
Zahllose Begegnungen haben mein Leben reich gemacht.
Mancher Problemberg liegt hinter mir. Und Paul VI. ist mir sehr nahe.
Der große Konzilspapst wurde als klarer Denker und Humanist bewundert, aber auch als "Pillen-Paul" verspottet.
Dieser kluge Mann hatte das Konzil, als manche dabei waren Hütten des Festhaltens und der Unbeweglichkeit zu bauen, neu in den Aufbruch der Christustreue geführt und war vom vatikanischen Gipfel mutig hinab gestiegen ins Leben, mit klarer Entschlossenheit.
Paul VI. beseitigte das alte vatikanisch-byzantinische Hofzeremoniell, verkaufte seine traditionelle dreifache Papstkrone zu Gunsten der Armen. Er war der erste Papst, der eine Weihnachtsmesse in einem Stahlwerk feierte, um den Arbeitern nahe zu sein. Er war der Erste, der ein Flugzeug bestieg und alle fünf Kontinente bereiste. Seine selbst für die 2400 so weltoffenen Konzilsbischöfe überraschende Reise ins Heilige Land und die Umarmung dort mit dem Patriarchen Athenagoras half, die gegenseitigen Bannsprüche zwischen katholischer und orthodoxer Kirche nach mehr als neun Jahrhunderten aufzuheben.
Er hat die Liturgiereform ermöglicht und durchgeführt und in einer nie erwarteten Kehrtwende des Denkens allen Menschen Raum und Würde im Denken und Tun der Kirche geschaffen.
Was vielen nicht bekannt ist:
Paul VI. bot sich 1977 in einem Telegramm an den damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Joseph Höffner, als Geisel an, um die Freilassung der von Terroristen entführten Passagiere der Lufthansa-Maschine „Landshut“ in Mogadischu zu erwirken. Er wollte damit ein Zeichen gegen den Terrorismus setzen.Als sein Freund Aldo Moro im März 1978 entführt wurde, bot er sich der Papst vergeblich als Austausch-Geisel an. Die grauenhafte Ermordung und Auffindung des Freundes haben den Papst zutiefst getroffen. -- Im Testament Pauls VI heißt es über die Welt: „Man glaube nicht, ihr zu nützen, wenn man ihr Denken, ihre Verhaltensweisen und ihren Geschmack übernimmt, sondern indem man sie studiert, sie liebt und ihr dient.“
1978 -am Abend der Verklärung des Herrn ist der weise Paul VI. uns still voraus gegangen.
Für Christen in der Welt gilt noch immer: Studieren, lieben und dienen!
Der Welt und vielen Kritikern in der Kirche bleibt dieser Mann als „Pillen-Paul“ in Erinnerung. Ich wollte heute – an seinem Sterbetag - die Gelegenheit nutzen, auf einige andere Seiten des Montini-Papstes hinzuweisen. Damit möchte ich nicht verharmlosen, dass die Enzyklika "Humanae vitae" ganz erheblich zum Bruch vieler Katholiken mit ihrer Kirche beigetragen hat, zumindest was die Fragen der Sexualmoral anbetrifft, und bis heute negative Folgen hat.
Trotzdem ist Paul VI. nicht nur "Humanae vitae".
Die Bilanz für diesen Papst scheint tragisch“, urteilt der Historiker und Gründer der Gemeinschaft Sant’ Egidio, Andrea Riccardi, „aber vielleicht ist vom historischen Gesichtspunkt aus das Pontifikat Pauls VI. mit seinen Tragödien, seinen Widersprüchen und seiner Größe eines der wichtigsten Pontifikate des 20. Jahrhunderts.“
"Was einer ist, was einer war, // Beim Scheiden wird es offenbar. //
Wir hörens nicht, wenn Gottes Weise summt, //
Wir schaudern erst, wenn sie verstummt." (Hans Carossa)
Vor Johannes XXIII. und Johannes Paul lI. ist mir Papst Paul VI. der bedeutendste, feinsinnigste und zukunftsweisendste Mann auf dem Stuhl Petri im 20sten Jahrhundert. Seine Klarheit und seine Bereitschaft zu Neu-Orientierung und Reform haben der Kirche ein neues Gesicht und damit auch den heutigen Papst Franziskus ermöglicht. Gemäß der Weisung des Verklärten Herrn am Berg Tabor: Steht auf, habt keine Angst!

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