Interview
"Das Raufen wird langsam unmöglich"

KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn fordert von der Stadt Linz, den Menschen in der Krise unter die Arme zu greifen. | Foto: BRS/Diabl
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  • KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn fordert von der Stadt Linz, den Menschen in der Krise unter die Arme zu greifen.
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KPÖ-Chefin Gerlinde Grünn im Sommergespräch über die Auswirkungen der Teuerung, notwendige Solidarität, überflüssige Prestigeprojekte und die Haltung der KPÖ zum Ukraine-Krieg.

LINZ. Für die Linzer KPÖ-Chefin Gerlinde Grünn ist es bereits die dritte Gemeinderatsperiode, aber die erste, in der die KPÖ über ein zweites Mandat verfügt und damit Fraktionsstärke hat.

Wie ist Ihre Bilanz über das abgelaufene Gemeinderatsjahr?
Grünn: Das ist meine dritte Periode und es ist jedes Mal ein bisschen anders, weil sich die Mehrheitsverhältnisse ändern. Diesmal ist das Besondere für mich, dass ich nicht mehr alleine bin. Man kann sich die Arbeit besser einteilen und hat die vollen Rechte, etwa Anträge zu stellen. Natürlich hat sich auch im Gemeinderat einiges verändert. Es sind neue Listen und Fraktionen dazugekommen und eine Verjüngung eingetreten, weil auch bei den großen Parteien sehr viele Junge angefangen haben.
 
Der Gemeinderat ist bunter als zuvor. Wie sehen Sie die Performance der vielen kleinen Parteien?
Ich bin überzeugt, dass auch kleine Fraktionen und Einzelkämpfer eine wichtige Funktion haben, weil sie das Ganze beleben und neue Blickpunkte einbringen können, die sonst bei den Großen gar keine Rolle mehr spielen.

"Das rechte Eck ist sicherlich geschwächt"

Außerdem gibt es keine Koalition mehr, sondern ein freies Spiel der Kräfte. Ist das ein Fortschritt?
Positiv ist, dass das Packeln von SPÖ und FPÖ aus der letzten Periode nicht mehr in der Dimension vorhanden ist. Jetzt kann sich die SPÖ aussuchen, mit wem sie spielen möchte. Das ist sicherlich eine Schwächung des rechten Eckes und das ist positiv.  

Wo sieht sich die KPÖ in dieser Konstellation?
Wir sehen uns auf der Seite der einfachen Menschen, des Sozialen. Mein Kollege Michael Schmida hat einen Schwerpunkt in der Verkehrspolitik und setzt sich für eine Verkehrswende ein. Unsere Hauptaufgabe in der Opposition ist es, Dinge zur Sprache zu bringen, die sonst wenig Rolle spielen.

Gemeinsam mit dem neuen KPÖ-Gemeinderat und Verkehrssprecher Michael Schmida tritt Grünn für eine Verkehrswende ein. | Foto: BRS/Diabl
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Mit der Forderung nach einer Verkehrswende sind Sie nicht alleine. Wo unterscheiden Sie sich etwa von den Grünen?
Es ist eine positive Entwicklung, dass zahlreiche Parteien im Gemeinderat eine Wende befürworten. Die Forderung nach Freifahrt im öffentlichen Verkehr ist aber unser Alleinstellungsmerkmal. 


"Hajart erkennt wichtige Dinge"

Wie schätzen Sie das Engagement von Martin Hajart ein?
Ich sehe das positiv, wenn die ÖVP einen Verkehrsstadtrat stellt, der wichtige Dinge erkennt und zumindest Lippenbekenntnisse abgibt. Das steht aber in gewissem Widerspruch zum sonstigen Verhalten der ÖVP im Gemeinderat, wenn es um große Verkehrsprojekte geht.

Welche KPÖ-Erfolge gibt es?
Ein großer Erfolg war der Energiegutschein im März. Wer einen Heizkostenzuschuss bezieht, bekommt von der Stadt zusätzlich einen 30 Euro-Gutschein. Die 30 Euro sind aber in der neuen Situation leider nur mehr ein Tropfen auf den heißen Stein.

Was gibt es sonst für Ideen gegen die Teuerung?
Zumindest für Kinder aus den ärmsten Haushalten sollte das Essen in den Kinderbetreuungseinrichtungen wieder gratis sein. Wir fordern auch eine Energiegrundsicherung: Jeder bekommt, was notwendig, gratis zur Verfügung gestellt. Den Rest muss man bezahlen. Und natürlich braucht es einen Solidaritätsfonds. Damit sollte man Menschen helfen, die Probleme bei der Miete oder den Energiekosten haben. Da wird im Herbst einiges auf uns zukommen. 

"Die Situation hat sich unglaublich verschärft"

Wie sind die Menschen betroffen?
Menschen mit wenig Einkommen haben es immer schwer gehabt. Durch diese multiplen Krisen verschärft sich die Situation aber unglaublich, weil das Einkommen nicht steigt. Das trifft auch Menschen, die es gewohnt sind, mit wenig sehr gut auszukommen. Unlängst war eine alleinerziehende Mutter da, die als Reinigungskraft Teilzeit in einer Schule arbeitet. Der Vater zahlt seine Alimente nicht und dann kommt eine Rechnung oder der Kühlschrank wird kaputt. Sie möchte dem 13-jährigen Kind ermöglichen, beim Schulausflug mitzufahren. Solche Schicksale sind das. Ich habe mit Menschen zu tun, die immer raufen, aber das Raufen wird langsam unmöglich. Auch die Möglichkeiten, die unser Sozialsystem anbietet, sind nicht unendlich.  

Angesichts der Teuerung fordert die KPÖ einen Verzicht auf einen Teil der Parteienförderung zugunsten eines Sozialfonds. | Foto: BRS/Diabl
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Was kann und soll die Stadt tun?
Budgets sind ja gestaltbar. Wenn ich mir anschaue, wie groß die Zuschüsse sind, die die Stadt für die Autobahnabfahrt Auhof gewährt, aber sagt, man kann es sich nicht leisten, den Sozialfonds aufzustocken. Es ist klar, dass die Stadt nicht alles beeinflussen kann, aber sie kann im Rahmen des Budgets durch Umschichtungen Mittel zur Verfügung stellen. Für Marketing hat man das Geld ja auch.

Oder für Fußballstadien.
Oder für Fußballstadien. Das sind immer Verteilungsfragen. In Krisenzeiten muss man Menschen, die hier leben und denen es nicht gut geht, unter die Arme greifen. Das ist wichtiger als irgendwelche Prestigeprojekte.

Das Donauparkstadion hat auch die KPÖ unterstützt. 
Verbindlichkeiten, die da sind, sind eine Sache. Kleinere Dinge würden aber sofort gehen. Die Fraktionen könnten auf zehn Prozent der Parteienförderung verzichten und das Geld für eine rasche Auffüllung des Sozialfonds nutzen.

"Was liegt, das pickt"

Würde die KPÖ das Donauparkstadion, wenn möglich, zugunsten der Hilfe für Arme aufschieben oder fordert man das immer nur, wenn es um Lieblingsprojekte von anderen Parteien geht?
Das ist eine schwierige Frage. Das war bei uns auch eine große Diskussion. Wir haben uns dafür entschieden, das zu unterstützen und dabei werden wir auch bleiben. Was liegt, das pickt.

Im letzten Gemeinderat wurden 800.000 Euro für Bäume in der Innenstadt beschlossen. Dafür ist Geld da?
Wir haben das Projekt unterstützt, weil es ein gutes Projekt ist. Es ist der Versuch, in einer Gegend, wo keine Bäume vorgesehen waren, welche zu pflanzen. Das Geld ist dort besser aufgehoben als im Westring.

Gerlinde Grünn beim Sommergespräch mit der BezirksRundSchau. | Foto: BRS/Diabl
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Sie treten für Gratis-Öffis ein. Ist es realistisch, dass so etwas einmal kommt und wie wollen Sie das finanzieren?
Das Thema ist schon sehr alt. Einer meiner Vorgänger, Franz Kain, hatte das schon gefordert. Es gibt ja Städte, wo das schon praktiziert wird. Das wäre ein soziales und ein ökologisches Angebot, wichtige Themen, die aufgrund der Klimakrise noch wichtiger geworden sind. Die Finanzierung ist wieder eine Frage des politischen Willens. 

"Gratis-Öffis sind ein attraktives Angebot"

Welche Projekte möchte die KPÖ für junge Menschen umsetzen?
Gratis-Öffis sind auch für Junge ein attraktives Angebot. Wir haben uns auch immer sehr für den öffentlichen Raum eingesetzt, weil wir davon überzeugt sind, dass der allen Menschen gehören soll und es vor allem im innerstädtischen Bereich sehr viel kommerzielle Interessen auf Kosten von jungen Menschen gibt. Das ist auch für Menschen, die wohnungslos sind oder wenig Geld haben, wichtig. 

Was ist aus KPÖ-Sicht derzeit die größte politische Herausforderung in Linz?
Das letzte Doppelbudget ist unter anderen Umständen, nämlich noch vor dem Ukraine-Krieg, beschlossen worden. Die Stadt wird also finanzielle Einschränkungen machen müssen. 

KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn fordert von der Stadt Linz, den Menschen in der Krise unter die Arme zu greifen. | Foto: BRS/Diabl
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Zur Corona-Krise ist nun auch ein Krieg dazugekommen. Wie sieht die ehemals eher russlandfreundliche KPÖ die Situation in der Ukraine?
Das politische System der Russischen Föderation ist ein kapitalistischer Staat mit autoritärer Ausprägung. Das ist nichts, was einer Kommunistin gefällt. Wir verurteilen den Angriffskrieg auf die Ukraine und hoffen, dass das Ganze in Friedensverhandlungen endet. 

Im Frühling sind viele Geflüchtete aus der Ukraine zu uns gekommen. Wie hat das in Linz und Österreich funktioniert?
Es waren relativ schnell private Initiativen da, die hochprofessionell geholfen haben. Das hat sich 2015 alles erst finden müssen. Aber so gut schaut es mit der Versorgung dieser Menschen auch nicht aus. Da warten immer noch viele auf Zugänge zu Sozialleistungen. 

"Wir müssen da durch"

Angesichts der vielen Krisen, vor allem aber der Klimakrise. Kriegt die Menschheit das noch hin? Sind Sie in diesem Jahr optimistischer oder pessimistischer geworden?
Ich bin zäh. Bei den Menschen ist in der Entwicklung noch viel Luft nach oben. Aber ich habe unlängst einen schönen Spruch von Sartre gelesen: Es sind nicht die schönsten Zeiten, aber es sind unsere. Wir können es uns nicht aussuchen, wir müssen da durch.

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