Sommergespräch
Luger: "Was uns umbringt, ist dieser Dogmatismus"

Bürgermeister Klaus Luger kann sich Umwidmungen von Grünland in JKU-Nähe vorstellen, wenn etwa die neue Technische Universität angesiedelt werden soll. | Foto: BRS/Diabl
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  • Bürgermeister Klaus Luger kann sich Umwidmungen von Grünland in JKU-Nähe vorstellen, wenn etwa die neue Technische Universität angesiedelt werden soll.
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Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) über Türkis-Grün, die Corona-Krise, blaue Sparforderungen, ambitionierte Hauptstadt-Pläne und den Grüngürtel bei der JKU. 

LINZ. Klaus Luger (59) ist seit 2003 in der Stadtregierung und seit 2013 Linzer Bürgermeister. 

Was ist Ihnen aus der ersten Zeit der Corona-Krise besonders in Erinnerung geblieben?
Das völlige Runterfahren der Wirtschaft, eine menschenleere Stadt, ein Tageskalender ohne Abendveranstaltungen, reines Krisenmanagement im Krisenstab, und eine Familie, die rund um die Uhr zu Hause ist – viele Lebenserfahrungen, die für mich völlig neu waren.

Hat es einen Moment gegeben, bei dem es Ihnen schwergefallen ist, optimistisch zu bleiben?

In der ersten Phase überhaupt nicht, weil da die Maßnahmen der Bundesregierung über weite Strecken richtig waren und die Bevölkerung in Linz extrem diszipliniert war. Bedenken habe ich eher jetzt, wo Maßnahmen gesetzt werden, die partiell nicht mehr nachvollziehbar sind, und zu wenig konkrete Maßnahmen für die Anhebung des Konsums und den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit getroffen werden.


"Verunsicherung ist das Gefährlichste"

Sie melden sich oft mit Kritik an der Bundesregierung zu Wort. Managt Türkis-Grün die Krise so schlecht?
Fakt ist, dass die Bundesregierung die Dinge in der Phase des Lockdowns richtig gemanagt hat. Beim Wiederhochfahren sind Fehler passiert, aber die sind uns allen irgendwo passiert. Was jedoch in den letzten fünf bis sechs Wochen geschieht, ist Politikmarketing, ist Ankündigungspolitik und noch mehr Inszenierung, als Politik ohnedies immer ist. Dadurch wird die Bereitschaft der Bevölkerung, Maßnahmen mitzutragen, geringer. Wir leben derzeit in einer Situation, in der die Verunsicherung steigt und das ist das Gefährlichste.

Wie hat sich die Stadt Linz bislang bei der Krisenbewältigung geschlagen?

Ich bin erleichtert, dass die Mitarbeiter in den zuständigen Dienststellen exzellent waren. Wir hatten von Anfang an mehr Freiwillige unter den Beschäftigten des Magistrats, die uns im Krisenstab unterstützt haben, als wir gebraucht haben. Auf der politischen Ebene haben wir in der Krise gut zusammengearbeitet. Es war eine Zeit, in der tatsächlich seit Längerem wieder die Erfüllung gemeinsamer Aufgaben höher bewertet wurde, als die Verlockung, politisches Kapital daraus zu schlagen.

Die Corona-Krise reißt große Löcher in die Budgets. Muss gespart werden und wenn ja, was soll eingespart werden?
Jetzt geht es darum, Finanzmittel lockerzumachen, um zu investieren. Wer jetzt aktuell Sparprogramme einfordert, riskiert nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern sozialen Unfrieden. In Linz wüsste ich nicht, wo wir einsparen sollten, was nicht die Bevölkerung massiv betrifft. Wir haben in der Verwaltung in den letzten zehn Jahren 25 Prozent der Verwaltungsjobs in Dienstleistungsjobs umgewandelt. Wenn wir in der klassischen Verwaltung einsparen konnten, sind diese Mittel de facto für den höheren Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt worden. Langfristig werden sich die Finanzierungen der öffentlichen Hand ändern müssen. Es wird nicht möglich sein, dass die Gemeinden in Zukunft weiterhin so viel an das Land abliefern.  

Bürgermeister Luger verteidigt das Förderwesen der Stadt Linz und fordert eine gerechtere Verteilung der Finanzen zwischen Stadt und Land. | Foto: BRS/Diabl
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Die ÖVP sagt, dass man erst einmal vor der eigenen Türe kehren muss.
Seit 2014 haben wir bis vor Corona 65 Millionen Euro Schulden zurückgezahlt und gleichzeitig investiert. Unser Kurs hat langfristig gestimmt. Es ist dieselbe Situation wie im Land: Auch dort hat Thomas Stelzer einen rigiden Sparkurs begonnen, als er Landeshauptmann geworden ist und auch er hat Erfolge zeitigen können, die inzwischen durch Corona de facto zerstört worden sind. 


"Ich stehe zu den Förderungen"

Die FPÖ sieht Einsparungspotenzial von bis zu 20 Millionen Euro und hat dabei das Förderwesen im Blick. Kann man da sparen?
Man möge mir sagen, welche 20 Millionen Euro hier konkret gemeint sind. Wir haben Kultur, Soziales, Sport und jede dieser Förderungen macht Sinn. Dass Parteien die eine oder andere Förderung unterschiedlich bewerten, ist politisch legitim. Das mache auch ich. Ich stimme aber auch für Förderungen von Vereinen, deren Ausrichtung ich nicht teile. Das ist Demokratie. Man darf nicht über Förderungen Meinungsfreiheit beeinträchtigen. Deswegen stehe ich zu den Förderungen, die ja sehr transparent veröffentlicht werden.

"Kunst hat einen Anspruch auf Geld"

Vizebürgermeister Markus Hein möchte aus dem Lentos ein Casino machen, weil dort Minderheitenprogramm gemacht werde. Das Design Center soll verkauft werden. Was sagen Sie dazu?
Strikt nein, beide bleiben im Eigentum der Stadt. Kultur kostet Geld, Kunst hat einen Anspruch auf Geld. Es sind auch Musiker, die eher von der FPÖ gehört werden, Minderheitenprogramm. Es sind auch Sportarten wie Ski laufen oder Fußball Minderheitenprogramme, weil wir in einer Gesellschaft leben, die vielfältig ist und ich kämpfe um diese Vielfalt. Deswegen: Ja zum Lentos und Ja zu einem Design Center, das nach Corona wieder wichtig für unseren Kongresstourismus werden soll.

Wie realistisch ist es, dass sich an den Zahlungen an das Land nach der nächsten Landtagswahl etwas ändert?
Es wird zu keiner generellen Neustrukturierung der Finanzen über Nacht kommen können. Aber es gibt eine Chance, weil auch der Landeshauptmann erkennt, dass die Finanzierungsnotwendigkeiten in den Gemeinden stärker werden, nicht nur wegen Corona, sondern insgesamt. Ich bin für eine ganz klare Aufgabentrennung. Mein Vorschlag: Die Städte und Gemeinden sollen ausnahmslos für die Kinderbetreuung zuständig sein und das Land dafür auch keinen Euro mehr überweisen. Dafür soll auch die Handlungskompetenz zu 100 Prozent bei uns liegen. Umgekehrt ist das Land laut Verfassung alleine für das Gesundheitswesen zuständig. Es gehört entflochten, um den Städten und Gemeinden wieder mehr Luft zum Atmen zu lassen.

Gibt es einen Plan B, falls das Land sich da nicht bewegt?

Ich glaube, dass das alternativlos ist und es nach einer Landtagswahl eine Gesprächsbasis gibt, die wir ohnedies auch jetzt haben. Das ist ja kein Linz-Thema. ÖVPler sagen hinter vorgehaltener Hand, Sozialdemokraten und andere offen, dass wir das auf Dauer nicht mehr schultern können.


"Die Bedrohung ist enorm"

Linz will „Klimahauptstadt“ werden. Angesichts großer Autobahnprojekte und Topfbäumen am Hauptplatz: Wie soll sich das ausgehen?
Es geht darum, Linz in Zeiten des Klimawandels als Industriestadt zu erhalten. Die Bedrohung ist enorm, denn wir brauchen in der Industrie den Ausstieg aus der CO2-Problematik. Das ist die viel größere Aufgabe, als die Frage, ob hundert Bäume mehr stehen oder eine Brücke fertiggebaut wird. Das brauchen wir alles. Aber der Lebensnerv dieser Stadt ist die Industrie. Vor Ort gibt es auch Aufgaben. Wir müssen den öffentlichen Verkehr in die Umlandgemeinden ausbauen. Das ist die Schwachstelle. Ich glaube, dass jetzt sowohl auf Landesebene als auch in der Stadt Einigkeit darüber herrscht. Und: Wir können bestimmte Auswirkungen des Klimawandels nicht rückgängig machen, nur minimieren. Dazu gehören Einzelmaßnahmen, wie die Begrünung des Hauptplatzes. 

Linz will auch Innovationshauptstadt und Digitalisierungshauptstadt werden. Geht die Schere zwischen Ankündigungen und Umsetzungen nicht immer weiter auf?
Nein, überhaupt nicht. Mit unserer Bewerbung als europäische Innovationshauptstadt sind wir im Finale der letzten Zwölf, weil unsere Projekte konkret sind. Wir haben den Innovationshauptplatz als Drehscheibe für Innovation, wir haben die Tabakfabrik, wir haben die Grand Garage, das AEC, wir sind die Start-up-Hauptstadt Österreichs. Das war alles in den Regierungs- und Parteienübereinkommen 2015 fixiert und wird umgesetzt.

Der Radweg auf der Nibelungenbrücke ist nach wie vor sehr gefährlich. Warum haben Sie nicht schon vor Jahren den Fußgänger- und Radsteg gebaut und das Problem damit aus der Welt Man darf dort keine Pfeiler in der Donau errichten. Das war der Grund, warum dieses Projekt abgesagt wurde. Plan B war die Verbreiterung der Nibelungenbrücke. Die Landes-ÖVP hat dieses Projekt aber mit dem Radweg Linz-Wilhering junktimiert. Da war mir völlig klar, dass es tot ist, denn der Radweg scheitert an einigen Grundstücken, die von den Eigentümern nicht hergegeben werden und das Land hat sich geweigert, zu enteignen. Also gibt es nur ein Datum, das ist 2024, wenn die Westbrücke fertig ist. Das bietet die realistische Chance, den Radfahrern auf beiden Seiten eine Spur zu geben, dann ist der Gehsteig wieder ausnahmslos für Fußgeher.

Bürgermeister Klaus Luger kann sich Umwidmungen von Grünland in JKU-Nähe vorstellen, wenn etwa die neue Technische Universität angesiedelt werden soll. | Foto: BRS/Diabl
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Sie werden mit der Aussage zitiert, dass Linz nicht um weitere Umwidmungen von Grünland herumkommen wird. Hat die SPÖ die Zeichen der Zeit nicht erkannt?
Wenn die neue Technische Universität tatsächlich in direkter Nähe der JKU angesiedelt werden soll, ist das eine Riesenchance für den gesamten Industriestandort. Virtuell wird das nicht gehen. Ich möchte ein Gesamtkonzept für die JKU und nicht darüber diskutieren, ob man ein guter Mensch ist, weil man jeden Baum schützt oder ein schlechter Mensch, weil man auch einer Rodung zustimmen würde. Was uns umbringt, ist dieser Dogmatismus. Die Antwort kann doch nicht sein, dass man einen Glassturz über Linz setzt und sich nichts ändern darf. Dann können wir die Stadt abhaken.

Gerade findet die Mitgliederbefragung der SPÖ Linz statt. Angesichts der anhaltenden Krise der Sozialdemokratie: Welche Reformen planen Sie noch?
Jetzt werden wir einmal die Erfahrungen aus unserer Mitgliederbefragung zur Kenntnis nehmen. Insgesamt ist die SPÖ gut beraten, sich organisatorisch zu verbessern. Da meine ich ganz konkret auch die Linzer SPÖ. Auch wir müssen im Apparat die Digitalisierung fokussieren. Ich glaube nicht, dass wir die SPÖ, wie manche gemeint haben, neu erfinden müssen, sondern man soll sich auf die Stärken besinnen und das ist die territoriale kleinräumige Struktur. Die Bedeutung eines Parteiflugblattes in einem Stadtteil ist geringer geworden, die Meinungsmache findet im Internet statt und da hat die SPÖ auch in Linz Aufholbedarf.


"Die Lage der SPÖ hat sich nicht verbessert"

In Land und Bund hat sich die SPÖ auf niedrigem Niveau stabilisiert, spielt aber kaum eine Rolle. Sehen Sie ein Jahr nach unserem letzten Sommergespräch Licht am Ende des Tunnels?
Objektiv hat sich die Lage für die SPÖ nicht verbessert, da brauche ich keine Umfragen. Der Corona-Krisenmodus hat überall dazu geführt, dass diejenigen, die die Hauptverantwortung tragen und im Krisenmanagement ihre Aufgaben erfüllen, politisch gestärkt sind. Die Nagelprobe wird jetzt kommen. Da wird es darum gehen, wie wir die Folgeschäden bekämpfen. Wie schaffen wir es, dass 40.000 Linzer, die in Kurzarbeit sind, möglichst wieder in ihre volle Erwerbstätigkeit zurückkehren können. Wie schaffen wir es, dass von den 12.000 Linzern, die arbeitslos sind, ein Teil wieder eine Perspektive hat. Es geht ums Ankurbeln der Wirtschaft, das ist doch eine klassische Chance für die Sozialdemokratie, den Menschen glaubwürdig Perspektiven zu vermitteln.

Bürgermeister Klaus Luger kann sich Umwidmungen von Grünland in JKU-Nähe vorstellen, wenn etwa die neue Technische Universität angesiedelt werden soll. | Foto: BRS/Diabl
Bürgermeister Luger verteidigt das Förderwesen der Stadt Linz und fordert eine gerechtere Verteilung der Finanzen zwischen Stadt und Land. | Foto: BRS/Diabl
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Katharina Reiter engagiert sich mit ganzem Herzen als freiwillige Rettungssanitäterin an der Ortsstelle Pregarten (Bez. Freistadt).  | Foto: OÖRK/Ziegler
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Rotes Kreuz hilft
Wir sind da! Freiwillige sichern Hilfe, die es sonst nicht gäbe

Die Gegenwart stellt uns vor große Herausforderungen, die ohne Freiwillige nicht zu bewältigen sind. Um dieses Hilfe-Netzwerk dauerhaft stabil zu halten, braucht es Menschen, die sich mit Herzblut für andere engagieren. Eine von ihnen ist Katharina Reiter. Sie absolvierte ihr Freiwilliges Sozialjahr und engagiert sich seither freiwillig im Rettungsdienst an der Rotkreuz-Ortsstelle in Pregarten. „Mir war sofort klar. Ich bleibe beim Roten Kreuz. Hier kann ich Menschen helfen, Erfahrungen sammeln...

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