Michaela Langer-Weninger im Interview
"Kampagnen sind leider oft doppelzüngig"

Michaela Langer-Weninger (40) ist stammt aus dem Bezirk Vöcklabruck und führt zu Hause einen Biobauernhof.  | Foto: LKW
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  • Michaela Langer-Weninger (40) ist stammt aus dem Bezirk Vöcklabruck und führt zu Hause einen Biobauernhof.
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OÖ. Michaela Langer-Weninger ist seit knapp vier Monaten Präsidentin der Landwirtschaftskammer OÖ. Im Interview mit der BezirksRundschau spricht die Biobäuerin über den Klimawandel, den Mangel an heimischen Produkten in den Supermarktregalen und die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen auf Bundesebene.

BezirksRundschau: Man assoziiert oftmals Herausforderndes mit der Landwirtschaft: Sinkender Milchpreis, Borkenkäfer, Ernteschäden durch Unwetter. Kann man eigentlich jungen Menschen noch mit gutem Gewissen empfehlen Landwirt zu werden?
Langer-Weninger: Die Zeit ist schwierig: Die ganze Klimasituation, der Schädlingsdruck, die Preissituation, die Handelsthemen, die vor der Tür stehen. Natürlich sind die Herausforderungen, die man nach außen sieht und die auch die Bauern beschäftigen, groß. Andererseits haben wir das Geschenk, Grund und Boden zu bewirtschaften – den Boden, den wir von unseren Vorfahren übernommen haben. Es war ja nie leicht Landwirtschaft zu betreiben. Und wir haben den Grund und Boden ja nur von unseren Kindern und Enkelkindern geliehen und es liegt an uns, was wir daraus machen – trotz aller Herausforderungen. Politisch müssen wir schauen, die Rahmenbedingungen dafür abzustecken und intern müssen wir schauen, das Beste daraus zu machen.

Welche Rahmenbedingungen braucht es, um die eher kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich zu erhalten?
Die österreichische Landwirtschaft ist sehr klein strukturiert und auf Familienbetrieben aufgebaut – und genau das gilt es entsprechend abzusichern. Es laufen ja derzeit die Verhandlungen mit Brüssel zur GAP (Gemeinsame Agrarpolitik ab 2020, Anm.). Da geht es darum, den Finanzrahmen abzustecken …

… was ist da der aktuelle Stand. Es hieß ja, dass es Kürzungen geben wird?!
Ja, für das Agrarbudget soll nachher weniger zur Verfügung stehen, weil etwa andere Bereiche – wie die Sicherheit – aufgestockt werden sollen. Unser Zugang ist, dass es nicht sein kann, dass wir in der Landwirtschaft weniger Geld bekommen, obwohl wir immer mehr machen sollen und die Auflagen nach oben gehen.
Auf der anderen Seite brauchen wir natürlich für unsere kleinen Strukturen entsprechende Entlastungsschritte. Es war in der vorigen Regierung ja schon ein großes Entlastungspaket vereinbart – mit einem Volumen von 120 Millionen Euro. Das ist nicht mehr beschlossen worden, weil Ibiza dazwischen gekommen ist. Es hat zwar einen Teilbeschluss gegeben, aber wir fordern nach wie vor, dass bei der Sozialversicherung die Mindestbeitragsgrundlagen abgesenkt werden müssen.

Muss Österreich aus Ihrer Sicht die Gelder ausgleichen, wenn es wirklich weniger Budget von der EU gibt?
In erster Linie geht es darum, das Geld auf EU-Ebene zu sichern. Sollte es wirklich zu Kürzungen kommen, ist unsere Forderung, dass es national ausgeglichen werden muss. Diese Zusage hat es von Sebastian Kurz vor der Nationalratswahl schon gegeben. Wir fordern jetzt ein, dass diese Zusage mit der neuen Regierung wieder hält.

Es ist die Förderpolitik ja nur die eine Seite. Die andere Seite ist, welche Produkte zu welchem Preis im Handel angeboten werden. Werden die heimischen Bauern vom Handel grundsätzlich fair behandelt?

Es ist grundsätzlich in Österreich eine schwierige Situation, da wir die Handelsmacht stark konzentriert haben. Es gibt in Wahrheit drei große Player. Natürlich halte ich die Kampagnen – „Wir wollen österreichische Qualität“, „Wir wollen keine Freihandelsabkommen“ – oft für etwas „doppelzüngig“. Jeder, der im Handel führend tätig ist, kann jederzeit nur österreichische Produkte ins Regal nehmen oder nur mehr österreichische Produkte in den Eigenmarken verarbeiten. Wir erleben nur leider etwas anderes!
Und wenn jetzt groß in den Zeitungen steht, dass keine österreichische Butter und keine österreichische Milch verarbeitet werden kann, weil sie nicht da ist – dann ist das einfach nicht richtig! Es ist genug Menge da, aber es ist eine Frage des Preises.

Ist das ein strukturelles Problem oder inwieweit ist der Konsument verantwortlich?
Es spielt am Ende immer alles zusammen. Wir sehen, dass der Anteil der Eigenmarken stärker wird, es geht schon in Richtung 40 Prozent. Und da haben wir das Problem, dass wir als österreichische Erzeuger austauschbar sind. Das haben wir nicht in der Hand.
Andererseits ist natürlich der Konsument aufgerufen, zu schauen: Wo ist das Produkt her und was ist da wirklich drinnen?! Darum ist es für uns wichtig, dass es ein AMA-Gütesiegel gibt, weil es sehr bekannt ist. Grundsätzlich braucht es beides: Den Konsumenten, der das fordert und verlangt, aber er muss sich darauf verlassen können, dass die Kennzeichnung im Supermarktregal wirklich fair und deutlich ist. Und es hilft nichts, wenn auf den Obst- und Gemüseregalen überall drauf steht: „Österreichische Qualität“ – und wenn man genauer hinschaut sieht man, wo die Äpfel und Birnen wirklich her kommen.

Muss der Konsument tiefer in die Tasche greifen, wenn er mehr österreichische Ware haben möchte?
Es ist unterschiedlich. Es kommt darauf an, wie man mit Lebensmitteln und Produkten umgeht. Wenn man wirklich gut darüber nachdenkt: Was braucht man wirklich, und sich einen Plan schreibt, was man braucht. Wenn man sich diesen Ablauf im eigenen Haus besser überlegt, kann man durchaus zu hochwertigeren Produkten greifen. Man schätzt diese auch mehr beim Verarbeiten und ich bin sicher, dass man die Qualität dann am Tisch kennt. In Summe wird es sicher nicht teurer werden, wenn man das als Gesamtes durchdenkt.

Grünen-Chef Stefan Kaineder hat gefordert, den Verkauf von Produkten zu verbieten, die nicht unter gewissen Standards hergestellt worden sind. Es soll darum gehen, Waffengleichheit zu erzeugen. Können Sie dem etwas abgewinnen?
Ob man ein Verbot machen kann, weiß ich nicht, das müsste man sich ansehen. Aber wenn man bei uns höhere Auflagen in der Produktion fordert, dann muss das auch im Supermarkt erkennbar sein. Denn damit verdrängt man Produktion aus Österreich und lässt Produkte aus dem Ausland herein. Denn nur weil wir in Österreich etwas nicht mehr machen, heißt es noch lange nicht, dass sich der ganze Markt darauf einstellt. Die Frage ist, ob man etwas gewonnen hat, wenn Produkte aus dem Ausland herein kommen, die zu anderen Standards produziert werden. Ob man es verbieten kann weiß ich nicht, aber es wäre eine ordentliche Kennzeichnung notwendig.
Beispiel Glyphosatverbot: Nachdem das Verbot ja 2020 kommen soll, außer die EU-Kommission lässt es nicht zu, dann ist unsere Forderung sich anzusehen, was alles an ausländischen Produkten im Regal steht.

Also dann soll es quasi beschildert werden: „Dieses Produkt wurde mit Glyphosat behandelt“?
Ja, genau.

Wieso hat sich die Landwirtschaft und die ÖVP so schwer getan beim Glyphosat-Verbot. Als Laie denkt man sich ja, dass niemand irgendwelche Unkrautvernichtungsmittel im Essen haben will.
Also grundsätzlich haben wir es nicht im Essen! Es ist ganz klar in Österreich, dass das Lebensmittel an sich nie mit diesen Pflanzenschutzmittel in Kontakt gekommen ist. Das ist ein wesentlicher Punkt. Wir haben schon sehr strenge Auflagen in Österreich und es gibt ganz strenge Regelungen, wann man es überhaupt anwenden darf. Es ist also sehr stark reglementiert. Darum war der Zugang der ÖVP: Glyphosat in der Landwirtschaft erlauben, weil es da die entsprechenden Auflagen gibt, aber es im Umkreis von Schulen und Kindergärten verbieten.

Könnte die Landwirtschaft ohne Glyphosat oder ähnlichen Mitteln überhaupt funktionieren?
Wenn das Glyphosatverbot kommt, wird es andere Pflanzenhilfsstoffe geben, mit denen man arbeitet. Diese müssen vielleicht noch öfter angewendet werden, denn Glyphosat war recht punktgenau und einfach anzuwenden …

… also zu denken, dass Landwirtschaft ohne irgendwelche "Stoffe" funktioniert, ist utopisch?
Ja, es ist utopisch, weil wir grundsätzlich am europäischen Markt wettbewerbsfähig sein müssen. Wann kann natürlich überlegen, die Auflagen höher zu machen, oder etwas abzuschaffen – es ist nur in dieser ganzen Diskussion nie überlegt worden, wer den Mehraufwand für den Bauern trägt. Das Produkt wird nicht teurer, aber die Mehrkosten werden nicht abgegolten. Denn grundsätzlich ist die Landwirtschaft schnell bereit, höhere Auflagen umzusetzen, aber nur wenn gesichert ist, dass der höhere Aufwand abgegolten wird.

Wie darf man sich die Abgeltung des Mehraufwandes vorstellen – mit höheren Preisen?
Unsere Forderung ist immer den Mehraufwand abzugelten. Darum haben wir uns auch beim Glyphosat dagegen ausgesprochen, weil es kein Regelwerk im Hintergrund dazu gegeben hat. Man muss sich nur anschauen: Im letzten Jahr mussten wir ägyptische und israelische Erdäpfel importieren, weil man in Österreich gegen einen Wurm nichts machen durfte. Ich glaube nicht, dass wir im Sinne des Klimaschutzes oder überhaupt aus irgendeinem Gesichtspunkt etwas besser machen. Denn die Erdäpfel in Ägypten oder Israel werden ja auch behandelt.
Die Frage ist: Wollen wir eine sichere Produktion in Österreich oder verdrängen wir Produktion woanders hin? Ich kann die Anliegen der Gesellschaft ja verstehen, aber es braucht Modelle, wie man das gemeinschaftlich umsetzen kann.

Kleiner Themenschwenk: Der Borkenkäfer war ja zuletzt ein großes Thema. Wie schwer ist es denn die Landwirte und Waldbesitzer davon zu überzeugen, andere Bäume anzupflanzen?

Beim Wald sind wir in einer dramatischen Situation. Die Fichte stirbt großflächig ab, das ist ja ein mitteleuropäisches Problem. Die ganzen Veränderungen des Klimas schlagen sich im Wald nieder, der ohnehin schon gestresst ist, weil es weniger Wasser gibt – und damit hat der Schädling noch viel mehr Chancen sich festzusetzen.
Es gibt derzeit eine riesige Menge Schlagholz in Österreich – natürlich auch durch den Schneedruck. Aber wenn man das alles auf Lkw verladen würde, wären das 900.000 Laster – eine Kolonne von Wien bis zum Nordpol und zurück. Und es wird für 2020 nicht recht viel besser aussehen. Momentan haben wir die Situation, dass nicht einmal die Bringungskosten für den Landwirt gedeckt sind. Das heißt: Er muss zwar in den Wald gehen, um das Holz raus zu bringen, zahlt aber eigentlich dabei drauf. Denn, wenn er das Käferholz drinnen lässt, ist das andere Holz auch noch kaputt.

Es wird ja nicht nur Änderungen im Wald geben, sondern der Klimawandel verändert auch andere Pflanzenkulturen. OÖ baut ja mittlerweile schon Rotwein an. Was wird ein Bauer in zehn, 15 Jahren anbauen?
Natürlich gibt es nicht nur negative Auswirkungen. Es entwickeln sich auch neue Bereiche, wie etwa beim Wein, wo wir mittlerweile 80 Hektar in OÖ haben. Oder auch beim Wintergemüse – da sieht man, dass es einiges entwickelt, man hat weniger Schädlingsdruck und aufgrund der klimatischen Situation funktioniert es. Wir werden natürlich die Bauern begleiten, und beraten, welches Saatgut in Zukunft gut auf den Acker passt – genau so beim Gemüseanbau.

Ist die Landwirtschaft aufgrund der Klimaveränderung in einem Strukturwandel?
Es hat sich immer etwas verändert und das wird es auch weiterhin. Einerseits vom Klima her, andererseits von den Ernährungsgewohnheiten – es geht etwa beim Gemüse ein bisschen weg vom Kraut und hin zum Zuckermais. Man muss sich einfach anpassen, um die entsprechenden Märkte zu bedienen. Das sehe ich jetzt nicht grundsätzlich als Strukturwandel.

Wenn Sie die große Herausforderung für die Landwirtschaft derzeit benennen müssten: Ist es der Klimawandel?
Es ist eine riesige Herausforderung. Wir sind die einzigen, die ihre Werkstatt unter freiem Himmel haben und deshalb auch als erste den Klimawandel spüren. Trotzdem kann die Landwirtschaft etwa im Bereich Klimaschutz auch einiges liefern und sich ein Wirtschaftsfeld eröffnen – etwa im Bereich erneuerbare Energien, also Biomasse.

Zu den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene: Wo gibt es denn Schnittmengen zu den Grünen aus Sicht der Landwirtschaft?
Ich denke, dass es in vielen Bereichen, nicht nur in der Landwirtschaft, Überschneidungen mit den Grünen gibt. Ich bin auch überzeugt, dass die Grünen grundsätzlich zu einer regionalen und nachhaltigen Landwirtschaft stehen. Die Frage wird sein: Was verlangt der eine Partner dem anderen ab? Wir haben ja gesehen, was im freien Spiel der Kräfte im Sommer im Parlament gelandet ist und von den Grünen unterstützt wurde – gerade im Bereich des Tierwohls.

Ist das „zuviel“ aus Ihrer Sicht?
Wir stemmen uns da ja nicht grundsätzlich dagegen, wenn wir wissen, dass es am Markt bezahlt wird. Nur ein Beispiel: Es gibt ja bei der Schweinehaltung immer die Forderung nach der Strohhaltung. Wir haben derzeit 35 Betriebe, die in einem speziellen Programm dafür drinnen sind, aber wir haben ganz schön zu tun, das Fleisch am Markt auch abzusetzen. Es macht sich zwar gut auf einem Flugblatt oder in der Werbung, aber den echten Umsatz machen sie mit der normalen Ware. Es gäbe natürlich noch mehr Bauern, die in dieses Programm rein wollen, aber wir können sie nicht nehmen, weil der Absatz am Markt nicht gegeben ist. Darum ist es schwierig, die Auflagen für alle in die Höhe zu schrauben, weil es nicht bezahlt wird.

Wie sieht für Sie die Landwirtschaftskammer in 15 Jahren aus. Welche Akzente wollen Sie in Zukunft setzen?
Nur wenn wir offen im Gespräch sind, nicht sofort abblocken und wirklich hinhorchen, dann können wir auch wirklich gute Politik machen. Ich sehe uns, die Landwirtschaftskammer als offenes Haus, als modernes Bildungshaus – wir wollen die Themen der Zukunft in Bildung und Beratung ummünzen und gemeinsam mit den Bauern Chancen für den eigenen Hof entwickeln und auf den Weg bringen.

Apropos Zukunft: Wäre es für Sie denkbar, in Zukunft in die Landesregierung oder nach Wien zu wechseln?

(lacht) Ich habe in meinem Leben nie etwas ausgeschlossen, aber auch nicht darüber nachgedacht, welche Funktionen denn noch kommen könnten. Mein Zugang ist: Dort wo ich bin, will ich versuchen, die bestmögliche Arbeit zu machen. Ich bin jetzt seit vier Monaten in der Landwirtschaftskammer und bin froh, wenn ich hier mal alles kennengelernt habe. Es ist mein Ziel für die Bäuerinnen und Bauern möglichst gute Arbeit zu machen und über alles andere denke ich im Moment nicht nach.

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