"Im Gegensatz zum Bund diskutieren wir im Land über gelegte Eier"

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BezirksRundschau: Ein Jahr Landtagspräsident Viktor Sigl, wie sieht die erste Bilanz aus?
Sigl:
Ich habe meine Arbeit unter drei Schwerpunkten angelegt: Föderalismus, Oberösterreichisches Klima und Internationalisierung des Standorts. Beim Föderalismus haben wir uns besonders im Umgang mit dem Hochwasser im Juni 2013 hervorgetan, wo wir bereits im September das Nachtragsbudget beschlossen haben. Andere Bundesländer, die betroffen waren, haben etwas länger gebraucht. Zum Föderalismus auch noch: Wir haben den Landesrechnungshof mit einem neuen Gesetz ausgestattet. Kernpunkt: Die Prüfkompetenz für Gemeinden. Da haben wir auch sehr rasch und professionell agiert. Wie wichtig es ist, dass wir die föderalistische Schine leben, zeigt auch die Einrichtung des Landesverwaltungsgerichts, wo wir erstmals eine Bundeskompetenz in unsere Bereiche gekriegt haben. Drei Beispiele, dass Föderalismus gelebt werden muss.

Die Landesregierung hat aus Ihrer Sicht also einiges weitergebracht.

Wir hatten insgesamt 157 Sitzungen - vom Landtag bis zum Unterausschuss. Wir haben ungefähr also 100 Sitzungstage absolviert, was ein Beleg für die Aktivität der Abgeordneten im rein gesetzlichen Bereich ist, nicht im politischen, der ja noch dazukommt.

Wie steht es um das von Ihnen angesprochene "oberösterreichische Klima"?

Wir haben dieses Klima. Wir haben 542 Beschlüsse gefasst in meinem ersten Jahr als Landtagspräsident. 67,5 Prozent davon waren einstimmig, 28 haben wir mit einer Mehrheit von drei Fraktionen beschlossen, also zusammen 95,5 Prozent. Diese Bereitschaft, Oberösterreich gemeinsam zu entwickeln, ist eine sehr breite. Natürlich weiß jede Partei, wo ich politisch und parteipolitisch stehe. Aber es ist eine hohe Bereitschaft da, Dinge gemeinsam zu entwickeln und zu beschließen.

Trotzdem hat die Bevölkerung ein anderes Bild von der Politik, wenn es wahrscheinlich auch großteils durch die Bundespolitik geprägt ist.
Den Fehler, den man auf der bundespolitischen Ebene macht – oder sagen wir es umgekehrt: Was wir besser machen ist, dass wir über gelegte Eier diskutieren und die Bundesebene im Wesentlichen über alle ungelegten Eier philosophiert und sich dann wundert, wenn die Ergebnisse der kleinste Nenner. Wir haben es in Oberösterreich sehr gut verstanden und das ist auch eine Professionalität, die ich in allen politischen Parteien hier sehe, dass wir beim Ausgangspunkt eines Themas durchaus verschiedener Meinung sind, dass wir aber auf eine größtmögliche gemeinsame Orientierung hinarbeiten. Das ist etwas, was ich nur dem Bund empfehlen kann, dann an die Öffentlichkeit zu gehen, wenn es Ergebnisse gibt. Und nicht, wenn es keine Ergebnisse gibt. Und auf der Bundesebene ist in Wahrheit die Berichterstattung voll mit Nicht-Ergebnissen.

Oder mit Vorstößen von ÖVP-Parteimitgliedern ...

Ja, das ist auch ein Nicht-Ergebnis. Wenn es klar ist, dass ein Kollegialorgan für die Festlegung eines Gesetzes oder einer Verordnung zuständig ist, wäre es das Normalste auf der Welt, zuerst die Grundlage zu erarbeiten. Den Schritt gehen wir in Oberösterreich. Ich nehme nur das Hochwasser her. Da geht es um irre Summen, die zur Diskussion stehen. Für 2014 sind es 127 Millionen, für 2015 sind es 112 Millionen Euro. Das wäre auch geeignet, dass ein jeder den unterschiedlichen Ausgangspunkt seiner Überlegungen kommuniziert. Dann betoniert er sich aber selber ein. Wie man sich auf eine bessere Lösung hinorientieren kann, das muss mir einer vorhüpfen, wenn ich den Beton am Fuß habe.

Tut man sich da auf Landesebene nicht doch deutlich leichter als auf Bundesebene?
Es ist keine Zahl der Einwohner, die man vertritt, sondern der Spielregeln, die man einhält. Die Spielregeln, die wir vertreten, können durchaus auch Spielregeln auf Bundesebene sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Bund die Spielregeln gegeben hat, wie sie der Bund und die Opposition jetzt vorleben.

Die Länder machen es der Regierung ja auch nicht leicht und tun sich mit der Einhaltung von Spielregeln auch schwer.
Warum ist das so? Weil es keine gemeinsame Strategie auf Bundesebene gibt. Auch wir in Oberösterreich haben oft unterschiedliche Zugänge, aber die Arbeit beruht auf einer maßgeblichen strategischen Planung der Ressorts. Und die ist allen Playern bekannt. Wenn es diese strategische Planung auch auf Bundesebene gäbe und die den Ländern auch bekannt ist, dann schaut die Welt anders aus. Ein Beispiel: Die Diskussion um das Aufstellen von Radarkästen durch Gemeinden. Meines Wissens wurde das mit den Ländern nie diskutiert. Deshalb sagt der eine Landeshauptmann "dem kann ich was abgewinnen" und der andere Landeshauptmann "ich nicht". Wahrscheinlich ist das auch auf Ebene der Gemeinden so. Im Bereich von Schulen, Krankenhäusern, Kindergärten macht das für viele Gemeinden Sinn. Andere werden sagen: "Nein, gleich bei der Stadteinfahrt, weil da kann ich am meisten kassieren." So breit stellt sich diese banale Geschichte "Radarkästen in Gemeinden" dar. Die oberösterreichische Lösung wäre gewesen: Ist das ein Thema? Wenn ja, dann gehören die, die es betrifft, an einen Tisch und es wird eine Entscheidung festgelegt.

Dritter Schwerpunkt ihres ersten Landtagspräsidenten-Jahres war die Internationalisierung - wie sieht hier die Bilanz aus?

Oberösterreich wird immer mehr als spannender, stark international ausgerichteter Standort gesehen. Der größte Teil unseres Wohlstandes beruht auf der Tatsache, dass unsere Produkte in der ganzen Welt und nicht nur am Heimmarkt gekauft werden. Wir stellen aber auch fest, dass es nicht nur Waren und Dienstleistungen sind, an denen international Interesse besteht. Immer öfter kommen Politiker und andere Vertreter aus dem Ausland zu uns, um zu erfahren: Wie macht Ihr das bei der Arbeitspolitik, im politischen Umgang, in der Verwaltung? Wie wichtig das ist, hat man zuletzt beim Ausschuss der Regionen in Brüssel gemerkt. Dort haben sich die 274 Regionen darauf geeinigt - und das ist sensationell - dass bei der Neuregelung der Förderrichtlinien für Erneuerbare Energie die Atomkraft nicht enthalten ist. Und das in einer Welt der Regionen zusammenzubringen - und wir wissen, wie die Meinungen über Atomenergie auseinandergehen -, das ist beachtlich und zeigt: Wenn kleine Regionen beginnen, sich zu formieren, dann wird etwas mehrheitsfähig.

Oberösterreich muss also nicht nur im Land selbst international denken ...
... sondern sich auch international seine Interessen präsentieren und schauen, dass diese Interessen auch Mehrheiten bekommen. Und gerade in dieser Frage der Internationalisierung möchte ich ganz stark die Jugend mitnehmen. Denn wir merken, dass gerade dort die Bereitschaft, offensiv zu sein, nochmal stärker als in der Wirtschaft oder anderen Gesellschaftsbereichen ist. Da hake ich mit dem Thema Demokratiewerkstatt ein, wo wir versuchen, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, Föderalismus, oberösterreichisches Klima, Gestaltungsbereiche näher kennen zu lernen und vor allem auszuprobieren. Wir werden - das stimme ich gerade mit den Landtagsklubs - ausgehend von der tollen Demokratiewerkstatt auf Bundesebene von Nationalratspräsidentin Prammer eine oberösterreichische Variante entwickeln. Das ist was anderes als das Jugendparlament. Das sind Workshops mit Schulklassen von der 3. Klasse Volksschule bis zum Polytechnischen Lehrgang. Die sind einen Tag bei uns, bekommen eine Beratungsbegleitung im Rahmen eines Workshops, bereiten Arbeiten in einem Themenbereich auf - auch medial -, sodass sie daraus auch zu dem Bereich eine Zeitung, ein Video oder sonstwas machen, das sie dann auch weitergeben. Die jungen Leute bauen also ein Kommunikationsinstrument auf, um die Inhalte hinauszutragen.

Ein Thema, das mit dem Landtagspräsidenten eng verbunden ist, ist das Ehrenamt. Viele Vereine sehen derzeit ihre Zukunft in Frage gestellt, weil die Finanz sie ins Visier genommen hat.
Für die Zukunft gibt es durch die Regelung der früheren Finanzministerin mit den Freigrenzen Klarheit. Das Problem liegt in der Vergangenheit, die geprüft wird und wo es zu Nachzahlungen kommt, auf deren Basis dann noch weiter zurückgeprüft wird. Dadurch verfallen viele in Frust und kann die Ehrenamtlichkeit Schaden nehmen. Ich appelliere an die Finanz, dass sie die Umwegrentabilität bedenken muss, was eine Gesellschaft an Ehrenamt auch braucht. All das, was dort verdient wurde, unterliegt der Finanzprüfung der Vereine und der Rechenschaftspflicht. Ich gehe davon aus, dass sich da niemand selbst bereichtert hat. Und gerade wenn ich den Sport hernehme: Es wird nur dann möglich sein, den Sportstättenbau einigermaßen in der jetzigen Dynamik aufrecht zu erhalten, wenn die Vereine bereit sind, ehrenamtlich zu arbeiten oder vorher ehrenamtlich Einnahmen gemacht zu haben. Und das hat durchaus auch eine konjunkturelle Komponente: Der Sportstättenbau hat neben den generellen Investitionen auch den Charme, dass die Investitionen auch bei den Klein- und Mittelbetrieben in den Gemeinden ankommen - und zwar direkt. Wenn die Finanz den Vereinen das Geld für zukünftige Investitionen wegnimmt, dann nehmen sie einen Teil davon der Wirtschaft direkt weg. Denn diese Eigenmittel ergänzen die Fördermittel und bringen damit eine Investition zustande. Nur mit der Förderung alleine wird es nicht gehen. Es ist von der Finanz viel aufgerollt worden, aber es ist nicht notwendig, dass ich Vereinsfunktionäre so demoralisiere, indem ich ihnen jeden Spielraum für den ordnungsgemäßen Betrieb - da bin ich voll bei der Finanz - nehme. Eine Toleranz und Abwägung kann man auch von der Finanz verlangen, und das tue ich.

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