Jeder hat ein bissl recht

BezirksRundschau: Was für eine Rolle spielt in Oberösterreich der Landtagspräsident?
Sigl: Zum einen ist er einmal der Vertreter des gesamten Landesparlaments. Auf der zweiten Seite nimmt er damit auch eine wichtige Drehscheibenposition ein, wenn es um Anliegen des Landes um den Wettbewerb der Regionen geht, weil hier die Gesetzgebung auch beim Standortwettbewerb immer mehr an Bedeutung zunimmt.

Über die Standortqualität Österreichs wurde zuletzt ja intensiv – vor allem innerhalb der ÖVP – diskutiert.
Ich bin froh, dass es die Diskussion gibt, weil wir es schon gewohnt waren, dass wir in vielen Bereichen Spitze sind und manchmal schon den Eindruck hatten, dass das für immer so ist. Wir sind erfolgsverwöhnt. Aber in einem zunehmenden Wettbewerb der Regionen, in dem wir uns ja wiederfinden, ist es wichtig, das pointiert darzustellen.

"Wo wären wir denn, wenn alles in Wien geregelt wird?"

Die Bezeichnung „abgesandelt“ durch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl war vielen aber zu pointiert.
Die Wortwahl ist das zweite, aber wichtig ist, und das sagt das Ranking: Wir haben nicht abgebaut, aber wir müssen an Dynamik in der Entwicklung weiter zulegen, weil es die anderen auch tun. Und dort zeigt sich einmal mehr, dass es gilt, den Vorteil, den wir in der föderalen Struktur haben, auch auszuspielen. Wo wären wir denn, wenn alles in Wien geregelt wird? Damit sind wir im Bereich der Rahmenbedingungen, da kann ein Land wie wir es sind, sehr viel tun. Da rede ich gar nicht so sehr von den Budgets für Forschung und Bildung. Wo wir viel Spielraum haben, ist bei der Standortentwicklung – etwa wie es aussieht mit der kommunalen Betriebsentwicklung. Wie attraktiv sind wir als Standort, der hohe Rechtssicherheit gibt, der aber mehr geben muss – der etwa die Frage beantworten muss: Wie gehen wir mit den Bedürfnissen der Firmen um? Wie gehen wir auf die ein und wie gehen andere Regionen auf diese Bedürfnisse ein. Und da haben wir sehr wohl etwas zu tun, weil unsere Firmen internationaler geworden sind. Wir haben heute 8000 Firmen, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind und das bedeutet für uns ein Nachjustieren in vielen Bereichen.

Welche Rolle können Sie als Landtagspräsident übernehmen?

Der Landtagspräsident kann Oberösterreich in Europa vertreten – ich bin ja Mitglied im Ausschuss der Regionen. Andererseits habe ich das Thema Internationalisierung ganz besonders im Auge. Viele Delegationen aus dem Ausland, die zu uns kommen – heute war eine chinesische da -, die kommen zu uns, um zu lernen, sind aber auch auf der Suche nach Partnern. Und da hat ein Landtagspräsident viele Möglichkeiten, weil die Funktion eines Vorsitzenden eines Landtagsparlaments auch im internationalen Ranking Regionen unterscheidet.

"Das oberösterreichische Klima ist ein Schwerpunkt für mich."

Im Land wird der Landtagspräsident ja auch immer ein bisschen als Aufpasser auf die politische Kultur im Land gesehen.
Ich verstehe mich überhaupt nicht als Aufpasser. Für die politische Kultur ist jeder eigenverantwortlich, der in der Politik tätig ist. Ich sehe mich aber sehr wohl dafür zuständig, wenn es um die Frage des oberösterreichischen Klimas geht. Das hat Oberösterreich gerade in der Aufbauphase der Republik sehr stark gemacht. Und dieses sogenannte oberösterreichische Klima, das natürlich jeder für sich definiert, hat schon dazu geführt, dass die Verantwortung zur Zusammenarbeit nicht nur die einen sondern alle haben. Und hier sehe ich mich als Kämpfer dafür, dass jeder die Verantwortung hat, sich einzubringen. Das bedeutet auch, dass der Respekt vor einander gegeben ist und das bedeutet, dass das oberösterreichische Klima ein Schwerpunktthema für mich ist. Ich hatte auch bisher die Möglichkeit, mich in diesem Bereich so zu positionieren, dass ich mit allen politischen Kräften eine gute Gesprächsbasis habe, weil ich im Sachthemenbereich meinen Schwerpunkt sehe. Und da hat jeder die Möglichkeit, sich einzubringen und jeder hat ein bissl recht. Dass nur einer recht hätte ist weder in der Familie noch in einem Land so. Und es hat weder die Wirtschaft zu 100 Prozent recht, noch die Sozialpolitik. Das Zusammenspiel der Kräfte macht uns 100 Prozent stärker.

Die Sozialpartnerschaft hat schon reibungsloser funktioniert – manche sehen sie überhaupt als Bremse in der Entwicklung.
Naja, jede Institution ist gut beraten, sich der Themen anzunehmen, für die sie da ist. Die Sozialpartner haben nicht unterschiedliche Aufgaben sondern eine gemeinsame Aufgabe. Sie haben unterschiedliche Zugänge zu den Lösungsansätzen – da spielen die Interessen mit. Aber im Prinzip besteht der Selbstzweck der Sozialpartnerschaft darin, die gemeinsame Entwicklung der Betriebe mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit den Eigentümern dieser Betriebe aufzubereiten. Das ist der Job. Und da muss jeder damit rechnen, dass zwar jeder einen eigenen Standort hat, von dem er ausgeht. Aber zu suchen ist immer der gemeinsame Standpunkt – nicht der kleinste gemeinsame Nenner. Sprich: Der Wirtschaftsstandort Oberösterreich muss die Triebfeder sein. Manche beginnen derzeit, den Standort von dem sie kommen, auch als ihren Standpunkt zu definieren. Dann funktioniert es nicht. Einen gemeinsamen Standpunkt zu finden, heißt, sich auf einander zuzubewegen. Das ist nicht nur eine Bringschuld des einen sondern auch eine Holschuld des anderen. Wenn das funktioniert, hilft man dem Wirtschaftsstandort Oberösterreich – und damit sehr stark auch der Politik und den Parteien.

Oft geht es bei der Sozialpartnerschaft aber nur mehr um das Finden des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Das ist dann der Fall, wenn das aufeinander Zugehen nicht stattfindet. Wenn der Dialog auf moderne Weise geführt wird, dann haben gerade die Sozialpartner heute eine besondere Rolle. Und es ist neben der Politik auch die Sozialpartnerschaft, die die Internationalisierung des Landes und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe in die Lage gebracht hat, in der wir heute sind. Und die gilt es weiterzuentwickeln und nicht zu glauben: Es passt schon und jetzt schauen wir mal, was der eine dem anderen herausreißen kann. Das wird nicht funktionieren. So sehe ich das auch in der Politik.

Wie schwierig ist es momentan, den Wahlkampf aus dem Landtag herauszuhalten?
Die Wahlkampfmanager der Parteien machen sich natürlich auch Gedanken, wie man die Landesparteien in die Intensivphase des Wahlkampfs einbinden kann. Das hat uns dazu bewogen, vorauszudenken. Deshalb habe ich gesagt: Wir haben drei Tage vor der Nationalratswahl die Landtagssitzung eingetaktet. Wäre es nicht besser, sie zu verschieben. Und wir haben uns darauf geeinigt, die Sitzung nicht am Donnerstag vor der Wahl sondern am Donnerstag danach zu machen. Die Parteien haben das letztendlich auch so gesehen. Wir alle können uns noch an die Nationalratssitzung vor der letzten Nationalratswahl erinnern, an der zahlen auch unsere Kinder noch, was da alles beschlossen wurde. Wir haben deshalb bewusst gesagt: Wenn es geht, den Parteistrategen keine Bühne zu bieten, dann ist das etwas, was den Parteien nach der Wahl gut tut. Und alles was vorher an Porzellan zusammengehaut wird, muss nachher zusammengeklebt werden. Und mir ist lieber, wir schauen auf das Porzellan und arbeiten daran, es besser zu machen.

Wie ist grundsätzlich die Gesprächskultur im Landtag?
Die ist eine sehr gute. Natürlich gibt es unterschiedliche Zugänge zu Lösungen und die führen klarerweise zu verschiedenen Meinungen und heftigen Diskussionen. Aber die Diskussionsfähigkeit ist bei uns sehr hoch, auch die Bereitschaft Kompromisse oder Lösungen zu suchen. Die Achtung vor einander ist sehr hoch.

Als Landtagspräsident sind Ihnen auch die Bürgergesellschaft, das Ehrenamt, die Freiwilligkeit ein großes Anliegen.
Das Thema Ehrenamt ist ein tolles Beispiel für Föderalismus. Gerade beim Ehrenamt erleben wir, dass Probleme dort am besten gelöst werden, wo man selbst Betroffener ist und andererseits eine Struktur hat, um auf Lösungen zu kommen. Stellen wir uns doch die gesamte Hochwassersituation ohne Ehrenamt vor! Wäre wahrscheinlich nicht nur nicht leistbar sondern organisatorisch kaum bewältigbar. Aber auch im Sport: Hätten wir dort nicht das Ehrenamt, dann würde ein unheimlich wichtiger Bereich – auch was speziell die Integration in der Jugend betrifft – in der Professionalität und dem Umfang nicht stattfinden. Oder nennen wir Kultur, Musik – überall dort kann man eigeninitiativ sein, wo es einen selbst bewegt. Das ist das, was das Ehrenamt auszeichnet. Wer es ernst meint mit einem modernen Föderalismus, der wird schauen müssen, dass in der Gesellschaft die Strukturen passen, aber auch so wichtige Bereiche wie das Ehrenamt mit großer Bedeutung versehen und gefördert werden. Denn heute ist es natürlich oft so, dass man ehrenamtliche Funktionäre findet, aber keinen, der sich ganz vorne hinstellt. Zum Teil weil man auch gesetzlich solche Fallen aufgestellt hat, die Ehrenamtliche in ein derartiges Risiko bringen, dass es sich viele überlegen. Und daher müssen wir darauf schauen: Was können wir tun, dass Ehrenamt auch gesetzlich gefördert wird: Nicht immer mehr an Haftungen, nicht immer mehr an steuerlichen Risiken hineinpacken.

Die Beteiligung der Bevölkerung zu fördern, einzufordern wird aber immer schwieriger, immer weniger wollen sich ehrenamtlich engagieren.
Die Urbanisierung wird weiter zunehmen. Und die Anonymisierung in Städten wird ein besonderes Thema sein. Und die Städte müssen sich deshalb überlegen: Wie gelingt es, die Betroffenen, die Bürger zu beteiligen, sich an der Weiterentwicklung, an der Lösung von Problemen zu beteiligen. Dort haben wir viel zu tun. Wir sind zu oft der Meinung: Wir regeln alles von Anfang bis zum Ende und der Mensch ist zum Konsumenten verurteilt, das System regelt alles. Aber genau in diesen Systemen nimmt die Anonymität zu und die Leute wollen sich weniger beteiligen und wir hebeln ein wichtiges Element unserer Gesellschaft aus. Die Demokratie beruht darauf, mitzutun, sich einzubringen. So wie die Wahlbeteiligung sinkt, beginnt das Gefühl, dass die einzelne Stimme nichts bewirkt, sich negativ weiterzuentwickeln. Und das müssen wir umdrehen. Man hat das versucht mit der Bürgermeister-Direktwahl, mit den Direktmandaten in Land und Gemeinden. Dort glaube ich, dass wir nach wie vor aber mehr tun müssen. Die einzelne Stimme zählt, das hat die letzte Wahl gezeigt, als wenige hundert Stimmen über eine Mehrheit entschieden haben.

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