Interview
"Wir Neos sind keine Haudrauf-Opposition"

Georg Redlhammer wurde nach dem Parteiausschluss von Lorenz Potocnik im Frühjahr 2021 als Neos-Spitzenkandidat nach Linz geholt. | Foto: BRS
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  • Georg Redlhammer wurde nach dem Parteiausschluss von Lorenz Potocnik im Frühjahr 2021 als Neos-Spitzenkandidat nach Linz geholt.
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Neos-Fraktionsobmann Georg Redlhammer im BezirksRundSchau-Sommergespräch über sein erstes Jahr im Gemeinderat, eigene Transparenz-Ansprüche, smarte Städte und seine Liebe zu Russland.

LINZ. Georg Redlhammer hat mit den Linzer Neos bei der Gemeinderatswahl zwei Mandate erreicht und ist Vorsitzender des Kontrollausschusses.

Wie ist Ihre Bilanz über das abgelaufene Gemeinderatsjahr?

Redlhammer: Wir sind ja zwei Neue und haben das, was wir uns vorgenommen haben, geschafft. Wir wollten uns als konstruktive Opposition positionieren und nicht gleich gegen alles sein. Aber natürlich ist das erste Jahr ein Jahr des Lernens.

Was haben Sie gelernt?
Dass auch eine kleine Fraktion den Unterschied machen kann. Wir haben viele Dinge bewegt, gescheite Anträge gestellt, die alle durchgegangen sind. 

"Wir sprechen mit den wesentlichen Fraktionen"

Die eigentliche Entscheidung fällt ja meist schon im Vorfeld einer Gemeinderatssitzung.
Das ist auch etwas, was ich gelernt habe. Zuerst recherchieren wir das Thema und dann sprechen wir vorab mit den wesentlichen Fraktionen und suchen uns die Mehrheiten.

Wie klappt die Zusammenarbeit mit Ihrem jungen Kollegen Stefan Burgstaller?
Die ist sehr eng. Er ist Student und hat ganz engen Kontakt zu den Jungen, auch unser Team ist sehr jung. Wir ergänzen uns sehr gut.   

Ihr wohl größtes Projekt ist die Smart City Linz, die von fast allen Parteien mitgetragen wird. Was heißt das eigentlich?
Anhand von 92 Schlüsselkennzahlen der UNO wird eine Ampel, ein Profil der Stadt erstellt, die anhand von internationalen Zielen in Bereichen wie Umwelt, Gesellschaft, soziales Leben, Sicherheit oder Wirtschaft grün, rot oder gelb ist. Dann geht es darum, damit zu arbeiten. Eigentlich ist es ein Management-Tool für jeden Stadtrat. Das wird im August im Stadtsenat beschlossen, dann wird es drei Monate von einer UNO-Organisation im Austausch mit dem Magistrat erarbeitet und voraussichtlich Ende des Jahres gezeigt. Dann beginnt die eigentliche Arbeit, damit Linz eine bessere Stadt wird. 

Als stärkste Oppositionspartei hat Redlhammer den Vorsitz im Kontrollauschuss. | Foto: BRS
  • Als stärkste Oppositionspartei hat Redlhammer den Vorsitz im Kontrollauschuss.
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Beim Parteitag der Neos, auf dem Sie gewählt wurden, waren nur 19 Mitglieder anwesend. Konnten Sie mittlerweile mehr Mitstreiter gewinnen?
Menschen zu gewinnen, die sich engagieren wollen, ist eine wesentliche Herausforderung. Wir machen dafür etwa Stammtische. 

Was hat Sie als Quereinsteiger an der Politik am meisten überrascht?
Mich hat überrascht, wie sich Linz tatsächlich bewegt. Die Arbeit der Kollegen und der Stadtregierung ist zumindest jetzt, wo wir keine Wahlen haben, eine sachorientierte. Sie wollen wirklich das Beste für die Stadt. Mich hat auch extrem überrascht, wie professionell das Magistrat geführt wird. 

Warum wurde die Transparenzdatenbank der Neos Linz erst vor Kurzem befüllt, nachdem Medien über das Fehlen der Zahlen berichtet haben?
Wir haben das Fraktionsgeld Ende Jänner bekommen, vorher hatten wir nichts. Was mein Vorgänger mit dem Geld von 2021 gemacht hat, weiß ich nicht. 

"Die Kritik halte ich aus"

Aber warum dauert das sieben Monate?
Wir haben 20.000 Euro verbraucht und die Rechnungen gesammelt. Technisch muss die Befüllung der Transparenzdatenbank in Wien passieren, eigentlich halbjährlich. Aber wir werden es jetzt vierteljährlich machen. Die Kritik halte ich aus. Neu ist, dass der Landesgeschäftsführer der Neos OÖ Zugriff auf das Konto hat. Das ist das Learning aus den letzten zwei Jahren. 

Sie gehen ihren Vorgänger, aber auch die Grünen, bei Gemeinderatssitzungen auffällig aggressiv an. Warum eigentlich?
Das stimmt. Mich stört es, wenn immer nur kritisiert, aber keine Lösungen gebracht werden. Ich werde mich aber bessern und es sein lassen, weil ich es eh nicht ändern kann. Ich war zu scharf und es bringt eigentlich nichts, auch keine Genugtuung. 

Die Neos stimmen auffallend oft mit den großen Parteien. Wo sehen Sie Ihre Rolle im Gemeinderate, im freien Spiel der Kräfte?
Wir verstehen uns als konstruktive Opposition, nicht als Haudrauf-Opposition. Ich höre mir die Argumente an und frage auch viel. Was ich vielleicht noch lernen muss, ist, dass man politische Signale setzt, indem man Nein sagt, wenn es eh wurscht ist. 

Georg Redlhammer wurde nach dem Parteiausschluss von Lorenz Potocnik im Frühjahr 2021 als Neos-Spitzenkandidat nach Linz geholt. | Foto: BRS
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Die letzte Gemeinderatssitzung war vom Verlesen der Antworten auf eine Massen-Anfrage der Neos-Fraktion zu den Werbeausgaben der Stadtregierung geprägt. Verstehen Sie, dass die Auskunftspersonen teilweise genervt davon waren?
Mich hat es auch genervt. Es hätte keine persönliche Beantwortung sein müssen, schriftlich wäre sogar gescheiter gewesen. Das hat man gar nicht alles mitschreiben können. Ich habe den Bürgermeister deshalb auch gefragt, ob er uns häkeln wollte. Aber diese Anfrage wird alle zwei Jahre kommen, weil wir wissen wollen, was passiert.

"Es hat keiner mitschreiben können"

Nach der Beantwortung hat man nichts mehr gehört. Was ziehen Sie jetzt für Schlüsse aus den Antworten?
Ich habe nichts entdecken können, denn es hat ja keiner mitschreiben können. Darum warte ich jetzt auf das Protokoll.   

Warum sind Sie gegen eine Fußgängerzone in der Domgasse?
Wir wollten keine FuZo ohne Konzept. 

Sie waren für eine Begegnungszone ohne Konzept.
Wenn ich das für den Verkehr komplett zumache, dann fehlen für die beeinträchtigten Menschen Parkplätze. Eine Begegnungszone ist ein Mittelding, aber ich bin für alles offen, wenn man auf die schaut, die einen Zugang brauchen und das Auto nicht als Spaß sehen.  

"Man muss für alles offen sein"

Sie sind also für alles offen?
Man muss für alles offen sein. Wir haben auch für die Bäume im Rathausviertel gestimmt, obwohl das noch 30 Jahre dauern wird, bis die so aussehen, wie auf den Bildern. Das dauert ewig, aber es hilft nichts.

Ihr Kollege Stefan Burgstaller hat kürzlich die Legalisierung von Marihuana gefordert. Sehen Sie das auch so?
Cannabis wäre für MS-Kranke eine große Erleichterung. 

Man kann auch Spaß damit haben. Ist die Legalisierung nur eine JUNOS- oder auch eine Neos Linz-Position?
Ich glaube, die Legalisierung von Marihuana ist etwas, das in Österreich nicht passieren kann oder soll. Aber man muss schauen, dass die, die es medizinisch brauchen könnten, einen ungehinderten Zugang dazu bekommen.

"Der Benzinpreis ist für mich nicht nachvollziehbar"

Wir stehen kurz vor einer möglichen Energiekrise. Es werden verschiedene Maßnahmen diskutiert. Wie stark muss der Staat jetzt lenkend eingreifen?
Wir haben gesehen, wie verletzlich wir mit dem Gas sind. Das darf keine ideologische Frage sein, sondern das muss man von Fall zu Fall beurteilen. Ich bin für die freie Marktwirtschaft, aber wenn ich mir ansehe, wie sich der Benzinpreis selber regelt, ist das für mich nicht nachvollziehbar. 

Die Bevölkerung leidet jetzt schon unter der Teuerung. Was kann und soll Linz tun, um zu helfen?
Wir brauchen in Linz Geld für einen Härtefallfonds. Jeder Stadtrat muss über den Sommer schauen, wo man Mittel freimachen kann.

Bis zum russischen Angriff auf die Ukraine war Redlhammer geschäftlich in Russland tätig. | Foto: BRS
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Sie waren beruflich in Russland tätig. Wie geht es Ihnen angesichts der Entwicklung des letzten halben Jahres?
Ich habe gelebt und geliebt in Russland und habe viele Freunde dort. Beruflich habe ich aber alles abgebrochen. Meine Pläne punkto Elektromobilität haben sich mit Kriegsausbruch zerschlagen. Für mich haben die Russen eine unheimliche Herzenswärme und Handschlagqualität und es tut mir wirklich im Herzen weh.

Angesichts der vielen Krisen, vor allem aber der Klimakrise: Kriegt die Menschheit das noch hin? Sind Sie in diesem Jahr optimistischer oder pessimistischer geworden?
Ich bin von der Tiefe meines Herzens ein optimistischer Mensch und ich weiß, dass es gut wird – aber anders gut, als wir jetzt glauben. Nach heutigen Maßstäben gemessen, wird es so nicht mehr weitergehen. Diese Krisen bringen aber auch Energie für jeden Einzelnen. Ich sage meinen Kindern: Ja, es gibt diese Krisen, aber lasst euch nicht unterkriegen, denn du kannst den Unterschied machen. Hätte ich aufgegeben, würde ich jetzt nicht hier sitzen, sondern im Rollstuhl Antidepressiva schlucken.

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