AK-Präsident Andreas Stangl
"Spätestens jetzt wäre Zeit für einen Schulterschluss"

Andreas Stangl: "Ich möchte auf Augenhöhe und respektvoll mit den anderen Sozialpartnern umgehen."  | Foto: Florian Stöllinger/AK OÖ
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  • Andreas Stangl: "Ich möchte auf Augenhöhe und respektvoll mit den anderen Sozialpartnern umgehen."
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Andreas Stangl wurde am 24. November zum neuen Präsidenten der Arbeiterkammer OÖ gewählt. Der 51-jährige Leondinger sprach im Interview mit der BezirksRundSchau über die Corona-Krise, die Sozialpartnerschaft und die Herausforderungen im Pflegebereich.

Mit welchen Anfragen hat die Arbeiterkammer denn derzeit aufgrund der Corona-Lage am häufigsten zu tun?
Stangl: In arbeitsrechtlicher Hinsicht das Thema mit der Sonderbetreuungszeit für Eltern von Schülern – das war legistisch schlecht gemacht. Viele haben sich bereits Urlaub genommen, als die Kinder von der Schule nach Hause geschickt wurden und nun gibt es rückwirkend die Möglichkeit für Sonderbetreuungszeit. Andererseits hat es lange die Thematik mit dem Testen gegeben, Stichwort 3G am Arbeitsplatz – das hat sich aber beruhigt, da das Land mit dem Angebot nachgezogen hat. Und, es gibt auch einige Personen, die mit irgendeinem Zertifikat daherkommen und meinen, die Maßnahmen gelten für sie nicht. Damit werden dann die Dienstgeber konfrontiert – und wir müssen den Menschen dann sagen, dass man den Test nicht verweigern kann.

Sie sehen also hausgemachte Probleme, weil die Legislative vieles nicht gut genug geregelt hat?
Um ein Beispiel zu bringen: Die Kurzarbeit kann seit 6. Dezember rückwirkend beantragt werden, aber die Leute waren ja schon seit 22. November zu Hause. Ich hatte vor der Wahl zum Präsidenten viele Anfragen, wie man Anträge stellen kann und musste sagen: Wir verhandeln noch, und erst eine Woche später hatten wir das Ergebnis. Wenn jemand seine eigene Firma so führen würde wie die Bundesregierung, dann hätte er ein Problem.

Wie würden Sie die Corona-Hilfen der Bundesregierung benoten?
Bei der Kurzarbeit kann man einen Zweier hergeben. Bei den Unternehmenshilfen ist es schon schwieriger, da wurden manche sogar „über-fördert" und das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Der Kreditschutzverband (KSV) hat eine Umfrage gemacht, dass 34 Prozent der Unternehmer gewisse Förderungen gar nicht gebraucht hätten. Unterm Strich könnte man für dieses Instrument also einen Dreier hergeben. Was die Impfkampagne betrifft und die nicht vorhandenen Testkapazitäten – das muss man mit „nicht genügend“ bewerten. In Oberösterreich hat man zudem verabsäumt, besser zu erklären, dass Impfen die beste Möglichkeit ist, diese Pandemie zu besiegen. Man hätte mehr die Ärzte „vorschicken“ sollen und nicht die Politiker, das wäre glaubwürdiger gewesen.

Was sagen Sie zum Krisenmanagement in Oberösterreich?
Man hätte die Menschen mehr einbinden müssen und es wäre besser gewesen, wenn die gesamte Landesregierung an einem Strang gezogen hätte. In Oberösterreich gab es ja im Herbst die Wahl und es wurde so getan, als ob es Corona nicht mehr geben würde.
Spätestens jetzt wäre aber die Zeit für einen echten Schulterschluss gekommen. Wir können nicht dauernd in einen Lockdown gehen, irgendwann wollen die Menschen wieder ihre Ruhe haben.

Wie sehen Sie die Rolle der FPÖ in diesem ganzen Gefüge?
Eher kritisch. Ich verstehe schon, dass jeder sein Wählerklientel bespielen will. Aber wenn man in der Regierung ist, muss man für alle Politik machen und nicht nur für die eigene Klientel. Wenn man bedenkt, dass Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner selber schwer krank war, ist es schon befremdlich, dass er zulässt, dass die Bundespartei zu einem Entwurmungsmittel rät – das ist ja gemeingefährlich.

Es gibt Berufe, die derzeit nicht sehr populär sind – etwa die Pflege. Sie haben kürzlich den neuen Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) kritisiert. Was macht er in diesem Bereich aus Ihrer Sicht zu wenig?
Es gäbe genug Menschen, die in den Pflegeberuf wechseln möchten. Aber für die Zeit der Ausbildung muss man dann sogar noch was bezahlen. Wenn also jemand, der arbeitslos war, in diese Ausbildung gehen möchte, dann wäre es gescheiter, diesen Menschen gleich das niedrigste Angestelltengehalt zu geben, etwa als Pflegehelfer. Mir ist es einfach zu wenig, wie von Landesrat Hattmannsdorfer angekündigt, die Pflege in der Dokumentation zu entlasten – sondern man muss wirklich etwas tun, um die Ausbildungen vollzubekommen. Das wäre auch ein Signal für all jene, die bereits in diesen Bereichen arbeiten.
In den Alten- und Pflegeheimen ist es ja so, dass der Pflegeschlüssel nicht angepasst und etwa Demenz unterbewertet wurde. Durch diese Unterbewertung steigt die Arbeitsbelastung der Beschäftigten, daher gehört der Pflegeschlüssel verbessert.

Andreas Stangl ist neuer Präsident der Arbeiterkammer OÖ. | Foto: AKOÖ/Spitzbart
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Wie viel Anteil hat die Entlohnung an der Pflegemisere?
Es hat 2015 und 2020 je ein Pflegepaket gegeben, aber es gibt noch Potenzial nach oben, speziell bei den unteren Einkommensgruppen.

Aber, wenn man ein bisschen priorisiert: Wäre für Sie eine flexiblere Stundeneinteilung wichtiger als beispielsweise 500 Euro mehr Gehalt für die Pflege?
Es ist wichtig, dass mehr Menschen im System arbeiten, es mehr Stunden gibt und nicht so am Pflegeschlüssel festgehalten wird, obwohl die Anforderungen gestiegen sind. Wir müssen es schaffen, dass sich Mitarbeiter wirklich wertgeschätzt fühlen und nicht nur als Kostenstelle sehen.

Ihr Vorgänger hat den Konflikt mit der Wirtschaftskammer nicht gescheut. Was darf man von einem AK-Präsidenten Stangl erwarten?
Johann Kalliauer hat immer wieder sozialpartnerschaftliche Initiativen zusammengebracht. Sei es die Corona-Stiftung, Hilfspakete oder Zusammenarbeit mit dem Land – das hat es immer gegeben und das möchte ich gerne fortsetzen. Meinen persönlichen Zugang würde ich so beschreiben: Ich stehe für Augenhöhe. Jeder hat seine Aufgabe zu erfüllen und wenn es einen Konflikt gibt, dann gibt es einen Konflikt – das liegt in der Natur der unterschiedlichen Standpunkte. Aber ich möchte trotzdem respektvoll miteinander umgehen.

Funktioniert die Sozialpartnerschaft in Österreich noch?
Die Sozialpartnerschaft wird weit unter Wert geschlagen. Die schwarz-blaue Bundesregierung hat die Sozialpartner verjagt und ihnen sprichwörtlich den Sessel vor die Türe gestellt. Als 2020 die Corona-Krise losgegangen ist, wusste die neue Regierung dann aber schon, wo sie anrufen muss. Schönwetter-Sozialpartnerschaft ist leicht, aber Schlechtwetter-Sozialpartnerschaft ist eine Stärke, und darauf vertrauen auch die Menschen im Land. Die Leute erwarten sich nicht, dass wir eine Nebenregierung sind, aber wenn es um Lösungsorientierung geht, können wir wirklich ordentlich Expertise einbringen. Denn Politik denkt von einem Wahltermin zum nächsten, aber wir müssen für unsere Mitglieder langfristig denken.

Wie sehen Sie derzeit die Lage der SPÖ in Land und Bund …
... da muss ich gleich vorausschicken, dass ich mich bei den ersten Interviews als neuer AK-Chef eigentlich nicht zu politischen Themen äußern möchte. Ich möchte ein Präsident für alle Mitglieder sein und nicht nur ein „Roter“. Auch jemand, der die Blauen wählt, soll sagen, das ist mein Arbeiterkammer-Präsident. Ich kritisiere die Sachpolitik, aber möchte mich parteipolitisch nicht zu sehr ausbreiten.

Zwar auch ein politisches Thema, aber nicht unbedingt parteipolitisch: Wie stehen Sie zur Impfpflicht?
Ich bin selber dreifach geimpft und ich denke, dass das Impfen die geeignetste Form ist, die Pandemie zu überwinden. Aber ich bin eigentlich gegen einen Impfzwang. Mir wäre es am liebsten, wenn die Menschen aus eigenem Antrieb impfen gehen und wir auf eine Impfquote kommen, bei der wir über so etwas nicht debattieren müssten. Ich bin eher für Aufklärungs- und Impfkampagnen. Nicht die Politiker sollen zum Impfen aufrufen, sondern Ärzte und wir müssen uns um die Menschen kümmern, die technisch nicht dazu in der Lage sind, sich einen Impftermin zu buchen. Es gäbe also schon Möglichkeiten, die Impfquote zu steigern. Jeder muss ernst genommen werden, dann würde auch die Bereitschaft steigen – es gibt ja nicht nur Impfverweigerer.

Ziele des neuen AK-Präsidenten

Für seine Arbeit als AK-Präsident definiert Stangl vier zentrale Ziele:

  • Gerechtigkeit am Arbeitsplatz – also das Durchsetzen von Rechtsansprüchen in der Arbeitswelt (z.B. Schluss mit unbezahlten Überstunden)
  • Sozial-gerechter Klimaschutz – CO2-Steuern auf Konsum belasten Ärmere stärker als Reiche, daher brauche soziale Klimapolitik höhere Steuerbeiträge von Reichen
  • Digitalisierung – Ausweitung des AK-Zukunftsfonds, der Digi-Projekte fördert
  • Ausbildungsoffensive – gemeinsam mit WKOÖ, IV und Land OÖ junge Menschen, die noch keine Lehrstelle haben, in Beschäftigung zu bringen (Sonderbudget der AK dafür: 5 Millionen Euro)
Andreas Stangl: "Ich möchte auf Augenhöhe und respektvoll mit den anderen Sozialpartnern umgehen."  | Foto: Florian Stöllinger/AK OÖ
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