"Sitzen auf Pulverfass": Viel zu wenig Geld für Familienberatung
Die finanziellen Mittel für Familienberatung reichen nicht aus. Speziell bei Scheidungen können Familienorganisationen oft keine Hilfe anbieten. Jetzt steigen Familienbund und Co. auf die Barrikaden.
OÖ. Seit 2004 liegt die Scheidungsrate in Österreich bei über 40 Prozent. Gleiches gilt für Oberösterreich: Auch im Land ob der Enns wird fast jede zweite Ehe geschieden. Besonders problematisch wird es, wenn von dieser Scheidung Kinder betroffen sind. "Am Ende des Tages sind es immer Kinder, die am meisten unter den Trennungen leiden", sagt Bernhard Baier. Der Linzer Vizebürgermeister ist gleichzeitig Österreich-Chef des Familienbundes.
Und seine Organisation steigt nun auf die Barrikaden: Derzeit müsse der Familienbund ein Drittel der Anfragen zur Familienberatung – zumeist geht's um Scheidungen und Trennungen – wegen mangelnder finanzieller Mittel ablehnen. "Letztes Jahr haben wir über 2500 Klienten in mehr als 4300 Beratungsstunden betreut. Dennoch besteht in der Praxis weit mehr Bedarf. Gerade im Beratungsbereich sollten Menschen schnell Hilfe bekommen. Gibt es dann keine Hilfe oder erst in ein paar Monaten, lässt man die Menschen auf einem Pulverfass zurück", kritisiert Baier.
Der Schuldige für den "Beratungs-Notstand" ist zudem eindeutig benennbar: Der Bund habe die dafür vorgesehenen Mittel seit Jahren nicht erhöht und angepasst, heißt es. Der Bedarf hingegen sei explodiert. Insgesamt nur 12,6 Millionen Euro stehen 2016 in Österreich für Familienberatungsstellen zur Verfügung – 1,8 Millionen davon fließen nach OÖ.
Menschen mit geringem Einkommen betroffen
Fast wortgleich wie Baier kritisieren die Kinderfreunde die Politik des Bundes. Sie bieten im Mühlviertel an drei Standorten Familienberatung an. Insgesamt 280 Beratungsstunden seien vom Budget her möglich, der Bedarf sei allerdings um ein Vielfaches höher. "Wir haben oft schon im September das Jahresbudget aufgebraucht und kommen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nie aus", sagt Alexander Starzer, Geschäftsführer der Familienakademie der Kinderfreunde.
Zusätzlich prekär wird die Situation, weil Familienbaratungsleistungen überproportional von sozial schlechter gestellten Personen in Anspruch genommen werden. "Dass die Mittel für Beratungsleistungen fehlen, trifft in erster Linie Menschen mit geringem Einkommen", kritisieren Familienbund und Kinderfreunde.
Die BezirksRundschau hat bezüglich dieses akuten "Beratungs-Notstands" beim zuständige Familienministerium angefragt. Dort hieß es dazu lapidar: "Das Ministerium setzt sich laufend für die Belange von Österreichs Familien ein. Wir freuen wir uns das hohe Niveau zu halten und keine Kürzungen im Bereich der Familienberatungsstellen vornehmen zu müssen". Österreich, 2016: Keine Mittelkürzung bei explodierendem Bedarf gilt (offensichtlich) bereits als Erfolg ...
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