Friedhof - in Frage gestellt

Unsere Begräbniskultur befindet sich im Umbruch -
Gedanken an Allerheiligen-Allerseelen---

Es war einmal in unseren Dörfern selbstverständlich, dass fast täglich einer aus dem Haus auf den Friedhof ging, nach den Blumen schaute und sie goss, Unkraut zupfte, das Grab der alten alleinstehenden Tante oder der Nachbarn, deren Kinder nicht mehr da wohnten, besuchte.
Es war einmal in unseren Dörfern selbstverständlich, dass am Allerheiligennachmittag die meisten aus allen Windrichtungen die Gräber ihrer Vorfahren auf dem Heimatfriedhof besuchten, über den Friedhof gingen, die Gräber der Verwandten oder Schulfreunde aufsuchten. Beim anschließenden Kaffee im Elternhaus wurden Erinnerungen über die Toten ausgetauscht, Anekdoten über sie erzählt, gelacht und manchmal auch geweint.
Es war einmal, dass die Belegzeiten der Gräber wie selbstverständlich immer verlängert wurden, ohne viel darüber nachzudenken, irgendwie aus dem Bauchgefühl heraus: Heimat ist dort, wo wir auch die Namen der Toten kennen.

Verändertes Leben verändert Beziehung zum Tod

Der Friedhof ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, die mobil geworden ist. Die immer mehr geforderte und gelebte Mobilität verändert nun auch das Gesicht unserer Friedhöfe.
Und oft ist die große Sorge alter Menschen: Wo und wie soll ich mich einmal bestatten lassen? Unsere Kinder sind nicht mehr hier. Sie wohnen mit ihren Familien weit weg, haben dort eigene Häuser. In unser Haus kommt einmal keines von ihnen zurück. Wer soll dann einmal unser Grab pflegen?
Ganz unabhängig von der Frage, wieviel Mobilität der Mensch wirklich verträgt, wie heute vom Menschen verlangt wird. Ganz unabhängig von der Frage, wo und wie ist überhaupt noch Beheimatung in einer mobilen Gesellschaft möglich: In Zukunft werden wir aufgrund der Veränderungen in unserer Gesellschaft auch einer ganz grundsätzlichen Frage stellen müssen:
Welches Gesicht sollen in Zukunft unsere Friedhöfe einmal haben?
Auch unsere Dorffriedhöfe werden in 50 Jahren anders ausschauen als sie heute sind!
Für mich ist der Friedhof nicht in erster Linie ein Ort einer aufwändigen Grabpflege, die manchmal an einen Blumenschmuck- oder Engelsfigurenwettbewerb erinnert.

Der Friedhof - Ort der Erinnerung

Der Sinn eines Friedhofs liegt in einer würdevollen Erinnerungspflege.
Ein Ort, der den Namen eines Verstorbenen noch eine Zeit lang für die Lebenden in Erinnerung hält. Der Name erinnert doch an einen Menschen, der hier oft ein Leben lang gelebt hat, durch seine Art das menschliche Klima mitbestimmt hat, sich oft für die Gemeinschaft eingesetzt hat.
Der Sinn eines Friedhofs ist ein Ort, wo man mit der Trauer um liebe Menschen hingehen kann, sie geistig vor meinem Auge aufsteigen sehe, mich dankbar daran erinnere, worin sie für mich groß waren, was ihnen wertvoll und heilig war. Ein Ort, wo ich im Nachhinein vielleicht auch noch ein Stück aufarbeiten kann, was zwischen uns stehen geblieben ist.
Und außer mir gibt es auch noch andere Menschen, denen der oder die Verstorbene wichtig war, von denen ich vielleicht gar nichts weiß.
Der Friedhof rund um unsere Kirchen ist auch ein Ort, der mir Nähe und Abstand zu den Toten vor Augen führt. Wir wissen unsere Toten geborgen in der Hand Gottes – endgültig daheim bei ihm. Gott dürfen wir unsere Verstorbenen anvertrauen und überlassen.
So sehr er uns in der Erinnerungspflege hilft, so sehr brauchen wir auch den Abstand, dass der Tote nicht ständig bei mir ist. Wir wissen aus der Trauerarbeit, wie wichtig es ist, die Distanz auch zum Verstorbenen zu finden. Auch dafür können der Friedhof und der Friedhofsgang eine Hilfe sein: Wenn ich zum Friedhof gehe, um meinen verstorbenen Mann zu besuchen und dann wieder nach Hause gehe: Der Tote ist auf dem Friedhof – und ich lebe hier und muss mein alltägliches Leben ohne ihn gestalten. Ich kann ihn besuchen, aber ich muss auch wieder weggehen.
Der Sinn eines Friedhofs liegt auch darin, dass er mich daran erinnert: Du selbst bist sterblich. Friedhöfe erinnern uns daran, dass in unserem Leben noch ganz andere Dinge zählen als das ewige Geld und der Erfolg. Der Friedhof erinnert mich daran, dass ich auch Frieden mit mir und meinem Leben finden muss. Und er sagt mir ständig: Vergiss nicht, was wirklich im Leben zählt!

Friedhof und Totengedenken - auch morgen noch?

Welches Gesicht wird unser Friedhof auf diesem Hintergrund haben? Welches Gesicht wird er haben, da Menschen in unserer mobilen Gesellschaft immer mehr die Form der Urnenbestattung wählen und auch Baumbestattungen in Friedwäldern an Beliebtheit gewinnen werden?
Mir gehen ein paar Gedanken durch den Kopf:
Ein Friedhof ist ein Ort der Erinnerung, an dem Namen wachgehalten werden.
Ein Ort gegen die Anonymisierung.
Ein Friedhof ist ein Ort, an dem Menschen ins Nachdenken über sich selbst bekommen.
Ein Friedhof ist ein Ort der gesunden Trauerarbeit.
Ein Friedhof ist ein Ort der Begegnung der Lebenden.
In diesen Tagen kommen viele Familien aus allen möglichen verschiedenen Windrichtungen an den Gräbern ihrer Lieben zusammen. Vielleicht ist das auch die Gelegenheit, in der Familie einmal darüber zu reden:
Wo wird einmal bestattet?
Gibt es vielleicht einmal einen zentralen Ort, wo wir sagen, den können wir aufsuchen? Wie stellen wir uns unsere Gräber einmal vor?
Wir werden auch darüber reden und entscheiden müssen – warum nicht in diesen Tagen?

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