Zwei Pfleger für 80 Klienten
"Viele Pfleger überlegen aufzuhören"
Ein Betriebsratsvorsitzender aus dem Lavanttal packt aus.
KÄRNTEN/LAVANTTAL. Das große Warten auf die Pflegereform: Bei einem Kärnten-Besuch Ende April hatte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) davon gesprochen, noch vor der Sommerpause im Parlament ein Konzept präsentieren zu können. Es solle laut Rauch „nicht beim Dankeschön für die Pflegekräfte“ bleiben. Zudem kündigte das Land Kärnten zuletzt ein Pflegepaket an..
„Viele mit Kraft am Ende“
Doch wie sehen Kärntner Personalvertreter die Situation? Laut Silvia Igumnov, der Landesfrauenvorsitzenden des ÖGB Kärnten, wäre es „5 nach 12“. Igumnov: „Die Beschäftigten im Pflegebereich arbeiten mit ganzem Herzen für die Menschen in diesem Land. Doch viele sind mit ihrer Kraft am Ende.“ Die Maßnahmen seitens des Landes bezeichnet Igumnov „als ersten Schritt in die richtige Richtung“, es brauche jedoch mehr. Zur Bundesregierung und der angekündigten Pflegereform sagt sie: „Ich bin da sehr skeptisch, weil wir diese Bekenntnisse schon sehr lange hören. Es wurde viel geklatscht, passiert ist jedoch definitiv nichts. Bis dato waren es leere Worte.“
Missstände
Mit einem Herzensanliegen hat sich der Betriebsratsvorsitzende eines Heimbetreibers im Lavanttal an die Woche gewandt. Seinen Beruf liebt er – gerade deswegen will er auf die Missstände hinweisen, unter denen die Kollegschaft leidet. Namentlich möchte er nicht genannt werden – aus Sorge vor Repressalien in seinem Arbeitsalltag.
Viel zu wenig Personal
Die Pflege lebe derzeit allein vom Idealismus der Mitarbeiter, die Arbeitsbedingungen seien schlecht. „Man ist im Pflegeberuf einem enormem Druck- und Stresslevel ausgesetzt. Es gibt viel zu wenig Personal“, berichtet er aus seiner Berufserfahrung. „Während der Nachtdienste sind bei uns beispielsweise nur zwei Pflegekräfte eingeteilt – für über 80 Klienten.“
Bezahlung zu gering
Der Job müsse für junge Menschen attraktiver gemacht werden. Zwei Faktoren spielen hier mit: Bezahlung und Freizeit. „Die Heime zahlen nicht über Kollektivvertrag, obwohl sie es könnten. Man verdient viel zu wenig für das, was man leistet.“ Unter dem Personalmangel leidet auch die Qualität der Pflege: „Man muss im Berufsalltag immer darauf bedacht sein, dass man seine Aufgaben so schnell wie möglich erledigt, denn der nächste Klient wartet schon. Doch je mehr Stress man hat, desto leichter unterlaufen einem Fehler.“
Stress erhöht Krankenstände
Obwohl es Dienstpläne gibt, fällt es immer schwerer, die eigene Freizeit zu planen. Fällt krankheitsbedingt jemand aus, muss rasch Ersatz gefunden werden. „Das hohe Stressniveau erhöht in der Praxis auch die Krankheitsanfälligkeit der Mitarbeiter. Das ist ein ewiger Kreislauf, der nur mit einer massiven Entlastung unterbrochen werden kann“, meint der Betriebsratsvorsitzende.
Große Frustration
Kein Wunder also, dass kaum Nachwuchs gefunden wird. „Warum sollte ein junger Mensch in der Pflege arbeiten, wenn er wenig verdient, wenig Freizeit hat und auch wochenends, nachts und an den Feiertagen arbeiten muss?“, fragt man sich. Dass kaum neue Pflegekräfte gefunden werden, ist das eine Problem. Die bestehenden zu halten ein anderes: „Viele überlegen aufzuhören und sich einen anderen Job zu suchen. Sie sind frustriert“, bestätigt der Pfleger.
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